Rückläufige Inflation, aber der Kampf ist noch nicht gewonnen

Amundi Marktkommentar vom 07.08.2023

Der Optimismus in Bezug auf die risikobehafteten Anlageklassen ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass der größte Teil des Zinserhöhungszyklus nun hinter uns liegen sollte und die Wirtschaftslage vor allem in den USA besser ist als erwartet. Hier rechnen wir weiterhin mit einer leichten Rezession im vierten Quartal 2023 / ersten Quartal 2024. Nachdem das Wachstum für das erste Quartal dieses Jahres nach oben revidiert wurde, haben wir auch unsere Konjunkturprognose für 2023 auf 1,6% angehoben.

Die Eurozone dürfte eine Rezession vermeiden, aber die Risiken im Zusammenhang mit einer Überstraffung der Geldpolitik durch die EZB und Wachstumsdivergenzen zwischen den Ländern bleiben bestehen. Für China haben wir unsere Wachstumsprognose für 2023 aufgrund eines schwachen zweiten Quartals und verzögerter Konjunkturmaßnahmen auf 5,1% gesenkt.

Folglich könnten die folgenden Faktoren die wirtschaftlichen Überlegungen beeinflussen:

  • Übertriebener Optimismus auf wackligem Fundament. Die Stärke des US-Wachstums ist eher mechanisch, und die in die Zukunft gerichteten Indikatoren deuten auf eine gedämpfte Aktivität hin. In Europa sind die konjunkturellen Aussichten, auch wegen der Schwäche in China, unserer Meinung nach eher abwärtsgerichtet.
     
  • In Bezug auf den geldpolitischen Kurs sollte man aus unserer Sicht auf die Kerninflation achten. Starke disinflationäre Trends – und nicht eine leichte Rezession – könnten die US-Notenbank Fed zu Zinssenkungen im nächsten Jahr veranlassen. Aber die Kerninflation könnte immer noch hartnäckig bleiben. Ein weiterer zu beachtender Faktor sind die Realzinssätze.
     
  • Aufwärtsdruck auf die „Terminal Rates“ – also die Endzinssätze im laufenden Zinserhöhungszyklus. Die EZB befindet sich nicht in einem Pausenmodus. Sogar bei der Fed sehen wir einen gewissen Druck auf unsere Prognose für die „Terminal Rate“ von 5,5%. Allerdings müssen die Besorgnisse über die Finanzstabilität und die finanziellen Rahmenbedingungen angesichts des Risikos einer Überstraffung im Auge behalten werden.
     
  • Eine langfristige Verlagerung von West nach Ost bleibt bestehen. Trotz der Verlangsamung des Wachstums in China bieten die Schwellenländer weiterhin selektive Chancen.

Wir sehen die Entwicklung der Anlageklassen wie folgt:

  • Anlageklassen-übergreifende Perspektive: Bessere Diversifizierung. Bei der Duration – ein Maß für die Zinssensitivität von Anleihen – in Europa sind wir nun leicht positiv gestimmt und bleiben konstruktiv eingestellt gegenüber den USA, doch sehen wir hier nun Anlass für eine gewisse Absicherung angesichts eines unsicheren Inflationspfads. Wir sind vorsichtig bei Unternehmensanleihen, insbesondere im Segment High Yield und bei Aktien in den entwickelten Märkten (DM). Bei den Schwellenländeraktien ändern wir unsere positive Haltung nicht, sondern passen sie an, indem wir die positive Sicht auf China auf die Schwellenländer insgesamt ausweiten. Wir halten Schwellenländeranleihen nach wie vor für aussichtsreich und sind jetzt leicht konstruktiv gegenüber tschechischen Staatsanleihen eingestellt, glauben aber, dass Währungsrisiken abgesichert werden sollten. Insgesamt sind wir der Meinung, dass Anleger ihre Aktienpositionen schützen und zur Diversifizierung eine leicht positive Einstellung zu Gold beibehalten sollten.
     
  • Anleihen: Diese bleiben im Fokus. Aufgrund der volatilen Märkte für festverzinsliche Wertpapiere bleiben wir in Bezug auf Duration und Unternehmensanleihen sehr aufmerksam. In Bezug auf die USA bleiben wir leicht positiv eingestellt, sind aber flexibel. In Kerneuropa bewegen wir uns in Richtung neutral und beobachten die Entwicklung der Wirtschaftsdaten, aber wir bleiben defensiv eingestellt gegenüber Japan. Bei den Unternehmensanleihen bevorzugen wir weiterhin qualitativ hochwertige Investment Grade-Anleihen, also Anleihen hoher Bonität, während wir bei den Hochzinsanleihen vorsichtig bleiben. Da wir dort einen Anstieg der spezifischen Risiken erwarten, ist aus unserer Sicht eine sorgfältige Auswahl erforderlich.
     
  • Aktien: Weiterhin defensiv bei DM-Aktien. In den USA bleiben die Divergenzen zwischen Large Caps –also Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung – und dem Rest des Marktes bestehen. In Bezug auf Value, Qualität und defensive Werte bleiben wir positiv und selektiv eingestellt. In Europa bewerten wir die nachlassende Wirtschaftsdynamik sowie die Auswirkungen der EZB-Maßnahmen und die Inflationsentwicklung. Eine geringere Unterstützung durch das Wirtschaftswachstum in der Region und die Schwäche in China könnte sich auf die Aktien auswirken. Daher konzentrieren wir uns weiterhin auf Qualitäts-, Value- und dividendenorientierte Aktien.
     
  • Schwellenländer: Mit einem starken Fokus auf Selektion sind wir trotz einer gewissen kurzfristigen Schwäche in China positiv gegenüber den Schwellenländern eingestellt. Die langfristige Wachstumsstory Chinas sollte nach wie vor intakt sein, wenn auch auf niedrigerem Niveau und gekennzeichnet durch den Fokus der Regierung auf eine bessere Lebensqualität. Wichtig ist, dass die Schwellenländer-Story über China hinausgeht und auch Länder wie Indien und Brasilien umfasst, für die wir eine positivere Einschätzung in Bezug auf Aktien haben. Bei Schwellenländeranleihen sind wir weiterhin optimistisch, sowohl für Hartwährungs- als auch Lokalwährungsanleihen, sowie für Lateinamerika angesichts der nachlassenden Inflation.

Von Vincent Mortier, Group CIO Amundi, und Matteo Germano, Deputy Group CIO Amundi
 

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