Die 10 wichtigsten Fragen zu Anleihen im Niedrigzinsumfeld
Die Zinsen befinden sich schon seit 2012 im Sinkflug und das Niedrigzinsniveau hält weiter an. Inzwischen sind wir sogar vielerorts bei Negativzinsen angelangt. Selbst viele Unternehmensanleihen sind ins Minus gefallen. Warum sollen Investoren überhaupt noch in Anleihen investieren?
Adam Choragwicki, Leiter Rentenfondsmanagement, gibt Antworten und zeigt Chancen auf.
1. Soll man überhaupt noch in Anleihen investieren oder ist diese Anlageklasse mittlerweile überholt?
Anleihen gehören nach wie vor ins Portfolio, aber nur ausgewählte und dann auch nicht um jeden Preis. Zum einen haben sie eine stabilisierende Wirkung auf das Gesamtportfolio. Zum anderen gibt es immer noch den Korrelationseffekt: Bei geschickter Allokation kann eine Mischung aus Aktien und Anliehen eine höhere Rendite im Verhältnis zum eingegangenen Risiko erzielen und damit eine Verbesserung zu einem reinen Aktieninvestment sein. Gerade in volatilen Phasen ist dieser Baustein wichtig. Das hat sich auch in 2019 gezeigt: Als Anfang August die Aktienmärkte aufgrund eines erneuten Kommentars von Donald Trumps zum Handelskrieg fielen, flüchteten die Anleger in Anleihen und die Anleihekurse stiegen.
2. Stichwort „negative Anleihenrenditen“. Ist es möglich, in diesem Umfeld überhaupt noch Geld zu verdienen?
Der einfache Blick auf die p.a.-Rendite einer Anleihe reicht jedenfalls nicht aus, um hier ein Urteil zu fällen. Kein Investor kauft heute eine Anleihe mit 10 Jahren Restlaufzeit mit dem Ziel, diese bis zur Endfälligkeit im Portfolio liegen zu lassen. Viel mehr spielt die Kursphantasie eine wichtige Rolle. Bereits zu Beginn dieses Jahres wiesen die gehandelten Renditen bei Bundesanleihen mit Laufzeiten zwischen 3 und 7 Jahren eine negative Verzinsung auf. Trotzdem war der Gesamtertrag inklusive Kursgewinne per Ende September 2019 positiv und lag zwischen 1,2 und 4,3 %. Und dafür bietet die Vergangenheit noch mehr Beispiele. Aber auch ohne diese Kursphantasien werden institutionelle Anleger wie etwa Pensionskassen und Versicherer weiterhin Anleihen mit niedriger Verzinsung kaufen – einfach, weil die Regulatorik es erfordert. Abgesehen davon ist der Negativzins zum Glück kein weltweites Problem. Mit unserer globalen Ausrichtung haben wir genug Alternativen und damit auch Chancen, um über dem Marktdurchschnitt zu liegen.
3. Welche Alternativen gibt es am Anleihenmarkt?
Für einen global agierenden Anleihenmanager gibt es viele Alternativen zu Deutschen oder Schweizer Bundesanleihen. Zum Beispiel können wir unterschiedliche Staats- und Unternehmensanleihen mit den attraktivsten Laufzeiten und Bonitäten nutzen. Auch High Yield und Schwellenländeranleihen in unterschiedlichen Währungen können im Portfolio eingesetzt werden. Chancen bietet auch unser aktives Währungs- und Durationsmanagement, in dem wir beispielsweise auf steigende Zinsen setzen können. Zudem haben wir bei StarCapital keinen „home bias“. So können wir in unseren flexiblen Strategien das gesamte Ertragspotenzial des globalen Anleihenmarktes nutzen, um attraktive und robuste Portfolios für alle Marktphasen zu schaffen.
4. Wo gibt es aktuell noch Renditechancen?
Bei Staatsanleihen sehen wir derzeit deutlich mehr Potenzial bei US-Treasuries als bei Bundesanleihen. Des Weiteren setzen wir auf Investment Grade und defensive High Yield Unternehmensanleihen. Bei ausgewählten Schwellenländeranleihen in EUR und USD im mittleren Laufzeitenbereich sehen wir vereinzelt Potenzial, aber wir fokussieren uns auf Emittenten mit stabiler Kreditqualität.
5. Schwellenländer und Hochzinsanleihen spielen eine immer wichtigere Rolle im Anleihenportfolio. Steigt dadurch das Risiko?
