Loys Capital Kolumne vom 27.08.2019

Shareholder Value
ln einer aufsehenerregenden Meldung verkündete der amerikanische Business Roundtable, eine Vereinigung von Vorstandsvorsitzenden großer US-Betriebe in der letzten Woche eine Abkehr vom 'Shareholder Value' als alleiniger Unterneh menszielsetzung.

Es ist verständlich, dass die Lobby-Gruppe für die Vorstandsvorsitzenden von Großunternehmen einen solchen Vorstoß unternimmt, denn der Ausdruck 'Shareholder Value' ist in­zwischen zum ideologi­schen Kampfbegriff ver­kommen.

Inhaltlich war die Bot­schaft aber gänzlich ver­fehlt, denn die Herren Vor­standsvorsitzenden unter­liegen einigen Konfusio­nen. Zunächst ist festzu­halten, dass die Ziele für Unternehmen nicht von den Vorstandsvorsitzen­den, sondern von den Ei­gentümern definiert und vorgegeben werden. Un­ternehmensvorstände sind Angestellte des Unterneh­mens, wenngleich sie sich mitunter in der Öffentlich­keit als Unternehmer ge­rieren und die Medien das auch noch durchgehen las­sen.

Besser hätte der Business Roundtable daran getan, die Missachtung der In­teressen einer investierenden Öffentlichkeit durch sein eigenen Mitglieder zu benennen und dort für einen Richtungswechsel zu sorgen. Denn das Hauptproblem börsennotierter großer amerikani­scher Unternehmen besteht keineswegs in der Verfolgung rationaler Kapitalallokation sondern viel­ mehr in der Überbezahlung und Selbstbedienung man­cher Vorstände. Mit dem Namen  'Managerialismus' ist das Thema angemessen bezeichnet.  Besonders über das in den USA weit verbreitete Instrument der Aktienoptionen für Top­ Manager kommt es häufig zu enormen Vermö­genstransfers von den Ak­tionären zu den leitenden Angestellten. Das Überbe­zahlungsphänomen wird allein schon dadurch be­legt, dass es in den  Verei­nigten Staaten möglich ist, als Angestellter Milliardär zu werden.  Dies ist etwa bei den CEOs der großen US-Banken der Fall und der Beobachter kann darüber nur staunen, wenn er bedenkt, dass die in Rede stehenden Institute vor zehn Jahren allesamt vom Steuerzahler gerettet wer­den mussten.

Zur Nachhilfe in Sachen Unternehmensziele rücke ich ein Zitat von Max We­ber, dem bekannten Sozio­logen, aus dessen vor mehr als 100 Jahren er­schienenen Werk 'Die pro­testantische Ethik und der Geist des Kapitalismus' ein : "Und so steht es nun auch mit der schicksalsvollsten Macht unseres modernen Lebens: dem Kapitalismus.

"Erwerbsbetrieb", "Streben nach Gewinn", nach Geldgewinn, nach möglichst hohem Geldgewinn, hat an sich mit Kapitalismus gar nichts zu schaffen. Dies Streben fand und findet sich bei Kellnern, Ärzten, Kutschern, Künstlern, Kokotten, bestechlichen Beamten, Soldaten, Räubern, Kreuzfahrern, Spielhöllen­ besuchern, Bettlern. Man kann sagen:  "at all sorts and conditions of men ", zu allen Epochen aller Länder der Erde, wo die objektive Möglichkeit dafür irgend­wie gegeben war und ist. Es gehört in die kulturgeschichtliehe Kinderstube, dass man diese naive  Be­griffsbestimmung ein für alle Mal aufgibt. Schran­kenlose Erwerbsgier ist nicht im mindesten gleich Kapitalismus, noch weni­ger gleich dessen "Geist". Kapitalismus kann gerade­ zu identisch sein mit Bändigung, mindestens mit ra­tionaler Temperierung dieses irrationalen Triebes. Allerdings ist Kapitalismus identisch mit dem Streben nach Gewinn im kontinuierlichen, rationalen kapitalistischen Betrieb, nach immer erneutem Gewinn, nach "Rentabilität". Denn er muss es sein. Innerhalb einer kapitalistischen Ord­nung der gesamten Wirt­schaft würde ein kapitali­stischer Einzelbetrieb, der sich nicht an der Chance der Erzielung von Rentabilität orientiert, zum Unter­gang verurteilt sein."

Aus  Chicago
Ihr
Dr.  Christoph Bruns


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