Warum Macron wohl wieder gewinnt

DWS CIO View vom 14.06.2022

Bei Vorhersagen zum Ausgang der französischen parlamentswahl spielen strukturelle Faktoren mindestens eine ebenso wichtige Rolle wie die aktuellen Umfrageergebnisse.

  • Nach den aktuellen Umfrageergebnissen könnte die Entscheidung bei den Parlamentswahlen für die Nationalversammlung im Juni knapp ausfallen.
  • Strukturelle Faktoren sprechen jedoch für einen Sieg der parlamentarischen Bündnispartner Macrons.
  • Die unmittelbaren Auswirkungen auf die Märkte dürften sich in Grenzen hal-ten, aber die exakten Ergebnisse werden die europäische Politik der nächs-ten fünf Jahre und darüber hinaus wohl stark beeinflussen.

Wird es Emmanuel Macron noch einmal schaffen? Wir hatten bereits darauf hingewiesen, dass Macrons Regierungsfähigkeit wesentlich von den Ergebnissen der Parlamentswahlen abhängen wird, deren erste Runde am 12. Juni, ein zweiter Wahlgang, wo erforderlich, dann am 19. Juni stattfindet. Alle 577 Sitze der Nationalversammlung, nominell zwar das Unterhaus, politisch aber die wichtigere der beiden Parlamentskammern, stehen zur Wahl. Nachdem Macron im April 2022 für weitere fünf Jahre im Präsidentenamt bestätigt wurde, ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass das „Ensemble“, ein Bündnis von politisch in der Mitte angesiedelten Parteien, die Macrons Agenda unterstützen, weiterhin dominieren wird. Wie wir nachfolgend beschreiben, ist dies eher auf strukturelle Faktoren zurückzuführen als auf eine besondere Begeisterung der französischen Wählerschaft. Während sich die unmittelbaren Auswirkungen auf die Märkte in Grenzen halten dürften, könnten die exakten Ergebnisse die europäische Politik der nächsten fünf Jahre und darüber hinaus stark beeinflussen.

1 / Kaum Anzeichen einer begeisterten Wählerschaft

Zumindest theoretisch könnte man denken, dass das Rennen um die Mehrheit in der Nationalversammlung noch immer weitgehend offen sein sollte. 2017 hatte die Partei von Emmanuel Macron, damals noch unter dem Namen „La République En Marche“ (LREM), proeuropäische Zentristen sowohl aus dem rechten als auch aus dem linken Lager sowie parteilose Kandidaten vereint. So schaffte es LREM, die traditionelle Dynamik des Parteienwettbewerbs in Frankreich aufzubrechen – durch ihre Neuartigkeit konnten die Wähler alle möglichen, bisweilen widersprüchlichen Hoffnungen in sie setzen. Fünf Jahre später käme eine gewisse Ernüchterung bei den Wählern nicht überraschend.

Französische Wählerinnen und Wähler schenken Wahlen in der Regel erst in den letzten Wochen des Wahlkampfs ihre Aufmerksamkeit, sodass späte Meinungsänderungen oder auch relativ große Abweichungen von den Umfrageergebnissen keine Seltenheit sind. Auch ist unklar, ob Élisabeth Borne, die Mitte-links angesiedelten Technokratin, die kürzlich zur Premierministerin ernannt wurde, bei den Wählern wird punkten können.[1] Weitere Skandale, wie der kürzlich erhobene Vorwurf der Vergewaltigung gegen den Minister für Solidarität, Damien Abad, könnten in dieser entscheidenden Phase die Erwartungen auf den Kopf stellen.[2] All dies könnte die Aussichten von Macrons Partei, die sich seit kurzem „Wiedergeburt“ (Renaissance) nennt, schmälern und möglicherweise auch anderen Mitgliedern des Ensemble-Bündnisses, wie der zentristischen MoDem-Partei von  François Bayrou, schaden.

