LFDE Marktkommentar vom 31.10.2023
Wie geht es dem Arbeitsmarkt jenseits des Ärmelkanals? Eine Frage, die sich bis vor kurzem eigentlich leicht beantworten ließ. Doch Mitte Oktober teilte das Office for National Statistics (ONS) mit, dass es die Veröffentlichung seiner monatlichen Daten über die Beschäftigungslage um eine Woche verschieben werde. Die letztendlich am 24. Oktober veröffentlichten Zahlen scheinen allerdings nicht ganz in der Kontinuität der Daten der vorangegangenen Monate zu stehen, und das aus gutem Grund. Denn nach eigenen Aussagen der britischen Behörde stammen diese Zahlen aus alternativen Erhebungsquellen und werden als „experimentell“ bezeichnet. Da es in den westlichen Ländern zur Gewohnheit geworden ist, sich über den Mangel an Transparenz und Zuverlässigkeit der chinesischen Wirtschaftsstatistiken zu beschweren, ist die Situation in Großbritannien durchaus überraschend.
Dennoch scheint diese Änderung der Methodik seitens des ONS im Grunde eine kluge Entscheidung zu sein. Das Institut erklärte, dass die Zuverlässigkeit der Daten aus den traditionellen Umfragen unter den Privathaushalten sehr ungewiss geworden sei. Der Grund: Die Rücklaufquote, die üblicherweise bei etwa 50 % lag, ist im Laufe der vergangenen Monate auf unter 15 % gefallen. Infolgedessen wird die statistische Repräsentativität der eingegangenen Antworten stark in Zweifel gezogen. Haben die Briten plötzlich den Willen verloren, den Aufforderungen ihrer Regierung nachzukommen? Diese Hypothese wäre durchaus erwägenswert, wenn das Phänomen nicht auch über die Grenzen des Vereinigten Königreichs hinaus zu beobachten wäre.
Niedrige Rücklaufquoten beeinflussen US-Wirtschaftsdaten
Auch in anderen Ländern brechen die Rücklaufquoten der Umfragen ein, die die Grundlage für die Berechnung von Wirtschaftsstatistiken bilden. Dies gilt insbesondere für die USA. An stärksten betroffen sind hier ebenfalls die Beschäftigungsdaten. Den Höhepunkt bildete die JOLTS-Umfrage (Job Openings and Labor Turnover Survey), die die Anzahl der offenen Stellen sowie die Quote von Entlassungen und arbeitnehmerseitigen Kündigungen erhebt. Bei dieser Umfrage unter Unternehmen zur Messung der Spannungen auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt, die seit mehreren Quartalen sehr genau verfolgt wird, lag die Rücklaufquote im Jahr 2015 noch bei knapp 70 %. In diesem Sommer ging sie auf 30 % zurück. Diese Feststellung könnte die Aussagekraft der zuweilen überraschenden Zahlen, die in den vergangenen Monaten als Ergebnis dieser Umfrage veröffentlicht wurden, infrage stellen. Pessimisten weisen im Übrigen darauf hin, dass zahlreiche der in jüngster Zeit veröffentlichten Wirtschaftsdaten widersprüchliche Botschaften vermitteln und bedeutenden Anpassungen unterzogen werden, was ihre Interpretation erschwert.
Big Data: Zentralbanken im Blindflug?
Zu einer Zeit, in der Big Data so viele Aspekte unseres Lebens bestimmt, könnte dieses „Big Sammelsurium“ aus gesamtwirtschaftlichen Daten der Industrieländer Anlass zum Schmunzeln geben. Das Erstellen nationaler Statistiken ist eine äußerst komplexe Angelegenheit und könnte leicht als Fachdiskussion unter Ökonomen betrachtet werden. In einer Zeit, in der viele Zentralbanken betonen, dass sie datenabhängig sind und damit jüngsten makroökonomischen Veröffentlichungen große Bedeutung beimessen, um die Ausrichtung ihrer Geldpolitik zu bestimmen, ist das Thema jedoch von großer Relevanz. Entscheidungen auf Daten zu stützen, ohne von deren Zuverlässigkeit überzeugt zu sein, bedeutet für die großen Schatzmeister der Welt, ihren Kurs mit einem Kompass zu steuern, ohne sicher zu sein, dass dieser tatsächlich nach Norden zeigt.
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