Nicht alles wie erwartet
Wenngleich das Resümee für den bisherigen Verlauf des Kapitalmarktjahres 2021 positiv ausfällt, ist bei weitem nicht alles nach Plan verlaufen.
Im Zuge einer deutlich anziehenden Weltkonjunktur war zu erwarten, dass nach Jahren, in denen der US-Aktienmarkt aufgrund seiner relativ hohen Gewichtung von Technologie- und Wachstumswerten outperformt hat, im heurigen Jahr europäische Aktien und vor allem Emerging-Market-Aktien eine bessere Marktperformance aufweisen werden. Dies war zu Beginn des Jahres auch tatsächlich der Fall, jedoch trübte sich in weiterer Folge die Perspektive für die Emerging Markets aufgrund der Covid-19-Situation und der damit verbundenden schwächeren Wirtschaftsdaten sowie einer Reihe belastender Nachrichten aus China sukzessive ein.
Folglich haben die Emerging Markets seit Jahresbeginn gegenüber entwickelten Aktienmärkten sehr klar underperformt. Auch die über einige Monate anhaltende Outperformance von Europa-Aktien ist zuletzt wieder ins Stocken geraten. Dies ist einerseits auf den erneuten Favoritenwechsel von zyklischen Value-Aktien in Richtung defensiver Growth-Aktien und andererseits auf die – entgegen der Konsenserwartung – wieder deutlich rückläufigen Anleiherenditen zurückzuführen. Die damit verbundene Verflachung der Zinskurven lastet auf Finanzwerten, welche in Europa relativ hoch gewichtet sind.
Die Entwicklung des Euro zum US-Dollar ist ebenfalls unerwartet verlaufen. Anders als prognostiziert notiert der US-Dollar seit Jahresbeginn gegen den Euro etwas fester und stützt damit zusätzlich die Performance von US-Assetklassen für Anleger auf Eurobasis.
Sommer-Rally auf den Rentenmärkten
Beherrschendes Thema auf den internationalen Anleihemärkten war im Juli der deutliche Renditerückgang:
Trotz neuerlicher Inflationsanstiege über Konsensus und auf Mehrjahreshochs (und trotz unverändert sehr starker Konjunkturdaten) ging das Renditeniveau in den USA und Deutschland um knapp 0,25 % nach unten. Deutsche Anleiherenditen lagen zum Monatsende mit rund –0,45 % wieder auf Niveaus wie im September 2020 (vor den Impfungen). Entsprechend positiv die Monatsperformance auf den Rentenmärkten: US-Staatsanleihen liegen seit Jahresbeginn sogar schon wieder im Plus und das Minus in Europa hat sich deutlich reduziert.
Zusammen mit stabilen Renditeaufschlägen für Unternehmensanleihen sorgte das bei Unternehmensanleihen ebenfalls für einen weiteren Performancezuwachs im Juli: In der Gesamtjahresbetrachtung seit Jänner glänzen weiterhin die High-Yield-Märkte mit dem größten Plus. Dieses Anleihesegment profitiert (ähnlich wie der Aktienmarkt) am stärksten von der Verbesserung von Wirtschaft und Unternehmensdaten.
Unauffällig dagegen seit Jahresbeginn die Anleihesegmente in den Emerging Markets (EM): Die Aufregung in den EM konzentrierte sich im Juli auf die Aktienmärkte.
Aktienmärkte: Positiver Juli trotz Crash in China
Auf den Aktienmärkten war der Juli zwar wieder mehrheitlich positiv, aber deutlich heterogener im Monatsverlauf (signifikante, aber sehr kurze Korrektur Mitte des Monats wegen Delta-Ängsten) und zwischen den Regionen: In Europa und den USA reichte es im Juli trotz zwischenzeitiger Korrektur mehrheitlich für ein respektables Monatsplus und neue Allzeithochs bei einigen Indizes, etwa dem S&P 500. Japan rutschte dagegen ins Minus und liegt jetzt sogar unter den Ständen vom Jahresanfang. Die Emerging Markets kamen dagegen im Juli massiv unter Druck: Zum einen, weil dort angesichts der regional immer noch sehr niedrigen Impfquote die schweren (Delta-)Coronafälle zunehmen. Zum anderen, weil im Juli der Aktienmarkt in China mit –15 % Monatsperformance völlig unter die Räder kam. Und zwar hausgemacht und zum Glück auf China beschränkt: Massive regulatorische Eingriffe bei zahlreichen (insbesondere Internet-) Unternehmen verschreckten dort die Anleger. Damit ist der chinesische Aktienmarkt inzwischen auch zweistellig unter den Niveaus vom Jahresbeginn. Und er zog angesichts der starken Gewichtung von China in asiatischen und EM-Benchmarks auch deren Performance stark nach unten.
