Raiffeisen Capital Management "Märkte unter uns" Juli 2023
Nach dem miserablen Kapitalmarktjahr 2022 durfte mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für 2023 mit einer positiven Gegenreaktion sowohl am Aktien- wie auch am Rentenmarkt gerechnet werden. Allerdings waren die Rahmenbedingungen für eine Markterholung im ersten Halbjahr mit weiter steigenden Zinsen infolge der Inflationsbekämpfung, einer erhöhten Rezessionsgefahr und den geopolitischen Konfliktherden nicht gerade einfach. Während Anleihen aufgrund des höheren Renditeniveaus schon zu Jahresbeginn als attraktiv galten, aber aufgrund der unverändert restriktiven Politik der Notenbanken bislang nur leichte Kursgewinne aufweisen konnten, überraschte der nicht eben günstig bewertete Aktienmarkt einmal mehr bemerkenswert positiv.
Der zunehmend sichtbar werdende Megatrend „Artificial Intelligence“ (AI) und die damit verbundenen Wachstumsimpulse insbesondere in der Technologiebranche waren letztlich wohl hauptverantwortlich für die deutlich positive Aktienentwicklung. Darüber hinaus hat sich die globale Wirtschaft dank der abgemilderten Energiekrise in Europa und eines weltweit relativ guten Konsumklimas basierend auf robusten Arbeitsmärkten und dem expansiven Dienstleistungssektor deutlich besser gehalten als angenommen. Auch die Gewinnausweise der Unternehmen haben in Relation zu den niedrigen Erwartungen bislang positiv überrascht zumal die inflationsbedingten Kostensteigerungen vielfach weitergegeben und die Margen auf vergleichsweise hohem Niveau gehalten werden konnten.
Die Stimmung für „Risky Assets“ war lange Zeit schlecht und daher die Positionierungen zurückhaltend, was sich einmal mehr als Kontrasignal herausgestellt hat. Und technisch hat sich der im Oktober 2022 begonnene Aufwärtstrend unter Schwankungen aber letztlich doch stetig und seit Mitte März sogar beschleunigt fortgesetzt. Wir gehen davon aus, dass sich das positive Momentum kurzfristig noch fortsetzen kann und bleiben bis auf Weiteres in Aktien leicht übergewichtet. Sollten sich in den nächsten Monaten die Anzeichen für eine Rezession jedoch weiter verdichten, werden Anleihen zulasten von Aktien vermehrt in den Fokus rücken.
Marktumfeld – Anleihemärkte
Anleihemärkte: Renditen steigen weiter an
Die Renditen der Euro-Staatsanleihen sind im Juni leicht angestiegen, nachdem es bei den US-Treasury-Renditen noch deutlicher nach oben gegangen ist. Da die globalen Notenbanken zuletzt ihre restriktive Geldpolitik mehrfach untermauert und infolge der zähen Entwicklung bei den Kerninflationsraten weitere Zinsanhebungsschritte sowie ein längeres Verharren auf höherem Niveau in Aussicht gestellt haben, sind die Anleihemärkte vom Zinsänderungsrisiko weiter belastet.
Der generelle Inflationstrend zeigt jedoch weiter nach unten, wenngleich es in einzelnen Ländern wie etwa in Großbritannien und Deutschland ein Übertreffen der letzten Werte gegenüber den Prognosen gab, während Frankreich, Italien und Spanien niedrigere Preissteigerungswerte als erwartet bekanntgaben.
Unter den riskanteren Anleihekategorien weisen Euro-High-Yield-Anleihen eine positive Monatsbilanz auf, während Euro-Unternehmensanleihen nahezu unverändert bleiben. Wie schon im Monat zuvor, konnten sich Emerging-Market-Anleihen positiv entwickeln, wobei im Juni sowohl Lokal- wie auch Hartwährungsanleihen eine Wertsteigerung erfuhren.
Marktumfeld – Aktienmärkte
Aktienmarkt: Widerstände durchbrochen
Globale Aktienmärkte und allen voran die US-Indizes konnten auch im Juni weiter zulegen, wobei sich die Marktbreite und damit die Partizipation am Aufwärtstrend verbessert hat. Obwohl (US-)Technologieaktien infolge der erwarteten zusätzlichen Wachstumsimpulse aus dem Megatrend der Künstlichen Intelligenz den Aktienmarkt weiter anführen, so waren zuletzt auch zyklische Konsumwerte stärker nachgefragt. Letzteres kann als Zeichen von Zuversicht gewertet werden, dass man am Markt nicht von einer baldigen oder drastischen Rezession ausgeht. Unter den globalen Sektoren hat sich insbesondere der Gesundheitssektor schwächer entwickelt.
In der relativen Entwicklung der einzelnen regionalen Aktienmärkte zählen weiter die USA und Japan zu den Besten, während sich Europa und die globalen Emerging Marktes – diese aufgrund der schwachen Entwicklung in China – deutlich schwächer entwickelten. Der amerikanische S&P-Aktienindex konnte charttechnische Widerstandslinien, die lange Zeit Bestand hatten, im Monatsverlauf klar nach oben durchbrechen und bestätigte mit neuen Jahreshöchstständen eindrucksvoll seinen Aufwärtstrend.
