Die Marke 3000
Fast zeitgleich haben der Euro Stoxx 50 Index und der S&P 500 Index die 3000er Marke wieder überwunden. Manche sprechen von technischen Marken, deren Überspringen Gutes verheißt. Und das mag durchaus sein, denn der Markt ist bekanntlich zu einem wesentlichen Teil von Psychologie und Stimmung getrieben. Allerdings ist das Sentiment der Anleger im umgekehrten Sinne zu lesen. Bedeutet: eine sehr schlechte Stimmung unter den Marktteilnehmern ist oft ein Vorzeichen für eine positive Marktentwicklung. Diverse Indikatoren deuten darauf hin, dass viele Anleger trotz der Markterholung der letzten zwei Monate immer noch vorsichtig sind. Eine Marktanalyse, die an diesem Punkt endete, käme daher zu dem Ergebnis, dass Aktien übergewichtet sein sollten. Jetzt kommen aber die Fundamentaldaten ins Spiel, also Wirtschaftswachstum und Unternehmensgewinne. Gerade bei letzteren stehen noch dramatische Einbrüche ins Haus. Dies wird der Markt nicht ohne Korrekturen verkraften, weshalb bis auf weiteres an der vorsichtigen Position Die Marke 3000 festgehalten wird. Der scheinbare Gleichlauf um die „Schwelle 3000“ ist aber auch eine Bestätigung der bedauerlichen Underperformance europäischer Aktien. Denn vor genau 10 Jahren lag der Euro Stoxx 50 bereits bei 2600, der S&P 500 bei 1100. Man muss kein Finanzmathematiker sein, um zu sehen, dass der Performanceunterschied massiv ist. Natürlich kann man alles gut begründen. Die großen und sehr erfolgreichen Technologie- und Internetunternehmen gibt es in den USA und nicht hierzulande. Und USBanken performen seit Jahren stabil, während man das von den heimischen Finanzwerten – zumindest im Aggregat – nicht behaupten kann. In der nächsten Konjunkturerholung werden europäische Werte allerdings eine neue Chance bekommen. Immerhin sollten die hiesigen Exporteure von einem Anspringen des Welthandels profitieren. Spätestens dann sollten auch die attraktiven Aktienbewertungen ins Auge springen, während die US-Unternehmen schon relativ teuer sind.
Diverse Indikatoren deuten darauf hin, dass viele Anleger trotz der Markterholung der letzten zwei Monate immer noch vorsichtig sind.
Rentenmärkte: Zurück zur Normalität?
Am Höhepunkt des „Corona-Crashs“, Ende März, verloren selbst die ansonst sicheren Staatsanleihen deutlich. Zuletzt trat nun wieder Beruhigung und Normalisierung ein, stark unterstützt durch die Anleihenkäufe der Zentralbanken. Staatsanleihen sind, generell gesprochen, 2020 wieder im Plus. Mit Abstand in Führung liegen die US-Treasuries, die von der raschen und deutlichen Zinssenkung der US-Notenbank profitieren konnten. Mit der Verbesserung der globalen Stimmung erfahren auch die Unternehmensanleihen wieder gute Nachfrage, eine allgemeine Einengung der Renditeabstände ist die Folge. Im Segment der höheren Kredit-Risiken setzten im Mai auch High-Yield- und Emerging-Market- Anleihen ihre Erholung fort, wenn auch von weit tieferen Niveaus. Lokale Fundamentaldaten spielen in den Schwellenländern dabei eine untergeordnete Rolle. Die Phase der strikten Risikovermeidung („Riskoff“) ist also überwunden, es herrscht somit wieder Zuversicht, obwohl wirtschaftlich vieles noch bevorsteht.
Aktien: Erholungsrally hält an, und dann?