Rohstoffe setzen trotz Delta auf Konjunkturerholung
Während Euro und US-Dollar stagnierten, reichten die Aktienmarktturbulenzen Mitte Juli (und die damit etwas größere Anlegervorsicht) aus, um sicheren Häfen wie Schweizer Franken und Japanischen Yen Auftrieb zu geben. Seit Jahresbeginn zählen diese Währungen aber in Summe trotzdem zu den schwächeren Wechselkurspaaren gegenüber dem Euro. Die seit Jahresbeginn sehr festen EM-Währungen legten dagegen im Juli eine Verschnaufpause ein – der Brasilianische Real musste sogar einen beträchtlichen Teil seines Vormonatsgewinns wieder hergeben. Sehr fest (zum Euro) dagegen neuerlich das Britische Pfund.
Bei vielen Rohstoffpreisen (insbesondere Öl) sorgten die Delta-Ängste im Juli zwischenzeitig – ähnlich wie auf den Aktienmärkten – für eine deutliche Korrektur; diese wurde aber auch dort rasch wieder aufgeholt. In Summe konnten Industriemetalle und Energie (sprich: Öl) ihre positive Jahresperformance im Juli weiter ausbauen. In einer Größenordnung, die sich auch gegenüber Aktienmärkten nicht verstecken muss. Edelmetalle treten dagegen weiter auf der Stelle.
Globale Konjunktur: Boom ungebrochen, vorübergehende Inflationsspitzen
Die BIP-Zahlen für das zweite Quartal bestätigten zuletzt die hohen Konjunkturerwartungen: Um annualisiert rund 6,5 % (USA) bzw. 8 % (Euroraum) expandierte die Wirtschaftsleistung in diesem Zeitraum. Womit letztere in den USA bereits wieder auf dem Vor-Corona-Niveau liegt (real, nominell ist sie bereits deutlich größer). Dank bereits hoher Impfraten scheint dieser Boom auch durch das Ansteigen von Delta-Infektionen (noch) nicht gefährdet. Dafür sprechen sowohl Konjunkturvorlaufindikatoren als auch Konsumentenvertrauen. Das starke Aufholen der Wirtschaft geht in den USA mit vorübergehend beeindruckend hohen Inflationszahlen einher: Um 5,4 % p. a. stiegen zuletzt die Verbraucherpreise (selbst ohne Energie um +4,5 %), was aber stark an pandemiebedingten Sondereffekten bei einigen wenigen Gütergruppen liegt (z. B. Gebrauchtwagen +45 %, Benzin und Diesel + 45 % p. a.). Auf Jahressicht wird zwar das Preisniveau nicht unbedingt absinken, aber der Jahresanstieg (2022 vs. 2021) dann zwangsläufig wieder rapide nachlassen – und damit per Definition auch die Inflationsrate.
Geld-/Kapitalmarkt: Notenbanken beruhigen
Vergleichsweise geradezu bescheiden: die Inflation im Euroraum mit +2,2 % p. a. (und +0,9 % p. a. ohne Energiepreise). Zwar dürfte dieser Wert auch in Europa heuer vorübergehend noch deutlich ansteigen; für 2022 erwartet die Inflationsprognose der EZB dann aber wieder einen (realistischen) Rückgang auf 1,5 %.
Gleichzeitig versuchen die Notenbanken ihr Möglichstes, um die Finanzmärkte betreffend Inflation und Zinsausblick nicht zu verschrecken: Die EZB hat kürzlich ihr Inflationsziel leicht nach oben korrigiert (auf 2 % statt knapp unter 2 %) und sich außerdem neuen Spielraum geschaffen, vorübergehend höhere Inflationsraten ohne Zinsanhebung auszusitzen. Selbst die US-Notenbank (zwangsläufig bereits deutlich näher am Beginn des Ausstiegs aus der extrem lockeren Geldpolitik) wird nicht müde, den vorübergehenden Charakter der aktuellen Inflationsspitze zu betonen. Die nächste Nagelprobe kommt für die Märkte diesbezüglich recht rasch: Bis Herbst wird von der US-Notenbank eine Ankündigung zur Reduktion ihrer Anleihekäufe (startend dann wahrscheinlich mit Anfang 2022) erwartet.
