MainFirst Artikel vom 13.10.2023
Drei Jahre sind vergangen, seitdem die chinesischen Behörden die ersten Maßnahmen ergriffen haben, um Spekulationen auf dem Immobilienmarkt einzudämmen. Wenngleich Peking den Abschwung des Immobilienmarktes mittlerweile ernst nimmt, muss noch mehr getan werden, da die Regierung wieder einmal nicht alles gegeben hat und noch politischen Spielraum lässt. Eine Verbesserung der Aussichten für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt sowie bei den Preiserwartungen auf dem Wohnungsmarkt ist kurzfristig unerlässlich. Geldpolitik und Banken müssen mittelfristig akkommodierend bleiben, um eine Kreditkrise zu vermeiden, die die gesamte Wirtschaft treffen würde, ähnlich wie es in den 1990er-Jahren in Japan der Fall war. Wir lassen zum jetzigen Zeitpunkt Vorsicht gegenüber dem Sektor walten. Doch Anleger, die Geduld und einen ausreichend langen Anlagehorizont haben, können in Einzelfällen noch gute Anlagegelegenheiten ausmachen. Das kommende Jahr ist in China das Jahr des Holzdrachens. Drachen werden in der Regel mit Führung und dem Erreichen von Zielen in Verbindung gebracht und sind ein Symbol von Glück. Hoffentlich wird der Holzdrache dem chinesischen Immobiliensektor im Jahr 2024 ein wenig Glück bringen.
Aktuelle Lage
Die Wohnungsbautätigkeit hat in China in den vergangenen 20 Jahren stark zugenommen, was auf Urbanisierung, steigende verfügbare Einkommen und Spekulation zurückzuführen ist. Aufgrund Letzterer wurde der Kauf mehrerer Wohnungen eine beliebte Anlage chinesischer Haushalte, da ihrer Meinung nach die Performance der Vergangenheit eine Garantie für künftiges Wachstum war. Doch während chinesische Immobilienentwickler immer neue Rekorde aufstellten, zeigte sich die Regierung in Peking zunehmend besorgt und führten im August 2020 – motiviert durch die Philosophie, dass „Häuser zum Wohnen da sind, und nicht zum Spekulieren“ – eine Reihe politischer Maßnahmen ein, die der Spekulation auf dem Immobilienmarkt und der Verschuldung der Bauherren Einhalt gebieten sollten. Diese Bestimmungen brachten viele Unternehmen in Schwierigkeiten und lösten schon kurz darauf eine Liquiditätskrise aus. Die Einführung strenger, pandemiebedingter Einschränkungen spitzte diese Krise noch zu und trübte gleichzeitig die Stimmung der privaten Haushalte. Die Aufhebung dieser Einschränkungen im Jahr 2022 reichte nicht aus, um die erwähnten Probleme zu lösen. Einige Städte auf den unteren Rängen (d. h. weniger weit entwickelte Städte) versuchten, die Nachfrage anzukurbeln, indem sie Einschränkungen beim Kauf von Wohnungen lockerten und Wohnungen erschwinglicher machten. Doch eine unkoordinierte Reaktion, die gedrückte Stimmung und der Rückzug von Investoren (aufgrund des Unterbindens von Spekulation durch Peking) führten zu einer schwachen Nachfrage. Schließlich beschloss die Regierung des Landes dann erst im August 2023, zum ersten Mal die Unterstützung auf nationaler Ebene wirklich zu verstärken. Zu den bedeutendsten Maßnahmen gehörten die Senkung der Untergrenze für die Anzahlung beim Erwerb der ersten Wohnung auf 20 % und beim Erwerb der zweiten auf 30 %, die Senkung des Hypothekenzinssatzes für die erste und die zweite Wohnung und die Erteilung der Genehmigung an lokale Regierungen, die Definition des Erstkäufers einer Wohnung zu erweitern. Wenngleich es sich hierbei um landesweite Maßnahmen handelt, haben Städte weitreichende Befugnisse bei ihrer Anwendung.