Rückblickend gesehen setzte vielerorts bereits ab Ende März eine überraschend starke, nahezu V-förmige Erholung ein, die bis heute – wenn auch abgeflacht – andauert. Auch im längerfristigen historischen Vergleich ist diese Erholung außerordentlich. Es wird also mehr über zukünftige Wachstumsraten spekuliert als über gegenwärtige, recht dramatische Rezessionsszenarien. Doch das gilt nicht gleichermaßen für alle Marktsegmente. Technologie- und Pharmatitel profitieren deutlich mehr als Industrie-, Finanz oder Konsumgüter. Deshalb weisen auch US-Indizes, insbesondere Titel der „Tech-Börse“ NASDAQ, wesentlich bessere Performance auf als beispielsweise Europa. Erst Ende Mai konnten vernachlässigte Branchen etwas aufholen. Emerging Markets können noch nicht mithalten, vor allem Lateinamerika ist stark und mehrfach betroffen, denn schon vor COVID-19 waren die Konjunkturaussichten teilweise schwach. Auch China verlor insbesondere durch die politischen Spannungen in Hongkong zuletzt etwas.
Rohstoffe und Währungen: Erholung auch hier zu spüren
Nun hat die Erholungsrally der Aktienmärkte, wenn auch abgeschwächt, die Rohstoffe erreicht. Die Preise für Industriemetalle und Energierohstoffe sind im Mai generell etwas gestiegen, insbesondere die wilden Ausschläge der Ölpreise an den Terminmärkten haben sich verflüchtigt. Dennoch notiert Rohöl noch etwa 45 % unter den Preisen zum Jahreswechsel. Edelmetalle, vor allem Gold, haben hingegen von dieser Krise profitiert. Dazu kommt, dass auch die globale Nullzins-Situation für Gold weiterhin unterstützend
wirkt. Auch am Devisenmarkt kehrte Entspannung ein, die globalen Währungen notieren wieder stabil zueinander, der Euro hat seit Jahresbeginn in Summe leicht nachgegeben, deutlicher hat das Pfund verloren. Hingegen konnten die sehr unter Druck gekommenen Währungen der Emerging Markets – darunter Real, Lira, Rand – sich zuletzt erholen, ohne jedoch die Stände vor dem Ausbruch der Krise wieder annähernd zu erreichen. Die Erholung der Rohstoffpreise wirkt hier ebenfalls unterstützend.
Globale Konjunktur: Optimismus berechtigt?
Derzeit überhäufen sich kurzfristig aktualisierte Konjunkturprognosen. Sie haben eines gemein: das Fehlen valider Parameter über den weiteren Verlauf der Corona-bedingten Maßnahmen und folglich über das Verhalten von Konsumenten und Unternehmen. Die führende Volkswirtschaft USA kann als Beispiel im Schaubild dienen: War die Konsumlaune bis Februar praktisch durch nichts zu erschüttern und hielt sich der entsprechende Index seit mehreren Jahren auf historischem Höchstniveau, so ist diese Messgröße zuletzt doch deutlich eingebrochen. Zum einen, weil auch in den USA der klassische Konsum infolge des Lockdowns der Geschäfte in vielen Bundesstaaten und Regionen gelitten hat. Zum anderen, weil die Arbeitslosigkeit in einem noch nie gesehenen Ausmaß und in kürzester Zeit nach oben geschnellt ist, verbunden mit entsprechender Verunsicherung bei den sonst so stabilen US-Konsumenten. Die Prognosen streuen einigermaßen, die Märkte scheinen sich jedoch mit einem optimistischen Pfad einer schnellen Überwindung der Krise anzufreunden.
Geld-/Kapitalmarkt: Globale Nullzinspolitik die Lösung?
Nun ist die globale Nullzinspolitik erreicht: Die USNotenbank hat Ende April beschlossen den Leitzins in der Bandbreite von 0 bis 0,25 % zu belassen, an gar negative Zinsen – siehe EZB – wird aber nicht gedacht. Daneben sind auch die global aggregierten Staatsanleiherenditen nach jahrzehntelanger Talfahrt nahe dem Null-Niveau angelangt. Bisher noch nie dagewesene umfangreiche Fiskalpakete und geldpolitische Maßnahmen in Kombination mit der Aussicht auf eine voranschreitende Normalisierung des Wirtschaftslebens lassen die Investoren aktuell sämtliche Risikofaktoren ausblenden. „Corona“ ist ja tatsächlich keine Finanzkrise, sondern eine globale Gesundheitskrise mit extremen wirtschaftlichen Folgen. Die Liquiditätslage hingegen ist üppiger als je zuvor, zumindest in der Geldwirtschaft. Dazu kommen nun die – etwa von der EZB seit längerem, früher allerdings in wesentlich geringerem Umfang geforderten – Fiskalstimuli. Gerade das jüngst vorgestellte 750-Milliarden-Euro-Programm der Europäischen Kommission wurde vom Markt freudig aufgenommen.