Am wichtigsten mag aber vielleicht sein, dass eine genaue Auswertung derselben Umfrageergebnisse und darauf basierender Wahlprognosen, die für eine Mehrheit für Ensemble sprechen, gleichzeitig auch darauf hinweisen, wie wenige Wähler verzückt von einem derartigen Ergebnis wären.[3] Das Ausmaß der Begeisterung, Macron auch im Parlament eine Mehrheit zu verschaffen, scheint jetzt sogar noch geringer zu sein als vor fünf Jahren. So waren zum Beispiel laut einer kürzlich durchgeführten Meinungsumfrage lediglich 37 Prozent für eine Mehrheit Macrons in der Nationalversammlung, während sich 61 Prozent dagegen aussprachen – obwohl dieselbe Meinungsumfrage ergab, dass die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler mit einen derartigen Macron-Mehrheit rechnen.[4] Auch scheinen die gesellschaftlich drängendsten Themen „Ensemble“ nicht gerade in die Hände zu spielen. In Umfragen dominieren - je nach der genauer Formulierung der Fragestellung - zumeist Sorgen über die Lebenshaltungskosten und die schwindende Kaufkraft in Zeiten hoher Inflation vor Fragen der Gesundheitsversorgung und sozialen Absicherung, sowie durch Migration entstandene Probleme.[5] Macron, der einigen Wählerinnen und Wähler zu abgehoben und allzu stark international orientiert erscheint, ist in einem derartigen Umfeld wohl kaum ein großer Stimmenfänger.

2 / Paradoxerweise könnten die Bündnis­partner Macrons von einer niedrigen Wahlbeteiligung profitieren

Wahlen sind allerdings immer ein ungenauer Mechanismus, um Wählerpräferenzen und Stimmungen im parlamentarische Machtverhältnisse umzumünzen.[6] Der aktuelle Zustand einer nach wie vor im Umbruch begriffenen Parteienlandschaft lässt in Kombination mit den Unwägbarkeiten des Wahlsystems den Schluss zu, dass der Wahlausgang wesentlich sicherer sein dürfte, als ein flüchtiger Blick auf die Umfrageergebnisse vielleicht nahelegen würde. Die Präsidentschaftswahl hat die einst dominanten Parteien des traditionellen Mitte-rechts und Mitte-links Spektrums schwer erschüttert. Im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl mussten sich ihre Spitzenkandidaten nicht nur Macron und der altgedienten, rechtsextremen Marine Le Pen geschlagen geben, sondern auch dem linken Brandredner Jean-Luc Mélenchon und dem TV-Talkshowgastgeber Éric Zemmour, der sich selbst als “gaullo-bonapartistisch“ beschreibt.[7] Oder anders gesagt: Macron stand nicht nur insgesamt mit 27,9% der abgegebenen Stimmen an erster Stelle. Er war auch der Einzige der vier top platzierten Kandidaten für das Präsidentschaftsamt, der als Mann der Mitte gilt. Das ist deshalb wichtig, weil in Frankreich, ebenso wie in anderen Ländern, der zweite Wahlgang häufig von Wählerinnen und Wählern entschieden wird, die ideologisch extrem auftretende Kandidaten ablehnen und deshalb häufig eine zwar ungeliebte, aber akzeptabel erscheinende zentristische Alternative wählen.

Diese Dynamik, die Macron bereits bei den Präsidentschaftswahlen dazu verhalf, Marine Le Pen in der Stichwahl zu schlagen, dürfte auch bei den Wahlen der Assemblée Nationale eine große Rolle spielen. Aktuell gehen die Meinungsumfragen zum ersten Wahlgang von einem knappen Rennen zwischen „Ensemble“ und „NUPES“ aus, einem neuen, links orientierten Bündnis unter der Führung von Mélenchon mit jeweils etwa 26 Prozent der Stimmen, gefolgt vom Rassemblement National (RN) von Le Pen mit knapp über 20 Prozent. Aber der Anteil an den landesweit abgegebenen Stimmen lässt sich nicht so einfach auf die Sitzverteilung in der Assemblée Nationale übertragen.[8] Kleine Umfragefehler oder aber auch überraschend geographische Stimmabgabemuster im ersten Wahlgang können stark beeinflussen, welche Kandidaten es in die zweite Runde schaffen.