Staats- und Unternehmensanleihen: Auch für den Rest des Jahres klare Präferenzen
Die tiefenentspannte Sichtweise auf die Inflation teilen die Notenbanken derzeit auch mit den Märkten, und hier insbesondere mit den Anleihemärkten. Anders ist es nicht zu erklären, dass zeitgleich mit den hohen Inflationsraten (und starken Wirtschaftsdaten) die Anleiherenditen im Juli kräftig nach unten gingen.
Auf Sicht der nächsten Quartale bleiben wir allerdings ungebrochen negativ für die zu erwartende Performance bei Staatsanleihen aus den Industrieländern (und entsprechend untergewichtet). Solange der globale Konjunkturausblick nicht radikal nach unten dreht, gilt sogar fast zwangsläufig: Je tiefer das aktuelle Rendite-Startniveau, desto schlechter der zukünftige Performance-Ausblick.
Gleichzeitig spricht dieses Umfeld aber weiterhin für Unternehmensanleihen, und dort auch für High Yield (was sich heuer bereits bezahlt machte) – hier bleiben wir weiterhin optimistisch und stark übergewichtet.
Und auch Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern behalten wir angesichts ihres attraktiven Renditeaufschlags weiterhin übergewichtet.
Aktienmärkte: Höhere Volatilität, Trend weiterhin aufwärts
Die kleine Aktienmarktkorrektur im Juli sehen wir als Vorgeschmack auf die nächste Phase des Aktien-Bullenmarktes: weniger steil aufwärts als in den letzten 12 Monaten und ruppiger mit zwischenzeitigen Korrekturen. Das stärkste Jahreswachstum bei BIP, Vorlaufindikatoren, Unternehmensgewinnen und Aktienmärkten liegt wohl hinter uns. Allerdings ist üblicherweise auch in dieser nächsten Phase die Aktienmarktperformance auf Jahressicht immer noch klar positiv. Immerhin ist der Konjunkturaufschwung samt neuem Bullenmarkt gerade einmal etwas mehr als ein Jahr alt. Gefährlich hohe Leitzinsen, die die Konjunktur zum Kippen bringen könnten, sind noch weit weg. Gründe für zwischenzeitige kleinere Korrekturen werden sich trotzdem finden: Ob das der Herbst mit Delta ist (angesichts der hohen Impfquoten bei den Risikogruppen wohl ohne Konjunkturschaden machbar), Ankündigungen der US-Notenbank die Anleihekäufe 2022 zu reduzieren (Begleiterscheinung der boomenden Konjunktur), steigende Anleiherenditen (detto) oder etwas ganz Neues. Angesichts auch in den nächsten 12 Monaten wohl zweistellig steigender Unternehmensgewinne bleiben wir aber stark übergewichtet in Aktienmärkten (vs. Staatsanleihen) mit einer Übergewichtung von Europa (und Japan) gegenüber den USA.
Emerging Markets: Einbruch in China als Chance
Obwohl die meisten Emerging Markets (EM) im globalen Impfrennen weiterhin deutlich abgeschlagen sind, was angesichts der neuen Delta-Variante auch wirtschaftlich ein Nachteil ist, haben sich die Unternehmensgewinne heuer auch dort stark gesteigert. Bewertungsseitig hat sich damit vor allem die EMRegion Asien zuletzt massiv verbessert: Auch dort gehen die Unternehmensgewinne heuer steil nach oben und liegen bereits weit über dem Niveau vom Jahresbeginn bzw. von vor Corona. Gleichzeitig notieren die Börsenkurse aufgrund des jüngsten Kurseinbruchs in China inzwischen mehr als 10 % unter dem Jahresstartwert. Wir halten den Abverkauf in China für übertrieben und konzentrieren entsprechend unsere neue Übergewichtung in EM auf China. Auch bei Türkei und Brasilien sind wir kurzfristig übergewichtet – zu Lasten von Indien und den übrigen EM, was in Summe eine neutrale EMGewichtung innerhalb der globalen Aktienmärkte ergibt. Wie in der letzten Ausgabe befürchtet, gaben einige EMWährungen (insbesondere der Brasilianische Real) im Juli einen Teil ihrer jüngsten Kursperformance wieder her. Das von uns zuletzt bevorzugte Segment der EM-Hartwährungsanleihen hielt sich damit im Juli deutlich stabiler als die entsprechenden EM-Lokalwährungsanleihen und wird von uns weiterhin übergewichtet.
