Flossbach von Storch Marktkommentar von Q3/2024
- Am 26. September zeigte der Führer der Kommunistischen Partei Chinas, Xi Jinping, wie er Aktienkurse nach oben bewegen kann.
- Doch aus unserer Sicht gibt es einige Gründe, um skeptisch zu bleiben.
Einige Tage, bevor der chinesische Aktienmarkt nach oben drehte, hatte die chinesische Zentralbank eine kräftige geldpolitische Unterstützung in Form sinkender Kreditzinsen und niedriger Mindestreservesätze für Banken angekündigt. Dann rief das 24-köpfige Politbüro von Präsident Xi Jinping Ende September dazu auf, diese „energisch“ umzusetzen. Vor allem gelte es, Maßnahmen zu ergreifen, um den Niedergang des für China so bedeutenden Immobilienmarktes zu stoppen.
Die Verlautbarung des Politbüros war im Gegensatz zu den üblichen vagen Erklärungen ungewöhnlich deutlich: „Anstrengungen sollen unternommen werden, um den Immobilienmarkt zu stabilisieren und seinen Rückgang zu stoppen“. Dieser Satz wurde auch ohne weitere Präzisierung als unmissverständliches Signal an die Märkte verstanden, dass die chinesische Zentralregierung den Rückgang der Immobilienpreise und die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf den Konsum und die Wirtschaft stoppen werde.
Damit hat der Pekinger Machtapparat zum ersten Mal seit Beginn der Immobilienkrise explizit eine Erholung des Immobilienmarkts als Ziel formuliert, um den Abschwung in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aufzuhalten. Die Sitzung des Politbüros endete mit dem Versprechen, sich um die Erreichung der jährlichen Wirtschaftsziele des Landes zu bemühen. Und so entfachte diese Botschaft an der seit langem dahinsiechenden chinesischen Börse ein Kursfeuerwerk, das sich aber wohl, wie so oft, als Strohfeuer erweisen dürfte.
Für Aktieninvestoren war China in den vergangenen 20 Jahren ein trauriges Beispiel dafür, dass Wirtschaftswachstum sich nicht 1:1 in der Börsenentwicklung niederschlägt, wenn wichtige Rahmenbedingungen, nicht stimmen. Die chinesische Wirtschaft ist mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 18 Billionen US-Dollar heute rund viermal so groß wie die deutsche und erreicht fast zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung. Viele Jahre galt China als die Wachstumslokomotive der Weltwirtschaft. Doch die Wachstumsstory hat Risse bekommen.
Die strukturellen Probleme der chinesischen Wirtschaft wären selbst mit einem Ende des Preisverfalls am Immobilienmarkt nicht gelöst. Die mangelhafte soziale Absicherung im Alter führt zu einer hohen Sparquote, die nun verstärkt in die Tilgung von Immobilienkrediten fließt. Der private Konsum beträgt nur etwa 40 Prozent des BIP. In den USA sind es fast 70 Prozent und in der Eurozone 53 Prozent. Hinzu kommt eine relativ hohe Jugendarbeitslosigkeit von zuletzt 18,8 Prozent und eine zunehmende Desillusionierung vieler Hochschulabsolventen, die nur schwer einen Job finden.
Die schlechte Stimmung spiegelt sich auch im Vertrauen der Konsumenten wider, das sich seit der Covid-Krise noch nicht erholt hat. Hinzu kommt, dass ein Großteil des chinesischen Wachstums schuldenfinanziert ist. Die Gesamtverschuldung Chinas (Summe aus Privathaushalten, Unternehmen und Staat) liegt inzwischen bei rund 290 Prozent des Bruttoinlandprodukts und hat damit sogar die USA und die Eurozone überholt.
Viele staatliche Investitionen sind in unrentable Projekte geflossen. Da auch der Konsum die Wachstumslücke nicht nachhaltig schließen kann, bleiben theoretisch nur noch die Exporte, die aufgrund der inzwischen erreichten Größe aber immer weniger ins Gewicht fallen. Der Anteil der Exporte an der chinesischen Wirtschaftsleistung lag im vergangenen Jahr nur noch bei 19 Prozent nach mehr als 30 Prozent in den Jahren vor der Finanzkrise. Angesichts drohender Zölle und Restriktionen wichtiger Handelspartner wie den USA oder der Eurozone dürfte es China schwerfallen, die Wachstumsschwäche durch Exportsteigerungen zu kompensieren.
Auch der wichtige Bausektor, der während des Immobilienbooms bis zu 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachte (inklusive baubezogener Dienstleistungen), wird wohl nicht mehr zur alten Stärke zurückfinden, weil die Maßnahmen der Regierung auch eine Einschränkung von Neubauprojekten vorsehen, um das Überangebot an Wohnungen zu verringern. Geringere Bauaktivitäten bedeuten aber auch weniger Wirtschaftsleistung.
Ohnehin ist der bislang kommunizierte Maßnahmenkatalog nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die 150 Milliarden Yuan, die den Immobilienbesitzern jährlich über niedriger verzinste Hypothekenkredite zugutekommen sollen, machen gerade einmal gut 100 Yuan oder rund 14 Euro pro Kopf der Bevölkerung aus. Auch die Maßnahmen zur Belebung des seit Jahren dahinsiechenden Aktienmarktes helfen wenig, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmendaten und die unternehmerische Freiheit nicht nachhaltig bessern. Als langfristige Herausforderung kommt noch der Bevölkerungsrückgang hinzu.
Die langfristige Wachstumsschwäche Chinas und der Preisdruck chinesischer Exporteure dämpfen sowohl das Wachstum der Weltwirtschaft als auch die Inflation (sofern Strafzölle diesen Effekt nicht kompensieren). Dies könnte der US-Notenbank weiteren Spielraum für Zinssenkungen eröffnen.
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