Einige strukturelle Besonderheiten des französischen Wahlsystems machen alles noch komplizierter. Dabei entscheidet besonders die Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang darüber, ob zwei oder mehr Kandidaten in die zweite Runde kommen. In jedem der 577 Wahlkreise wird ein Vertreter in die Nationalversammlung gewählt (davon vertreten 539 das europäische Frankreich, der Rest die Überseeterritorien und Auslandsfranzosen). Gewählt ist, wer die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen in seinem oder ihrem Wahlkreis erhält. Außerdem muss er oder sie noch eine zweite Hürde überwinden: Die Stimmenzahl muss mindestens einem Anteil von 25 Prozent der Wahlberechtigten im Wahlkreis entsprechen. Wird im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten direkt gewählt, kann jeder Kandidat, der die Stimmen von mindestens 12,5 Prozent der im Wahlbezirk registrierten Wähler erhalten hat, im zweiten Wahlgang antreten.[9] In der Stichwahl gewinnt der Kandidat, auf den die meisten gültigen Stimmen entfallen.

Diese ungewöhnlichen Vorgaben machen Modellierungen relativ schwierig. Bei einer hohen Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang dürften die meisten Kandidaten, die in ihrem jeweiligen Wahlkreis eine absolute Mehrheit erreichen, eine Stichwahl umgehen können. Allerdings bedeutet eine hohe Wahlbeteiligung auch, dass anderswo mehr dritt- oder sogar viertplatzierte Kandidaten in die zweite Runde kommen können. Bei einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung findet die Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen statt, unabhängig davon, ob sie überhaupt von 12,5 Prozent der Wahlberechtigten gewählt wurden.

So kompliziert dies alles auf den ersten Blick erscheinen mag, so bedeutet es letzten Endes, dass das Bündnis „Ensemble“ in einer wesentlich besseren Position ist, seine Mehrheit zu verteidigen, als dies die Umfrageergebnisse zum ersten Wahlgang glauben machen. Derzeit hält es 346 Sitze, schon 289 Sitze sichern die Mehrheit. Hinter dieser Bewertung steht die nicht unwichtige Annahme, dass sich nach unserer Einschätzung die Wahlbeteiligung von dem 2017 erreichten Rekordtief von unter 50 Prozent nicht wesentlich erholen wird.[10] Das wiederum dürfte relativ wenige direkte Gewinner im ersten Wahlgang bedeuten – und sehr wenige Stichwahlen, wenn überhaupt welche, mit drei oder mehr Kandidaten. Dass drei Kandidaten in das entscheidende Rennen gehen („Triangulaire“), kam in den vergangenen Jahrzehnten relativ häufig vor, besonders in Zeiten einer fragmentierten politischen Landschaft; 1997 gab es zum Beispiel 76 „Triangulaires“.[11] Um wieder ein ähnliches Szenario zu haben, sind aber sowohl eine hohe Fragmentierung (die 2022 wahrscheinlich sein dürfte) als auch eine hohe Wahlbeteiligung erforderlich. Die Ergebnisse von 2017 sprechen eine deutliche Sprache: Durch eine niedrige Wahlbeteiligung gab es nur ein einziges „Triangulaire“ – im Vergleich zu 35 bei den Wahlen zur Nationalversammlung 2012.[12]