Unter der Strategischen Asset Allocation verstehen wir die langfristige Beurteilung der verschiedenen Anlageklassen.
Aktien
Zuletzt haben wir die Aktienquote (von ca. 26 % auf ca. 24 %) abgesenkt und sind damit was Aktien betrifft, vorsichtiger positioniert.
In den USA halten wir seit Dezember nur noch eine Position in Value-Aktien. Abgesehen davon bevorzugen wir günstig bewertete, "zyklischere" Märkte wie jene in Europa, Japan und den Schwellenländern.
Staatsanleihen
Die Renditen der europäischen Staats-anleihemärkte befinden sich auf extrem niedrigen Niveaus. Auf Sicht der nächsten 5 Jahre erwarten wir hier niedrige (bzw. zum Teil negative) Erträge. Wir halten noch Positionen in Non-EUR Staatsanleihen und haben den Rendite-anstieg (z. B.: bei australischen 10jährigen Anleihen auf ca. 2 %) im Q1 genutzt um vorsichtig zuzukaufen.
Unternehmens- & EM-Anleihen
Die Risikoaufschläge bei Unternehmensanleihen sind zuletzt weiter gesunken. Nun befinden sich auch die Risiko-aufschläge bei EUR non-financial IG-Anleihen und bei USD-Anleihen aus den Schwellenländern nahe dem teuersten Quartil seit 1998. Wir nehmen dies zum Anlass in diesen Märkten Gewinne mitzunehmen. Trotzdem halten wir weiterhin Unternehmensanleihen im Investment Grade und EM-Währungen sowie EM-Hartwährungsanleihen.
Reale Assets
Wir haben die starke Performance bei inflationssensitiven Assets (durations-gehedgte Inflations-schutzanleihen, zyklische Rohstoffe, inflationssensitive Aktien und Währungen) im ersten Halbjahr genutzt um die Position zu verringern.
Trotzdem sehen wir diesen Bereich als langfristig attraktiv an und haben hier (ge)wichtige Positionen.
Die Taktische Asset Allocation steuert ausgewählte marktorientierte Portfolios der Raiffeisen KAG auf kurze bis mittlere Sicht. Die Positionierungen des Fondsmanagements können sich von anderen Kapitalmarktanalysen (z. B. Raiffeisen RESEARCH GmbH) unterscheiden.
- Wirtschaft: Globale Produktion boomt – durch Delta-Variante bisher kein Dämpfer, Vorlaufindikatoren weiterhin sehr bullish
- Unternehmen: Unternehmensgewinne auch für Q2 weit über Konsensus; Entsprechend rosiger Ausblick für Unternehmensgewinne im Gesamtjahr 2021; für 2022 immer noch knapp zweistellige Zuwächse erwartet
- Sentiment: Stimmungsindikatoren positiv, aber nicht überzogen
- Markttechnik: Kleinere Aktienmarkt-Korrektur erfreulich rasch als Kaufgelegenheit wahrgenommen; Marktvolatilität wieder auf ähnlich niedrigem Niveau wie in den Jahren vor Corona
- Spezialthemen: Starker Inflationsanstieg derzeit allgemein als vorübergehend eingestuft (sowohl von Notenbanken als auch von Märkten); Rasante Fortschritte bei Impfquote, Delta-Variante als Restrisiko; EZB bekräftigt lockere Geldpolitik; US-Notenbank dürfte dagegen bis Herbst erste Reduktion der Anleihenkäufe ankündigen (mit Umsetzung ab Anfang 2022) – nächster Test für die Märkte?
- Positionierung: Starke Übergewichtung von Aktien gegenüber Staatsanleihen bleibt aufrecht; Rohstoffe bleiben übergewichtet gegenüber Geldmarkt
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