Nach Einführung der Maßnahmen vom August stieg der Umsatz der 100 bedeutendsten Immobilienentwickler im Monatsvergleich um 17,9 % (-29,1 % im Jahresvergleich). Obwohl diese Zahlen nicht gerade beeindruckend sind und auch ein positiver Saisoneffekt bei dem monatlichen Anstieg eine Rolle spielte, ist es noch zu früh, die Wohnungsverkäufe zu beurteilen, da politische Maßnahmen erst nach einer gewissen Zeit Wirkung zeigen. Laut Aussage einiger Makler in Peking und Shanghai ließ das Interesse der Käufe Ende September nach, nachdem es in der ersten Woche nach der Einführung der neuen Maßnahmen zunächst gestiegen war.
Kurzfristige Einschätzung
Auf kurze Sicht gehen wir davon aus, dass sich die Erholung im Wesentlichen auf Städte ersten Ranges beschränken wird (d. h. die am weitesten entwickelten, nämlich Peking, Shanghai, Guangzhou und Shenzhen) sowie auf die zweiten Ranges aufgrund der ihnen verbleibenden politischen Möglichkeiten im Vergleich zu den Städten auf den unteren Rängen. Städte wie Peking und Shanghai können immer noch die Anzahlungsquoten auf neue Mindestniveaus senken und Einschränkungen für Wohnungskäufer lockern, wie Guangzhou es im September getan hat (Gebietsansässige dürfen nun in vier neuen Bezirken bis zu zwei Wohnungen kaufen und Nicht-Gebietsansässige müssen nur einen Nachweis über zwei Jahre an Sozialabgaben/Einkommensteuer erbringen). Zwar können diese noch verbleibenden politischen Möglichkeiten in den bedeutendsten Städten nach und nach ausgeschöpft werden; doch gibt es immer noch einige Widerstände, die eine starke Erholung des Gesamtmarktes verhindern:
- Die Nachfrage von Investoren wird sich nur schwer wieder ankurbeln lassen.
- Städte, die auf den Rängen drei und vier angesiedelt sind, haben bereits 2022 begonnen, die Anzahlungsquoten zu senken und Einschränkungen beim Wohnungskauf zu lockern, und haben damit nur schwache Ergebnisse erzielt. Das stagnierende oder rückläufige Bevölkerungswachstum macht es in Verbindung mit einem hohen Bestand an Wohnungen schwierig, Neubauten und Verkäufe ins Rollen zu bringen.
- Anhaltende Insolvenzen von Immobilienentwicklern und Ungewissheit darüber, ob Projekte überhaupt fertiggestellt werden.
- Erwartungen fallender Immobilienpreise.
- Ungewisse wirtschaftliche Aussichten. Die Jugendarbeitslosigkeit steigt auf beispiellose Niveaus und private Investitionen sind weiterhin schwach.
Die bedeutendste kurzfristige Herausforderung für die Behörden besteht darin, die Stimmung der privaten Haushalte zu verbessern und privaten Investitionen neuen Schwung zu verleihen, um die Erwartungen bezüglich der Wohnungspreise zu verbessern und letztendlich die Nachfrage anzukurbeln.
Mittelfristige Einschätzung
Das „verlorene Jahrzehnt“ – so nennen wir die Zeit der wirtschaftlichen Stagnation, die in den 1990er-Jahren auf das Platzen der Immobilienblase in Japan folgte. Peking ist jetzt mit einem ähnlichen Szenario konfrontiert. Im Folgenden beleuchten wir die bedeutendsten Schwierigkeiten für China unter Bezugnahme auf die Erfahrungen, die Japan gemacht hat.
