Plötzlich stark: Deutscher und chinesischer Aktienmarkt

Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 27.01.2023

Seit Jahresanfang und vor allem seit den Tiefständen im September 2022 bzw. Oktober 2022 glänzen deutsche und chinesische Aktien mit relativer Stärke. Für den Dax bedeutet das eine Perfomance von knapp über 30% in den letzten 3,5 Monaten (20% für den breiten chinesischen Markt).

Vor allem die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen geben zu denken. So sind die wichtigsten ökonomischen Frühindikatoren im gleichen Zeitraum nochmals gefallen und fast alle Vorhersagen für das Wachstum im Jahr 2023 fielen und fallen immer noch sehr skeptisch aus. Eine Rezession in den wichtigsten Industrieländern war in den zum Jahresende von den wichtigsten Instituten veröffentlichten Prognosen Konsensus. Fast scheint es so, als wäre diese starke Skepsis unter den Volkswirten die Grundvoraussetzung für den Aufschwung am Markt gewesen. Und kein Wunder: Deutschland galt mit der starken Abhängigkeit von Gas als Hauptbetroffener der negativen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. China dagegen hatte sich mit der Null-Toleranz Politik in der Covid Krise und dem damit einher gehenden Stillstand in vielen Bereichen der Wirtschaft auf unberechenbares Terrain begeben. In diesem Umfeld gab es für Ökonomen keine Perspektiven, zumal die durch Lieferkettenprobleme und Energiepreise getriebene davon galoppierende Inflationsrate als Hauptproblem gesehen wurde. Daher ist die gute Performance zunächst eine Funktion stark positiver Überraschungen (wie immer). In erster Linie sind da für die Eurozone die stark rückläufigen Energiepreise insbesondere für Gas zu nennen. Internationale Investoren hatten deutsche Unternehmen schnell als Verlierer des Ukraine Krieges ausgemacht und deutsche Aktien auf im Herbst 2022 sehr attraktive Bewertungsniveaus herunter -gehandelt. Analog China mit dem unheimlich wirkenden kompletten Stillstand in allen Bereichen des täglichen Lebens und der Industrie in den wichtigsten Wirtschaftsregionen.

Damit kommen für den Jahresauftakt zwei wichtige Überraschungen zusammen: Deutschland hat unter Führung des Wirtschaftsministeriums die Gaskrise, auch geholfen von guten Wetterbedingungen, sehr gut überstanden. China dagegen überrascht mit Blick auf das gerade begangene Neujahrfest mit einer schnellen und umfassenden Öffnung und Liberalisierung in der Covid-Politik.

Insofern gilt ab jetzt der Realitätstest: Kann daraus etwas Nachhaltiges entstehen? Oder dämpfen die Zentralbanken der wichtigsten Industrieländer wegen der hohen Sorge um die Inflation die Entwicklung derart, dass die Erleichterung schnell wieder der Ernüchterung durch höhere Zinsen weicht? Jede Rede oder Interview Äußerung von Mitgliedern des Zentralbankrates wird mit Argusaugen verfolgt, jedes Wort auf die Waagschale gelegt, jede Veröffentlichung zur Inflation diesseits und jenseits des Atlantiks auf negative Komponenten überprüft.

In diesem Umfeld ist es daher ein Hoffnungsschimmer, dass die jüngste Umfrage von Bank of America unter institutionellen Investoren zur Wahrscheinlichkeit einer Rezession in diesem Jahr Erleichterungstendenzen zeigt. Die Im Herbst auf historischem Höchststand ermittelte Skepsis hat sich leicht abgebaut, der Trend zu immer negativerer Einschätzung scheint gebrochen.

Die Woche voraus

Passend zur globalen Entwicklung erwarten wir für die kommende Woche die erste Runde der Zentralbank-Entscheidungen in diesem Jahr in den USA, der Eurozone und Großbritannien.

Nach doch eher restriktiven Entscheidungen und den Pressekonferenzen im Dezember erwarten wir eine Bestätigung der eingeschlagenen Wege, eine vorzeitige Beendigung des restriktiven Kurses dürfte zu viele Gefahren bergen.

Neue Informationen zur Inflationsentwicklung gibt es für die Eurozone und die wichtigsten Kernländer. Hier zeichnet sich eher eine weitere Entspannungstendenz ab. Die Erleichterung bei den Energiepreisen sorgt für deutliche niedrigerer Vorjahresvergleiche in den Konsumentenpreisen. Dies reicht jedoch noch nicht für eine Kursänderung bei der EZB aus.

Deshalb auch wichtig in der kommenden Woche der Blick auf die Arbeitslosenrate in der Eurozone und Deutschland, wo eher noch robuste Zahlen erwartet werden, genau wie in den USA wo der starke Arbeitsmarkt den Konsum stützt, gleichzeitig aber der Fed mit ihrem dualen Ziel weiter einen schärferen Kurs erlaubt.

Stimmungsindikatoren für die Eurozone und Einkaufsmanagerindizes für die USA und China für Januar runden das Bild ab. Daneben gibt es weitere Schätzungen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Eurozone im 4. Quartal 2022. Eine spannende Woche also voraus. Sollten sich bessere Stimmungsindikatoren könnte das die Stärke der Märkte noch anhalten.

Eine starke Woche wünscht Ihnen

Thomas Tilse
Director
Head of Portfolio Strategy Private Clients

 

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