3 / Noch keine klare Alternative zu Macrons Zentrismus

Falls sich die Begeisterung und das Interesse der Wähler nicht noch stark steigern und sich in einer hohen Wahlbeteiligung in der ersten Runde niederschlagen, ist das wahrscheinlichste Szenario in den allermeisten Wahlbezirken, dass zwei Kandidaten gegeneinander antreten werden. Davon sollte das „Ensemble“ profitieren, dessen Stärke in den aktuellen mittleren Umfragewerten leicht unterschätzt werden dürfte.[13] Somit wäre das plausibelste Ergebnis, dass das „Ensemble“ in den meisten Wahlbezirken Kandidaten in die Stichwahl schickt. In vielen davon dürften die jeweiligen Gegenkandidaten, die es in die Stichwahlen schaffen, NUPES (Neue Volksökologische und Soziale Union) oder dem RN (Rassemblement national) angehören. „Ensemble“-Kandidaten dürfte es dann häufig leicht fallen, ihren einzigen jeweiligen Stichwahlrivalen als zu extrem darzustellen, als dass ihn oder sie eine Mehrheit der Wähler akzeptieren könnte.

Außerdem hatte das „Ensemble“ genügend Zeit, Kandidatenauswahl und Positionen an die jeweiligen Wahlbezirke anzupassen. Ganz anders als 2017 dürften viele dieser Kandidaten und Kandidatinnen auch von ihrem Bekanntheitsgrad profitieren, der Amtsinhabern zugutekommt. Parlamentswahlen der Vergangenheit lassen den Schluss zu, dass derartige Faktoren das Ergebnis maßgeblich beeinflussen können.[14] Dasselbe trifft natürlich auch auf andere Amtsinhaber zu, besonders diejenigen von Mitte-rechts-Parteien. „Ensemble“ erscheint jedenfalls gut positioniert, um durch das Überbrücken traditioneller politischer Gräben moderate Wähler wieder für sich gewinnen zu können. Hierbei dürfte das „Ensemble“ davon profitieren, dass die meisten seiner Rivalen zuletzt kein kohärentes politisches Gegenprogram zu bieten hatten.

Bisher hat sich weder soziologisch noch ideologisch ein klarer Gegenpol etabliert. Es gibt keine „logische Opposition“ zu Macrons Zentrismus, um den sich frustrierte Wähler scharen könnten. Hier ein extremes Beispiel: Wähler, die sich in den französischen Überseegebieten im Nachteil fühlten, stimmten bei der Präsidentschaftswahl im ersten Wahlgang für Mélenchon, im zweiten Wahlgang aber für Le Pen.[15] In Frankreich selbst hätte eine Spaltung zwischen städtischen und ländlichen Wählern Macron gefährlich werden können, wenn ein Mitte-rechts-Herausforderer wie Xavier Bertrand bei den Präsidentschaftswahlen zu seinem Hauptrivalen geworden wäre. Stattdessen haben sich ähnliche städtisch-ländliche Spaltungen innerhalb dieser rivalisierenden Lager aufgebaut.[16]

Im rechtsextremen Spektrum scheinen der RN von Le Pen und Zemmours Reconquête-Partei weiterhin gespalten, nicht nur aufgrund persönlicher Animositäten, sondern auch aufgrund großer Differenzen bei den wirtschaftspolitischen Prioritäten.[17] Was von den politischen Mitte-links- und Mitte-rechts-Familien bleibt, ist uneins darüber, neue Bündnisse zu suchen und wenn ja, mit wem und wie eng. Auch dies zeigt tiefe politische Gräben, besonders in der Haltung zu Europa – sogar innerhalb des NUPES-Bündnisses von Mélenchon. Sollte Macrons „Ensemble“ nicht die Mehrheit erringen, könnte er wahrscheinlich mit anderen Zentristen aus den verschiedensten Ecken der zunehmend zersplitterten französischen politischen Landschaft parlamentarische Allianzen schmieden, obwohl darunter natürlich die politische Stringenz seines Programms leiden könnte. Allerdings dürfte das Wahlsystem Frankreichs letzten Endes einen Gegenpol schaffen, und 2022 könnte der Anfang dieses Prozesses sein. Ein starkes Ergebnis für NUPES könnte Mélenchon zwar vorerst den Zugang zur Macht verwehren, ihn aber gut dafür positionieren, die Linke rund um seine Ideen zu konsolidieren, während ein Wiedererstarken der RN einen ähnlichen Trend im rechten Spektrum auslösen könnte.