Alternde und schrumpfende Bevölkerung. Wenngleich die Bevölkerung Japans in den 1970er- und 1980er-Jahren immer noch wuchs, begann die Erwerbstätigenquote zu sinken, da der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung zunahm. China ist heute mit einem ähnlichen Muster konfrontiert, da der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung bereits sinkt und sich die Gesamtbevölkerung bis 2100 gegenüber heute voraussichtlich halbieren wird. Abbildung 1 zeigt dies sehr deutlich. Dies ist in Verbindung mit voraussichtlich dauerhaft negativen Migrationsströmen (UN-Daten) mittel- bis langfristig ein bedeutender Hemmschuh für die Wohnungsnachfrage. Finanzielle Anreize konnten an diesem Ausblick bislang nicht viel ändern.
Übermäßige Straffung der Geldpolitik: Zum Ende der 1990er-Jahre waren Grundstückspreise für Wohnimmobilien in 20 Jahren auf fast das Sechsfache gestiegen. Im Bemühen, die Blase zum Platzen zu bringen und die Inflation unter Kontrolle zu bekommen, straffte die japanische Zentralbank Ende der 1980er-Jahre ihre Geldpolitik. Diese blieb dann über die nächsten Jahre restriktiv, zu einer Zeit, als die Grundstückspreise allmählich wieder sanken und der Yen stark aufgewertet hatte. Bei den derzeitigen Inflationsraten nahe null sind auch die chinesischen Leitzinsen trotz der jüngsten Lockerung restriktiv. Nimmt man jedoch die Erwartungen steigender Inflation hinzu, sind die Realzinsen niedriger als in Japan und die PBoC tendiert zurzeit zu einer Lockerung – anders als die BoJ Ende der 1980er Jahre. Im jetzigen Stadium ist es für China von entscheidender Bedeutung, seine Geldpolitik so zu gestalten, dass die Blase nicht platzt, und dabei durch die Koordination von Geld und Fiskalpolitik sowie gesetzgeberischer Maßnahmen zu versuchen, das Szenario einer harten Landung zu vermeiden.
Bankenproblem: Da die Grundstückspreise in den Jahrzehnten vor dem Platzen der Blase stiegen, akzeptierten die Banken mehr Grundstücke als Sicherheit. Als die Blase platzte und die Preise einbrachen, machten die Banken Verluste. Dies führte in Verbindung mit den Regeln von Basel I, die Banken zwangen 8 % an Kapital zu halten, zu einer Kreditkrise. Hiervon wurde nicht nur der Immobilienmarkt getroffen, sondern auch andere Branchen, insbesondere KMU. Wenn es zu einem Niedergang kommen sollte, müssen die chinesischen Behörden dieses Szenario verhindern. Abbildung 2 unten zeigt das Engagement von drei der größten chinesischen Banken in Darlehen für den Bau- und Immobiliensektor. Das Engagement japanischer Banken in diesen Sektoren zu der Zeit, als die Blase platzte, war wesentlich größer und lag bei etwa 14–17 %. Die Eigenkapitalkoeffizienten von Banken sind heute ebenfalls höher und liegen bei den drei unten aufgeführten Banken im Bereich von 16–19 %. Chinesische Banken sind daher besser aufgestellt als japanische.
Fehlgeschlagene Fiskalpolitik und geringe Investitionen: Japan ist es während des verlorenen Jahrzehnts nicht gelungen, die richtigen Investitionen ins Visier zu nehmen. Der aktuelle wirtschaftliche Pessimismus und die geopolitischen Spannungen haben DFI und private Investitionen verringert. Die Regierung muss hart arbeiten, um den Investitionsmotor wieder zum Laufen zu bringen.
Auswirkungen auf Investitionen:
Angesichts der kurz- bis mittelfristigen Herausforderungen lassen wir gegenüber dieser Anlageklasse weiterhin Vorsicht walten und beobachten die Entwicklung in Bezug auf die oben beschriebenen Meilensteine.
