LFDE Marktkommentar vom 12.10.2022
Die Bank of England schritt in ihrer Not ein, um den Höhenflug der Zinssätze nach den Ankündigungen der Regierung zu begrenzen. Die australische Notenbank hob ihre Zinsen weniger stark an als erwartet und die US-Wirtschaftsdaten blieben hinter den Erwartungen zurück und zeigten einen starken Rückgang der offenen Stellen im August. Das war die Gemengelage, die Anfang vergangener Woche einen äußerst kräftigen Anstieg der Aktienmärkte auslöste. Diese hatten zuvor allerdings ein extrem pessimistisches Niveau erreicht und waren daher reif für eine solche technische Erholung. Doch all diese Nachrichten weckten vor allem eine Hoffnung, an die sich die Anleger gern klammern, nämlich dass die Politik der Zentralbanken eine Wende vollzieht und das Ende der geldpolitischen Straffung unmittelbar bevorsteht. Schnell kam an den Märkten mit Blick auf das erste Halbjahr 2023 erneut die Hoffnung auf eine Zinssenkung auf.
Anleger wollen Ende der wirtschaftlichen Unterstützung nicht wahrhaben
Wieder einmal war diese Hoffnung übertrieben und wieder einmal wurde sie schnell zunichte gemacht. Ursache waren die makroökonomischen Daten, die vor allem die weiterhin sehr gute Entwicklung des US-Arbeitsmarkts im September belegten. Doch auch die Reden der Zentralbanker spielten eine entscheidende Rolle, allen voran der amerikanischen, die erneut von einer sehr offensiven Haltung geprägt waren. Loretta Mester und Mary Daly, die Gouverneurinnen der Fed von Cleveland bzw. von San Francisco, wiesen darauf hin, dass sie keine Senkung der Leitzinsen im Jahr 2023 erwarten. Das war zwar nichts wirklich Neues, aber es reichte aus, um dem Aufschwung der Märkte ein Ende zu bereiten. Denn dieser Aufschwung beruhte auf der Unfähigkeit der Anleger, sich einzugestehen, dass die Zentralbanken nicht mehr die unerschütterliche Stütze sind, die sie in den letzten Jahren waren.
Natürlich gibt es kurzfristige Befürchtungen, denn solange die Zentralbanken bei der geldpolitischen Straffung weiter Gas geben, können die Aussichten auf den Märkten für Risikoanlagen wohl kaum optimistisch sein. Das gilt umso weniger, desto mehr sich das Risiko abzeichnet, dass die Geldpolitik eine ausgeprägte Rezession bewirken könnte. All das zeugt vor allem von einem Paradigmenwechsel, den die Anleger noch nicht so recht wahrhaben wollen.
Dazu muss man sagen, dass die großzügig bereitgestellte Liquidität und sehr niedrigen Zinsen seit über zehn Jahren – von der Unterbrechung 2017/2018 abgesehen – die Inflation von Vermögenswerten bewirkt haben. Dies hat einen Anstieg der Aktienmärkte ermöglicht, der stark von der Ausweitung der Bewertungskennzahlen angetrieben wurde, die weit über dem Gewinnwachstum lag. Zwischen 2010 und 2021 hat sich beispielsweise das Kurs-Gewinn-Verhältnis des amerikanischen Leitindex S&P 500 verdoppelt. Vor dem Hintergrund deutlich höherer Nominalzinsen, positiver Realzinsen und einer allmählichen Verringerung der Geldmenge wird sich dieses Phänomen in Zukunft wohl kaum wiederholen können.
Entwicklungen sorgen auch für gesünderes Anlageumfeld mit neuen Chancen
Doch ist diese Veränderung des Umfelds, wenn man von der kurzfristig schmerzhaften Lage, die sich in den kommenden Monaten noch verschlimmern könnte, einmal absieht, wirklich negativ? Für fundamental orientierte Anleger nicht wirklich. Die Entwicklung der Märkte in Abhängigkeit von der Konjunktur und der Dynamik der Unternehmen anstatt unter dem Einfluss geldpolitischer Subventionen sorgt für ein wesentlich gesünderes Anlageumfeld. Dies wird zudem übertriebene Bewertungen eindämmen, die übermäßige Ausschläge nach oben wie nach unten begünstigen, und so manche Enttäuschung verhindern. Letztendlich verleiht diese Entwicklung Anleihen wieder eine neue Attraktivität und damit auch der Diversifizierung von Portfolios mit moderatem Risikoniveau, die lange Zeit dadurch beeinträchtigt wurden, dass Aktien die einzigen Renditetreiber waren. Auch wenn das Heilmittel kurzfristig einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt, ist es wahrscheinlich den Einsatz wert.
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