Marktumfeld – Rohstoffe und Währungen
Währungen und Rohstoffe: Gemischtes Bild
Der Euro hat im Juni gegenüber dem US-Dollar wieder zulegen können und damit die Verluste vom Vormonat nahezu ausgeglichen. Somit bewegt sich Euro zu US-Dollar weiter in der Bandbreite zwischen in etwa 1,05 und 1,10. Der Japanische Yen wertet weiter ab, was jedoch die Wettbewerbsfähigkeit des Landes steigert und sich auch in einer positiven Börsenentwicklung niederschlägt. Der breite Rohstoffindex hat im Juni einen weiteren schwachen Monat verzeichnet. Die anhaltend rückläufige Notierung für Erdöl wird wohl einmal mehr die OPEC auf den Plan rufen, weitere Produktionskapazitäten aus dem Markt zu nehmen, um den Preis zu stabilisieren. Im Bereich der Edelmetalle setzt sich der deutliche Abwärtstrend bei Gold fort, was vor allem auf die noch zu erwartenden Zinsanhebungen der amerikanischen Notenbank zurückzuführen ist.
Ausblick – Globale Wirtschaft
Konjunkturausblick: Arbeitsmarkt und privater Konsum weiter stark
Der Trend zur Abschwächung in Industrie und produzierendem Gewerbe hält weiter an und die meisten Einkaufsmanagerumfragen deuten darauf hin, dass in diesem Bereich der Wirtschaft bereits eine Rezession im Gange ist – je nach Land in unterschiedlich starkem Ausmaß.
Die Entwicklung im Service- und Dienstleistungsbereich, der in zahlreichen Volkswirtschaften für das Wachstum die größere Rolle spielt, ist jedoch weiter expansiv. Die Nachholeffekte nach der Coronakrise etwa im Tourismusbereich oder im Gastgewerbe sorgen hier für eine gute Konjunktur. Generell zeigt sich der private Konsum trotz der Teuerung infolge eines festen Arbeitsmarktes relativ stark. In den USA hat sich zuletzt auch der Immobilienmarkt wieder aufgehellt, obwohl die Hypothekenzinsen auf hohem Niveau verharren.
Gemäß aktueller Wirtschaftsprognosen sollte sich für das Gesamtjahr 2023 ein leicht positives gesamtwirtschaftliches Wachstum ausgehen, wobei sich die Prognosen in den letzten Monaten tendenziell verbessert haben.
Ausblick – Inflation und Notenbanken
Leitzinsanhebungen: Zähe Entwicklung bei Kerninflation
Wenngleich wir uns wohl gegen Ende des Zinsanhebungszyklus befinden, haben die Notenbanken klar gemacht, dass sie in den Sommermonaten noch weitere Zinsschritte setzen werden und die Leitzinsen eine Zeit lang auf dem erhöhten Niveau belassen werden. Der Hintergrund hierfür ist die zähe Entwicklung bei der Kernrate der Inflation, also ohne die zyklischeren Komponenten Energie und Nahrungsmittel.
Denn obwohl der Trend bei den Preissteigerungsraten tendenziell weiter nach unten geht, hat sich die Inflation in einigen Bereichen über Zweit- und Drittrundeneffekte festgesetzt und scheint insbesondere im unverändert starken Dienstleistungsbereich nur sehr langsam wieder abzuklingen. Für die USA wird jedenfalls mit noch einer weiteren Leitzinsanhebung im Juli auf 5,5 Prozent gerechnet, nachdem im Juni pausiert wurde. In der Eurozone wird die Europäische Zentralbank in den Sommermonaten die Leitzinsen wohl um mindestens weitere zwei Mal im Ausmaß von jeweils 0,25 Prozent anheben. Wobei sich beide Notenbanken weitere Schritte in Abhängigkeit der Daten vorbehalten haben.
Ausblick – Anleihemärkte
Anleihemärkte: Rezessionsgefahr steigt weiter
Die Anleihemärkte werden von den restriktiven Aussagen der Notenbanken und etwaigen weiteren Zinsanhebungen noch belastet, wenngleich das Renditeniveau mittlerweile die Risiken gut eskomptiert. Sollten sich die Anzeichen für eine Rezession im Jahresverlauf weiter verdichten, ist mit vermehrten Umschichtungen in Richtung sichere Staatsanleihen zu rechnen.
Im Bereich der Anleihepositionierung wurden keine Veränderungen vorgenommen. Es werden weiterhin Staatsanleihen gegenüber Unternehmensanleihen und Hochzinsanleihen bevorzugt. Lediglich innerhalb der Staatsanleihen wurde die Übergewichtung von USA gegenüber Kanada wieder geschlossen.