Fazit

„Macrons nicht zu leugnender Erfolg 2017“, so legte es eine der überzeugendsten Analysen der französischen Wahl vor fünf Jahren dar, „war vor allem die taktische Maximierung eines günstigen institutionellen und politischen Wettbewerbsumfelds inmitten einer apathischen Wählerschaft und fragmentierten Parteienlandschaft und nicht eine sich allgemein Bahn brechende Unterstützung für einen politischen Heilsbringer.“[12] Das klingt soweit schon einmal wahr. Weiter oben hatten wir allerdings die These aufgestellt, dass sich 2022 die Geschichte wiederholen könnte. Oder anders gesagt: Ähnliche Faktoren, die die Wahlen zur Nationalversammlung 2017 aus Sicht von Beobachtern so „besonders“ gemacht hatten, könnten Macron und dem „Ensemble“ noch einmal zum Sieg verhelfen. Aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang und einer stark zersplitterten politischen Landschaft könnte die Gleichgültigkeit der Wählerschaft den Bündnispartnern von Macron noch einmal zur absoluten Mehrheit in der Nationalversammlung verhelfen.

Unmittelbare Auswirkungen auf die Märkte dürften sich in Grenzen halten. Dies ist zum Teil der französischen Verfassung zuzuschreiben, nach der der Senat, das Oberhaus Frankreichs, der Nationalversammlung beinahe gleichgestellt (wenn auch politisch weniger einflussreich) ist. Unabhängig von den genauen Ergebnissen wird Macron immer noch Kompromisse schließen müssen, um in seiner zweiten Amtszeit sinnvolle, marktfreundliche Reformen umsetzen zu können. Aber unabhängig von den wohl überschaubaren, unmittelbaren Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die Wirtschaftspolitik werden die genauen Ergebnisse viele Hinweise über die sich verändernde politische Landschaft Frankreichs enthalten. Wird sich die sich abzeichnende Alternative zum Zentrismus Macrons um die rechtsextreme Agenda der RN scharen und auf Fragen der französischen Identität konzentrieren? Oder wird es Mélenchon gelingen, eine klassenkämpferische Politik und einen links orientierten, ökonomischen Populismus neu zu beleben? Beide Ergebnisse könnten für die europäische Politik der nächsten fünf Jahre und wohl darüber hinaus von Bedeutung sein. Zudem dürfte eine zweite Amtszeit Macrons einige faszinierende Einblicke bringen, wie sich ändernde Patronagebeziehungen französischer Art mittelfristig auf Politik, Staatswesen und Gesellschaft wirken werden. Dass französische Diplomaten vor kurzem aus Protest gegen geplante Reformen im öffentlichen Dienst auf die Straße gingen, gibt einige spannende Hinweise auf mögliche künftige Konflikte.[18] Wir werden wohl schon bald auf alle diese Themen zurückkommen. Vor weiteren Spekulationen erscheint es allerdings vorerst klüger abzuwarten, bis die französischen Wählerinnen und Wähler zumindest ihre Entscheidung im ersten Wahlgang getroffen haben. Wie bereits erwähnt, lagen die französischen Meinungsforscher in der Vergangenheit bisweilen gewaltig daneben. Dasselbe lässt sich leider auch über eine zu früh abgegebene politische Analyse sagen.
 