Wir gehen Anlagerisiken nur ein, wenn wir dafür aus unserer Sicht entsprechend attraktiv entlohnt werden. Viele behaupten, dass das Niedrigzinsumfeld die Anleger in immer höhere Risiken treibt und die niedrige Anleihenrendite das Risiko nicht kompensiert. Wir gehen hier jedoch antizyklisch vor und schauen auf die Bewertung der Risikoprämien im historischen Vergleich. Im vierten Quartal 2018 sind beispielweise Unternehmensanleihen stark abgestraft worden. Unsere Analyse ergab, dass wir in diesem Anleihensegment im historischen Kontext sehr gut für die Übernahme des Risikos entlohnt werden. Daraufhin haben wir unser Exposure hier deutlich erhöht, werden es aber entsprechend wieder reduzieren, wenn die Bewertung teuer erscheint.
6. Was verstehen Sie unter Antizyklik im Anleihenmanagement?
Als Investor mit einer langen antizyklischen Tradition haben wir gelernt, hinter die Kulissen zu schauen. Wir hinterfragen Marktmeinungen – insbesondere, wenn diese zum Konsensus geworden sind und die Bewertung sehr attraktiv erscheint. Wir sind beispielsweise bereits im Oktober 2018 antizyklisch bei US Treasuries eingestiegen. Damals wollte die keiner mehr haben, weil der Markt noch an Zinserhöhungen glaubte. Wir waren da anderer Meinung und das hat sich ausgezahlt. Gegen Ende 2018 sind Unternehmensanleihen stark abgestraft worden und auch hier wurde sukzessive bei Anleihen mit längerer Restlaufzeit zugegriffen. Im Zuge einer Regierungskrise sind im Mai die Risikoprämien von italienischen Staatsanleihen auf ein sehr attraktives Niveau gestiegen. Auch hier haben wir entgegen der Marktmeinung antizyklisch agiert. Damit war auch eine deutliche Erhöhung der Portfolioduration verbunden, was sich bei diesem drastischen Renditerückgang als richtig erwiesen hat.
7. Was passiert, wenn die Zinsen doch wieder steigen?
Derzeit sieht es eher nach „lower for longer“ aus. An die vom Markt erwartete Zinswende glauben wir schon lange nicht mehr. Vielmehr haben die Zentralbanken die lockere Geldpolitik wieder aufgenommen. Besonders in den USA kann die Notenbank die Zinsen noch deutlich weiter senken, als es die Marktteilnehmer derzeit erwarten. Da die EZB-Politik an ihre Grenzen gestoßen ist, kann die schwache Konjunktur in Europa lediglich durch fiskalpolitische Maßnahmen wieder angekurbelt werden. Sollten diese Wirkung zeigen, könnte die Inflationsphantasie wiedererwachen und die Renditen langer Anleihen könnten steigen. Für diesen Fall verfügen wir über die nötigen Instrumente, um das Portfolio abzusichern oder sogar von steigenden Zinsen zu profitieren. In einem solchen Umfeld ist daher Flexibilität gefragt.
8. Viele Investoren nutzen ETFs als Alternative im Anleihenbereich. Wie Sie sehen Sie diesen Trend?
Wenn man nur ein bestimmtes Marktsegment – z. B. Europäische Staatsanleihen – abdecken möchte, ist das durchaus legitim. Für den Privatanleger dürfte es aber schwer sein, aus der Vielzahl der zugrundeliegenden Indizes den passenden ETF zu finden. Zumal man bedenken muss, dass die allermeisten Anleihenindizes nach dem Emissionsvolumen gewichtet sind. Das heißt, je höher die Schulden eines Emittenten, umso größer das Gewicht im Index. Der ETF-Anleger investiert somit nicht in die attraktivsten, sondern in die größten Schuldner. Hier liegt ein Widerspruch vor. Und genau darum bevorzugen wir bei unseren Strategien aktives Anleihenmanagement.
9. Was erwartet uns in den nächsten Monaten?
Wir befinden uns in einem Marktumfeld von vielen ungelösten Problemen. Handelskrieg, Brexit und eine sich abschwächende globale Wirtschaft laden nicht gerade dazu ein, das Gaspedal voll durchzutreten und nur auf „Risk-on“ zu setzen. Daher setzen wir aktuell auf einen gesunden Mix aus Staats-, Unternehmens- und ausgewählten Schwellenländeranleihen. Des Weiteren bietet uns unsere globale Perspektive die Möglichkeit bei neuen Opportunitäten näher hinschauen und bei Gelegenheit zuzugreifen. Unser Ziel ist es, ein attraktives und robustes Portfolio zu schaffen.
10. Was raten Sie Investoren?
Die Zeiten von „free lunch“ und „kaufen und liegen lassen“ sind definitiv vorbei. Das heißt aber nicht, das Anleihen keine Chancen mehr bereithalten. Die besten Möglichkeiten bietet eine globale und benchmarkfreie Anlagestrategie, die flexibel und schnell angepasst werden kann. Auf diese Renditechancen zu verzichten, wäre unserer Meinung nach ein Fehler. Anleihen gehören auch künftig in jedes ausgeglichene Portfolio und optimieren dabei den risikoadjustierten Ertrag.
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