Loys Capital Kolumne vom 26.02.2019

Warren Buffetts Abschied vom Buchwert

Über Jahrzehnte spielte der Buchwert bei Berkshire Hathaway eine zentrale Rolle. Mit seinem Jahresbericht  zum Geschäftsjahr  2018 verabschiedet sich Warren Buffett vom Buchwert seiner Anlagen als zentrale Berichtsgröße. Zur Begründung gibt das Orakel von Omaha an, der Buchwert spiegele den wah­ren wirtschaftlichen  Wert seiner vielen nichtbörsennotierten Unternehmen nicht annähernd richtig wider. Vielmehr läge der wirkliche Wert dieser Beteili­gungen weit höher als es der Buchwert kennzeichne.
Die Investmentikone aus der amerikanischen Provinz liegt  mit dieser  Veränderung  völlig richtig. Der  Buchwert ist lediglich eine buchhalterische Größe und unter­ zeichnet  bei profitablen und zu­ gleich verschuldeten Gesellschaf­ten in aller Regel den Wert von Unternehmen.   Wenn   ein  Unter­nehmen zu seinem Buchwert handelt, dann  ist  dies  eher ein Zeichen dafür,  dass es sich um ein wenig gewertschätztes Unter­nehmen handelt. Bei börsenno­tierten  amerikanischen  Industrie-, Konsum-,  und  Technologieunter­ nehmen wird man Kurs­ Buchwertverhältnisse unter 2 eher selten  finden. Die  großen Beteiligungen von Berkshire Hathaway wie z.B. Coca  Cola, Apple, Oracle (inzwischen ver­kauft)  werden aktuell  zum elf-, sieben-  bzw.  sechsfachen ihres Buchwertes (Quelle  Bloomberg) an der Börse gehandelt. Diese Kennzahlen  vergleichen sich mit einem  Wert  von 3,3 für den S&P 500 Index, der allerdings etliche Finanzwerte aufweist. Verglichen damit weist der DAX Index übri­gens nur ein geringes aktuelles Kurs-Buchwertverhältnis in Höhe von ca. 1,5 auf.

Noch wesentlich günstiger sieht es - sofern man sich am  Kurs- Buchwertverhältnis orientiert  - in Japan aus, wo der gesamte Topix Index im Aggregat zum Jahres­wechsel  nahezu an seinem  Buchwert notierte. Freilich markierte diese niedrige Bewertung einen historischen Niedrigwasserstand. Der Grund für diese geringen Be­wertungen  liegt in den hohen Ei­genkapitalquoten japanischer Un­ternehmen. Im Gegensatz zu amerikanischen Aktiengesell­schaften sind japanische Firmen überkapitalisiert  Man könnte auch sagen, dass Amerikas Un­ternehmen  eine wesentlich klü­gere Kapitalallokation betreiben als die meisten Unternehmen  im Rest der Welt, indem sie auch ihre Bilanzen als Optimierungs­problem begreifen und die jahrelangen Niedrigzinsen zur Substitu­tion von Eigenkapital durch güns­tiges und zudem steuerprivilegier­tes Fremdkapital nutzen.

Warren Buffett ist bekanntlich Meister auf dem Gebiet der Kapitalallokation. Daher verwundert es auch nicht, dass der Achtun­dachtzigjährige in seinem jüngs­ten Jahresbericht  ankündigte, den Rückkauf eigener Aktien bei Ber­kshire Hathaway in Ermangelung geeigneter Übernahmekandidaten zu forcieren. Er rechnet vor, dass beim Kauf der nach
seinem Da­fürhalten unterbewerteten Ber­kshire Aktie sogleich Mehrwert für die Aktionäre geschaffen wird. ln der Tat ist der Rückkauf unter­ bewerteter eigener Aktien nicht selten das Klügste, was ein Un­ternehmen ohne Bilanzprobleme tun kann, um zusätzlichen Wert für die Eigentümer zu schaffen.

Wie man sieht hat das hohe Alter des Mannes aus Nebraska seiner Fähigkeit umzudenken keinen Ab­bruch getan. Es ist äußerst  bewundernswert, dass dieser Vor­zeigeinvestor und Philanthrop nicht aufhört, seine Geisteshal­tung  dort, wo es sinnvoll ist, an die gegenwärtigen Verhältnisse anzupassen.

Wünschenswert wäre überdies, dass sich Unternehmen weltweit und vor allem in Europa und Asi­en an Buffett ein Beispiel neh­men und anfangen, ihre vielfach ineffizienten  Bilanzen zu optimie­ren. Vor allem Japan besitzt auf diesem Gebiet enormen Verbes­serungsbedarf. Aber auch in Euro­pa und vor allem Deutschland ru­hen sich Vorstände viel zu oft auf hohen Liquiditätspolstern aus. Angesichts der noch lange andau­ernden Niedrigzinsphase stellt dies im Kern eine  gewaltige  Ver­mögensverschwendung zu Lasten der Aktionäre dar. Darin liegt wohl auch der Hauptgrund dafür, dass deutsche, europäische und japanische Aktiengesellschaften mitunter nur zu einem Bruchteil der Bewertungen vergleichbarer amerikanischer Dividendentitel gehandelt werden.

Auf jeden Fall unterstreicht der jüngste Geschäftsbericht von Ber­kshire Hathaway eine alte Er­kenntnis:
Von Warren Buffetts Prinzipien lernen, heißt siegen lernen.

Aus Chicago,
Ihr
Dr. Christopher Bruns


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