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Fußnoten

1. Élisabeth Borne, a French technocrat with a political point to prove | Financial Times (ft.com)
2. https:// www.lefigaro.fr/politique/affaire-abad-l-elysee-et-matignon-auraient-ete-informes-de-la-premiere-plainte-deposee-contre-le-ministre-avant-sa-nomination-20220524
3. Ein guter Überblick über die allgemeine Lage ist zu finden unter POLITICO Poll of Polls — French polls, trends and election news for France – POLITICO
4. Baromètre OpinionWay - Kea Partners pour Les Echos et Radio Classique - 25 mai - vague 3 (opinion-way.com). Es überrascht nicht, dass die Ergebnisse stark von der genauen Formulierung der Fragen abhängen. Aber das Grundmuster, dass eine Mehrheit der Wählerschaft eine Ensemble-Mehrheit erwartet, gleichzeitig aber genau von diesem Ergebnis nicht begeistert ist, ist ziemlich weit verbreitet. Siehe zum Beispiel: Présentation PowerPoint (elabe.fr)
5. Siehe z.B., PowerPoint Presentation (harris-interactive.fr)
6. Siehe z.B. Blocking the Front National from power risks increasing its supporters’ disenchantment with the political system : Democratic Audit, wo erklärt wird, wie Bemühungen rechtsnationale Kräfte im Parlament klein zu halten die die Unzufriedenheit mit dem politischen System insgesamt verstärkt haben dürften.
7. Éric Zemmour: The far-right pundit who threatens to outflank Le Pen (france24.com)
8. Nähere Einzelheiten zu möglichen Methoden sind beispielsweise zu finden auf S. 9 Baromètre OpinionWay - Kea Partners pour Les Echos et Radio Classique - 25 mai - vague 3 (opinion-way.com)
9. Article LO119 - Code électoral - Légifrance (legifrance.gouv.fr)
10. Résultats des législatives 2017: revivez la soirée électorale (lemonde.fr)
11. Situation politico-économique et résultats des élections législatives françaises | Cairn.info
12. Evans, J., Ivaldi, G. (2017) An atypical ‘honeymoon’ election? Contextual and strategic opportunities in the 2017 French legislative elections. French Politics, Band 15, S. 322–339. https:// doi.org/10.1057/s41253-017-0040-y
13. Jüngste Umfrageergebnisse sehen Ensemble bei 25-27 Prozent, d.h. bei oder unter dem Anteil Macrons von 27.9 Prozent im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl. Wie Evans, J., Ivaldi, G. (2017) belegen, erhält die Partei oder das Bündnis eines kürzlich gewählten Präsidenten in der Regel bei Wahlen der Legislative einen Bonus von rund 8 Prozent. Oder anders gesagt: Der Stimmenanteil von Macron im ersten Wahlgang von beinahe 28 Prozent dürfte eher als Untergrenze und nicht als Obergrenze für die Wahlaussichten von Ensemble dienen, zumindest wenn es in den kommenden Wochen nicht noch zu größeren Skandalen oder anderen unvorhersehbaren Ereignissen kommt. Die Ergebnisse von einem Kontext auf den nächsten zu übertragen wäre stark vereinfachend, zumal sich die Wählerschaft anders zusammensetzen dürfte. Darüber hinaus ist Macron der erste wiedergewählte Präsident seit Jacques Chirac 2002 – und der erste, der beide Amtszeiten wahrnimmt, seitdem nach einem Referendum 2000 in der Verfassung die Amtszeiten der Legislativen und des Präsidenten angeglichen wurden. Es wäre daher falsch, dem üblichen Bonus von 8 Prozent zu große Bedeutung beizumessen. Angesichts der geringen Anzahl erfasster Daten sollte dies nicht als starre Regel gelten. Aufgrund historischer Muster wäre aber ein Ergebnis für „Ensemble“ von 30 Prozent oder darüber keineswegs überraschend, trotz der aktuellen mittleren Umfragewerte.
14. Brouard, S. and Kerrouche, É. (2013), "L'effet candidat lors des élections parlementaires - L'exemple des élections législatives" Revue française de science politique. Band. 63, S. 1113-1136
15. French overseas territories show their dissatisfaction by pivoting to Le Pen | Financial Times (ft.com)
16. French parties of left and right battle for survival in June elections | Financial Times
17. Logic threatens to take a back seat to revenge on France’s far right | Financial Times (ft.com)
18. French diplomats strike against loss of status | Financial Times (ft.com)