Die Hauptnutznießer der jüngst eingeleiteten Maßnahmen sind mit dem Staat verbundene Immobilienentwickler mit soliden Bilanzen, die Engagements in erstrangigen Städten haben, da diese Städte immer noch über politischen Spielraum zur Ankurbelung der Nachfrage verfügen. Hinzu kommt, dass sich diese Städte auch eines Zuzugs von Einwohnern aus kleineren Städten erfreuen und daher weniger von dem für die kommenden Jahre zu erwartenden Trend einer schrumpfenden Bevölkerung betroffen sind. Bei einigen der größten Immobilienentwickler in Städten auf Rang eins handelt es sich auch um Unternehmen im Staatsbesitz (SOEs). SOE-Immobilienentwickler haben zum Teil von den Turbulenzen am Immobilienmarkt profitiert, indem sie ihren Marktanteil zulasten von Unternehmen im Privatbesitz (POEs) erhöht haben. Großen SOEs kommt zugute, dass sie sich im Besitz der öffentlichen Hand befinden, solidere Bilanzen haben und in der Gunst der Wohnungskäufer stehen, da diese darauf vertrauen, dass die Projekte auch fertiggestellt werden.
Die gute Nachricht ist, dass diese Unternehmen Anleihen im Umlauf haben. Diese werden jedoch nicht zu attraktiven Kursen gehandelt, insbesondere im Hinblick auf die makroökonomischen und die Sektorrisiken. Immobilienentwickler wie COLI und China Resources Land (CR Land) erfüllen die oben beschriebenen Anforderungen, aber die Bewertungen ihrer Anleihen sind bei einer derzeitigen Rendite zwischen 5,5 % und 7,5 % nicht besonders attraktiv.
Andererseits werden die Anleihen vieler POE-Immobilienentwickler mit schwachen Bewertungen von etwa 1–15 Cent gehandelt. Wir raten davon ab, zum jetzigen Zeitpunkt ein großes Engagement in diesem Segment einzugehen, da die Volatilität weiterhin hoch ist und die Stimmung schnell kippen könnte. Viele dieser Entwickler sind weitgehend in Städten auf den unteren Rängen engagiert, in denen das Angebot-Nachfrage-Verhältnis sehr ungünstig ist. Einige dieser Unternehmen werden wahrscheinlich nicht überleben, da sie nur einen dürftigen Bestand an abgeschlossenen Verkäufen haben, hoch verschuldet sind und durch kurzfristige Schwierigkeiten beeinträchtigt werden. Doch die jüngste Lösung für die Restrukturierung von SUNAC bietet eine gute Vorlage, an der sich andere Unternehmen orientieren könnten. SUNAC ist ein Immobilienentwickler mit einem großen Bestand an Grundstücken in Städten auf den Rängen eins und zwei. Er wurde 2022 insolvent. Die Gruppe schloss im Jahr 2021 Verkäufe mit einem Volumen von 389 Mrd. CNY (54 Mrd. USD) ab, bevor diese Zahl 2022 auf 98 Mrd. CNY fiel. Durch diese Restrukturierung verbessert sich die Kapitalstruktur des Unternehmens, da 4,5 Mrd./10,2 Mrd. USD an Auslandsschulden in Eigenkapital oder in an das Eigenkapital gebundene Instrumente (Wandelanleihen und Pflichtwandelanleihen) umgewandelt wurden. Unternehmen mit hochwertigem Grundstücksbestand und/oder Verbindungen zu SOEs, die bereit sind, sich einem ähnlichen Restrukturierungsprozess zu unterziehen, müssen von Anlegern beobachtet werden. Andere Fälle, deren Entwicklung man verfolgen sollte, sind Unternehmen, die Projekte veräußern und die Erlöse für Rückzahlungen an die Anleiheninhaber verwenden können. Wenngleich viel davon abhängt, wie sich die oben aufgeführten kurz- bis mittelfristigen Faktoren entwickeln werden, sollten Anleger diese Art von Szenarien im Auge behalten, da die Liquidität der Anleihen sehr gering ist, was mittelfristig letztendlich zu einer höheren Erlösquote führen könnte.
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