Loys Capital Kolumne vom 30.07.2019

Wallstreet als Vorbild

Das Argument für die deutsche Energiewende und für die heutige Klimapolitik lau­tet, Deutschland müsse als wohlhabende Nation mit gutem Beispiel vorangehen, um andere von der Sinnhaftigkeit des deutschen Weges durch Taten zu überzeugen. Wenn man bedenkt, dass Lernen üblicherweise Imitation bedeutet, dann kann man der Logik einiges abgewinnen.

Daher ist zu hoffen, dass ers­tens der deutsche Weg erfolg­reich verläuft und zweitens an­dere Länder diesem Erfolgs­modell dann nacheifern. Was aber den bisherigen Erfolg an­ geht, so wird die aktuelle Ener­gie- und Klimapolitik von Ken­nern eher als Misserfolg einge­stuft, weil die selbst gesetzten Ziele nicht erreicht wurden, der Subventionsaufwand gi­gantisch ist, die Energiepreise stark angestiegen sind und der weltweite Klimaeffekt sich auf nahezu Null beläuft. Darob hat­te das Wall Street Journal be­kanntlich getitelt, Deutschland habe die dümmste Energiepo­litik der Welt. Vielleicht muss man aber dem Ganzen noch mehr Zeit einräumen, damit sie ihre vorteilhafte Wirkung entfaltet.

Beim zweiten Kriterium, der Orientierung an einem Vorbild, hapert es bislang ebenfalls. Denn hier sollte Deutschland wiederum selbst Vorreiter sein und zeigen, wie man sich an anderen vorbildlichen Ländern orientiert. So könnte die Bun­desrepublik hingehen, und mit der oben genannten Logik - unabhängig von der Klimafrage - eine Politik einschlagen, die etwa die amerikanische Wahl­standspolitik nachzeichnet. Ich spreche hier von der Wahl­standsmaschine Wall Street, die im Laufe der Jahrzehnte enorme Vermögens-
mehrun­gen ermöglicht hat.

Dazu müsste die Politik einen kapitalmarktfreundlichen Kurs einschlagen und vor allem müsste sie an einem gedei­henden Aktienmarkt Interesse zeigen. Der Grund, warum das Durchschnitts- und Medianver­mögen der Amerikaner so un­erreichbar weit oberhalb des vergleichbaren Vermögens deutscher Bürger liegt, besteht in der viel höheren <
Ei­gentumsbeteiligung an der Wirtschaft. Nahezu alle großen börsennotierten Unternehmen der westlichen Welt werden überwiegend von Amerikanern besessen. Für
amerikanische Gesellschaften gilt das selbst­ redend: Amazon (zu 65% in amerik. Besitz) und Microsoft (zu 80% in amerik. Besitz) sind zusammen inzwischen mehr wert als alle börsennotierten deutschen Aktien zusammen. Das sollte uns zu denken ge ben; aber auch bei den meis­ten DAX-Konzernen stellen amerikanische Investoren die größte Eigentümergruppe.

Weil aber in den Unternehmen der Welt die Wertschöpfung und Wohlstandsmehrung statt­ findet, wäre es klug, wenn sich deutsche Bürger diesbe­züglich stärker am
amerikani­ schen Denken ausrichteten. Wenn wir Deutschen erwar ten, dass sich andere Länder an unserer eher erfolglosen Energie- und Klimapolitik orien­tieren, dann steht es uns doch gut zu Gesicht, unsereins  Vor­bilder auf Jenen Gebieten nachzuahmen, wo andere Län­der wesentlich bessere Resul­tate erwirtschaften.

Es wird nicht reichen, mit Besserwisserei die Welt von einer an sich gescheiterten Politik zu überzeugen, wenn  Deutschland nicht selber willens ist, sich auf Feldern, auf   
denen man ganz schwach  dasteht, fortzubewegen und erfolgreiche Länder zur Wegweisung zu nutzen.


Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns


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