Ausblick – Aktienmärkte global
Aktien unverändert leicht übergewichtet
Das Aktien-Übergewicht hat sich auch im Juni bezahlt gemacht und diese Positionierung wird bis auf Weiteres auch beibehalten. Trotz der bestehenden Rezessionsrisiken hält sich die Wirtschaft dank robustem Arbeitsmarkt, positivem Konsumklima und expansivem Dienstleistungssektor bislang stabil und damit besser als erwartet.
Die Unternehmen konnten schon für das erste Quartal 2023 deutlich positiv überraschen und auch für das zweite Quartal kann von dieser Seite mit Unterstützung gerechnet werden, zumal die Erwartungen im Vorfeld eher niedrig angesetzt und die Gewinnrevisionen der Analysten zuletzt wieder nach unten gegangen sind. Die Stimmung unter den Marktteilnehmern, die lange Zeit klar negativ war, hat sich zuletzt zwar deutlich aufgehellt, die Positionierungen sind aber weiterhin überwiegend risikoavers, womit von dieser Seite noch mit Nachholeffekten zu rechnen ist. Zuletzt konnten wesentliche Marktindizes technische Widerstandslinien nachhaltig überwinden, wodurch einerseits der Aufwärtstrend bestätigt und andererseits das Momentum am Aktienmarkt bisweilen klar positiv ist.
Ausblick – Aktienmärkte regional
Selektive taktische Über- und Untergewichtungen
Im Rahmen der Aktienregionen wurde die Übergewichtung in Nordamerika nach entsprechend starker Marktentwicklung in den USA zurückgenommen; die Region wird nun untergewichtet. Die deutlich Übergewichtung in Europa bleibt bestehen, zumal es hier nach einer schwächeren Phase einen gewissen Aufholeffekt geben sollte.
Die Pazifikregion und hier insbesondere Japan wird ganz leicht übergewichtet. Globale Emerging Markets werden zwar weiter taktisch untergewichtet, jedoch wurde die Untergewichtung nunmehr auf ein deutlich geringeres Ausmaß verringert.
Strategische Asset Allocation
Aktien
Wir haben die Aktienmarktschwäche im letzten Jahr genutzt, um in mehreren Schritten zuzukaufen und ein geringfügig erhöhtes Aktienrisiko zu erreichen.
Im Q1 dieses Jahres haben wir die starke Performance bei Euro-Aktien genutzt um Gewinne mitzunehmen. Der Anfang Q2 erfolgte modellgetriebene Kauf von Euro-Aktien wurde Anfang Mai in Cash gedreht.
Staatsanleihen
Auch bei den Staatsanleihen haben wir im vergangenen Jahr in mehreren Schritten zugekauft.
Nach dem Zukauf bei australischen Bonds Mitte Juni 2022 haben wir im Oktober 2022 und zuletzt auch Ende Februar 2023 das Zinsrisiko bei europäischen Staatsanleihen erhöht.
Nach einer Reduktion im März haben wir im Juni das Zinsrisiko über UK und kanadische Anleihen wieder erhöht.
Unternehmens- & EM-Anleihen
Die letzten wesentlichen Änderungen im Spreadbereich war eine Aufstockung bei High-Yield-Anleihen Anfang Juli 2022 und bei Italienischen Staatsanleihen im Q2 und Q4 2022.
Demgegenüber haben wir bei Emerging Markets Währungen in mehreren Schritten Gewinne mitgenommen. Ende Mai haben wir bei EM-Hartwährungsanleihen zugekauft.
Reale Assets
Wir haben die starke Performance bei inflationssensitiven Assets (Inflationsschutzanleihen, zyklische Rohstoffe, inflationssensitive Aktien und Währungen) im Laufe des H1 2022 genutzt, um die Position zu verringern.
Nach den gesunkenen Rohstoffpreisen haben wir im Q4 2022, Q1 2023 und Ende Mai bei Industriemetall-und Energierohstoff-Futures zugekauft.
Taktische Asset Allocation Juli
- Wirtschaft: Wirtschaft resilient infolge von Arbeitsmarkt und privatem Konsum; US-Daten überraschen im Gegensatz zur Eurozone positiv; Inflationstrend weiterhin rückläufig trotz erhöhter Kernraten
- Unternehmen: Getrübter Ausblick auf Gewinnentwicklung in den USA; Negative Analystenrevisionen im Vorfeld der Berichtssaison; Konstruktiver Gewinnausblick in Richtung 2024
- Anlegerstimmung: Stimmungsindikatoren haben sich zuletzt deutlich aufgehellt; Positionierungen jedoch noch immer mehrheitlich risikoavers; Marktvolatilität weiter auf historisch niedrigem Niveau
- Markttechnik: Technische Widerstandslinien nach oben durchbrochen; Kurzfristig erscheinen insbesondere US-Technologieaktien überhitzt; Konjunkturzyklische Branchen mit überraschend guter Entwicklung
- Spezialthemen: Inflation/Notenbanken; Geopolitik; China;
- Positionierung: Globale Aktien übergewichtet zulasten Euro-Geldmarkt
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