Staats- und Unternehmensanleihen: Sinkende Risikoprämien
Innerhalb des Universums europäischer Staatsanleihen bevorzugen wir europäische „Peripherieanleihen” gegenüber europäischen Kernländern wie insbesondere Deutschland oder Frankreich. In Summe wird davon ausgegangen, dass die Risikoprämien am Staatsanleihenmarkt – entgegen der fundamentalen Verfassung der meisten Staaten – vorerst weiter sinken werden. Daher wird auch die Übergewichtung von US-Staatsanleihen gegenüber Euro-Staatsanleihen beibehalten, ebenso das Übergewicht von UK-Staatsanleihen. Nachdem wir Euro-Unternehmensanleihen (Investmentgrade) zuletzt bereits übergewichtet hatten, erhöhen wir dieses Übergewicht. Wir nehmen eine Position bei US-High-Yield-Anleihen ein, zumal sich die Refinanzierungsmöglichkeiten für diese Unternehmen etwas verbessert haben. Dieses Segment profitiert auch von einem wieder steigenden Ölpreis. Die Renditeaufschläge am Euro-High-Yield-Markt sind ebenfalls gesunken, hier sehen wir die unterstützenden Faktoren aber weniger ausgeprägt.
Aktien USA und Europa: US-Markt wieder führend
Die internationalen Aktienmärkte präsentierten sich in den letzten Wochen weiter beeindruckend stark. Obwohl die Gewinnentwicklung schon für das erste Quartal entsprechend negativ ausgefallen ist und nun die aktuelle und durchaus realistische Erwartung auch ein deutlich negatives zweites Quartal sieht. Der US-Aktienmarkt, gemessen am S&P 500 Index, entwickelt sich schon seit Jahren mit wenigen kurzen Unterbrechungen stärker als sein Pendant in der Eurozone (Euro Stoxx 50). Diese Entwicklung hat sich auch 2020 fortgesetzt, obwohl sich Europa seit den Tiefstständen im März anfänglich stärker erholen konnte. Dies ist einerseits auf die Branchenzusammensetzung der Indizes zurückzuführen, andererseits auf die bessere Gewinnentwicklung der amerikanischen Unternehmen. Auch wenn die europäischen Aktien derzeit billiger erscheinen, favorisieren wir vorerst aus den genannten strukturellen Gründen den US-Markt. Und wir sehen bei den aktuellen Fundamentaldaten auch kurzfristig zu viel Zuversicht eingepreist.
Emerging Markets: Vieles eingepreist!?
Unsere Sichtweise in Bezug auf die Schwellenländer hat sich zuletzt nicht geändert. In der globalen Erholung, zumindest Stabilisierung, auch bei den Rohstoffpreisen, konnten sich auch die Aktien aus den Emerging Markets zuletzt verbessern. Abseits von regionalen Besonderheiten zeigt die Branchenebene das Dilemma: Zwar sind die Bereiche Health Care und Telekom seit Jahresbeginn sogar im Plus, die zyklischen Sektoren wie Finanz, Energie/Grundstoffe und Industrie wiegen aber schwer auf der Wertentwicklung. Schwellenländer sind zumeist „zyklischer“ aufgestellt und die Dynamik der IT-Branche fehlt zumeist. Das Übergewicht an Hartwährungsanleihen, im Vormonat bereits erhöht, wurde aktuell beibehalten. Diese Anleihenklasse bleibt für uns unverändert eine der attraktiveren, zumal wir einen Großteil der durch die Krise ausgelösten fundamentalen Probleme hier bereits eingepreist sehen. Wir finanzieren das Übergewicht durch ein Untergewicht bei europäischen Staatsanleihen.
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