Wähler verleihen ihrer Unzufriedenheit Ausdruck

Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 12.07.2024

Die Parlamentswahlen in Großbritannien und Frankreich haben in den vergangenen Wochen erneut gezeigt, in welchem Maße populistische Parteien gegebenenfalls für Disruption sorgen können.

Es gab durchaus Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Wahlen: Sowohl in Frankreich als auch in Großbritannien verhindert das Wahlsystem tendenziell einen Umsturz des Systems, in beiden Ländern waren die Wähler mit der Regierung unzufrieden, und in beiden Ländern nahmen populistische Parteien beträchtlichen Einfluss auf den Verlauf der Wahlen.

Der Wahlausgang war jedoch sehr unterschiedlich, und das könnte langfristig auch weitreichende Konsequenzen für die Anleger haben. In gewissem Umfang zeigt sich dies bereits daran, wie unterschiedlich sich die Aktienmärkte in Großbritannien und Frankreich entwickelt haben, seit Präsident Macron überraschend Neuwahlen angesetzt hat.

Beginnen wir mit Frankreich. Das starke Abschneiden des Rassemblement National bei den Europawahlen löste Befürchtungen aus, dass Präsident und Kabinett künftig unterschiedlichen politischen Lagern angehören könnten, was potenziell das Funktionieren der EU beeinträchtigen und eventuell eine Fiskalkrise in Frankreich auslösen könnte. Vor diesem Hintergrund weitete sich der Renditeaufschlag (Spread) zwischen französischen und deutschen Anleihen mit 10-jähriger Laufzeit von 47 Basispunkten (0,47%) vor den Wahlen auf einen Höchststand von knapp 82 Basispunkten kurz vor dem ersten Wahlgang aus. Diese Entwicklung wurde zum Teil wieder rückgängig gemacht; aktuell liegen die Spreads bei etwa 65 Basispunkten.

Warum sind die Spreads für französische Anleihen nicht einfach wieder zu dem Niveau vor den Wahlen zurückgekehrt? Ein Grund dafür ist die gänzlich neue Situation: Im Parlament sind drei große Blöcke vertreten, von denen keiner allein eine Mehrheit hat. Der Premierminister wird allein von Präsident Macron ausgewählt. Derzeit ist unklar, für wen er sich entscheiden wird und wie lange eine mögliche Koalition halten könnte. Außerdem sind die längerfristigen Implikationen des Wahlergebnisses zu bedenken. Den Parteien fällt es schwer, sich auf eine nachhaltigere Fiskalpolitik zu einigen.

Solange es daran mangelt, weiten sich die französischen Renditespreads im Zeitablauf tendenziell aus.

Im Gegensatz zu Frankreich spiegelt das Wahlergebnis in Großbritannien das vorhergegangene Experiment des Landes mit dem Populismus wider: das Brexit-Referendum im Jahr 2016. Nach dem Referendum wuchs die Wirtschaft unterdurchschnittlich, ein kurzer Flirt mit nicht gegenfinanzierten Steuersenkungen führte zu einer Finanzkrise, und die Konservative Partei war dauerhaft nicht dazu in der Lage, eine kompetente Wirtschaftspolitik zu formulieren. Daher stellte die schwerste Wahlniederlage der Konservativen in ihrer Geschichte keine Überraschung dar. Zwei Faktoren erklären, warum die Renditen von britischen Staatsanleihen in ihrem Korridor verharrten und warum britische Aktien deutlich besser abgeschnitten haben als ihre französischen Pendants. Erstens belief sich der Stimmenanteil extremistischer Parteien in Großbritannien lediglich auf 14%. Der deutliche Rückgang des Stimmenanteils der Konservativen kam vor allem Parteien aus der politischen Mitte zugute. Zweitens will die neue Labour-Regierung einen Schwerpunkt auf die Wertschöpfung legen. So versprach die neue Schatzkanzlerin Rachel Reeves in ihrer ersten Rede, die Regierung wolle rascher über Infrastrukturprojekte entscheiden und Auflagen lockern, die den Wohnungsbau hemmen. Aus Anlegersicht ist eine solche wachstumsfördernde Strategie kombiniert mit der Beibehaltung der fiskalpolitischen Ziele der Vorgängerregierung sehr viel attraktiver.

Populismus wird aus Anlegersicht ein zunehmend bedeutsames Risiko. In der Regel führt er zu schwachem Wachstum, einer schwachen Währung und einer unterdurchschnittlichen Aktienkursentwicklung. In einigen Ländern können populistische Parteien gut Fuß fassen, in robusteren Demokratien können sie jedoch an der Wahlurne wieder zurückgedrängt werden. Die Erholung verläuft gegebenenfalls langsam, und es kommt immer wieder zu Rückschlägen. Kurzfristig erscheint uns jedoch mit Blick auf Großbritannien und Frankreich klar, wo das Aufwärtspotenzial in den kommenden Jahren am größten ist.

Die Woche voraus

Im Euroraum dürfte die Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) kaum Auswirkungen haben. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat bereits angedeutet, dass die EZB anhand der vorhandenen Informationen bei dieser Sitzung nicht beurteilen kann, ob eine weitere Zinssenkung angezeigt ist. Außerdem stehen im Euroraum die aktuellen Leistungsbilanzdaten und die jüngste ZEW-Umfrage zur Anlegerstimmung an.

In den USA dürften die Einzelhandelsumsätze erneut auf einen eher schwachen Konsum hindeuten. Auch die Daten aus dem Wohnungsbau sollten nicht allzu günstig ausfallen, und die Industrieproduktion dürfte sich nach einem kräftigen Anstieg im Mai verlangsamen.

In Großbritannien wird sich die Aufmerksamkeit vor allem auf die Verbraucherpreisinflation für Juni richten, denn anhand dieser Daten entscheidet die Bank of England, ob sie ihre geldpolitischen Straffungsmaßnahmen angesichts der Inflationsentwicklung zum Teil zurücknehmen kann. Die Folgen der straffen Geldpolitik sind zunehmend am Arbeitsmarkt zu spüren. Sowohl die Zahl der freien Stellen als auch die Arbeitslosenquote dürften im Juni ungünstiger ausfallen.

In Japan wird die Verbraucherpreisinflation eine wichtige Rolle für die Frage spielen, ob die Bank of Japan ihre langsame Normalisierung im weiteren Monatsverlauf fortsetzen kann. Und zuletzt dürfte sich das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der Schweiz im zweiten Quartal nach einem starken ersten Quartal verlangsamt haben.

Populistische Stimmen dürften in der kommenden Woche vorübergehend weniger Gewicht haben – freuen wir uns über diese kurze Erholungsphase, bevor im weiteren Jahresverlauf neue Herausforderungen auf uns zukommen.

Sean Shepley
Senior Economist
 

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