Korrektur am Ölmarkt
Auf dem Markt für Erdöl und andere Rohstoffe ist es zuletzt zu einer Korrektur gekommen. Nachdem die Preise für das schwarze Gold seit Jahresanfang bis Ende Juli um fast 45% auf 75$ für ein Fass der Nordseesorte Brent gestiegen waren, gab es im August einen deutlichen Rücksetzer auf ca. 65$.
Wer nach Begründungen für diesen Preisrückgang sucht, wird beim Thema Konjunktursorgen und Delta-Variante des Coronavirus fündig. Das Wiederaufflackern der Seuche in China nährt Befürchtungen vor einem schwächeren Wachstum der Weltwirtschaft. Lieferkettenprobleme und akuter Mangel an Computerchips sorgen für ein Übriges.
Allgemein befindet sich die Ölindustrie in einem Umbruch. Die meisten Verantwortlichen haben realisiert, dass das Ölzeitalter in den kommenden Jahrzehnten zu Ende gehen wird. Aus diesem Grund leiten viele Unternehmen der Branche ihre Investitionsströme um. Betont wird heutzutage das Wort Energie. Der französische Konzern Total hat sich entsprechend in Total Energies umbenannt, um dem zunehmenden Fokus auf Energieerzeugung aller möglichen Quellen Rechnung zu tragen.
Der Energiehunger der Welt ist derweil ungebremst. In der Stromerzeugung sind wesentlich höhere Kapazitäten von Nöten, um der rasch wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Es sind keineswegs nur Fahrzeuge mit Elektromotoren, die einen höheren Bedarf nach Elektrizität auslösen. Auch das Internet und die Kryptobranche sind inzwischen zu nennenswerten Verbrauchern herangereift. Unter den Primärenergieträgern wird dem Erdgas eine zunehmend bedeutendere Rolle als grundlastfähigem Übergangsenergieträger zugeschrieben. Nach jahrelanger Baisse konnten sich die Erdgaspreise in den letzten achtzehn Monaten stark erholen. Mit knapp 4$ pro Kubikfuß liegt der Kurs in den USA aber noch weit entfernt von alten Höchstständen. Bei der Versorgung mit Erdgas konnte man in den letzten Jahren einen Kampf um Marktanteile vor allem in Europa beobachten. Liebend gern würden amerikanische Produzenten ein größeres Stück vom europäischen Gasmarkt mit ihren Flüssiggasen besetzen. Dadurch erklärt sich auch die starke Opposition gegenüber der nun weitgehend fertiggestellten Nordstream 2-Rohrleitung. Da hier aber inzwischen zulasten des deutschen Verbrauchers eine teure Lösung gefunden wurde, ist das Thema vorläufig aus den Schlagzeilen verschwunden.
Für die deutschen Verbraucher von Erdgas und Strom ist die Gemengelage ungünstig. Die Kombination von kräftig gestiegenen Erdgaspreisen, neuen Energiesteuern und zuletzt einem anziehenden Erdgasanteil an der Stromerzeugung (angesichts geringer Windausbeute) treiben die Inflation nach oben. Eine Linderung ist nicht in Sicht.
Immerhin darf man sich von den deutlich gestiegenen Preisen eine gewisse Lenkungswirkung erhoffen, sofern Substitutionsmöglichkeiten bestehen. In einigen Ländern könnte die Kohleverstromung Marktanteile zurückgewinnen. Für Deutschland wird das aber nicht gelten, denn neben dem Atom- ist auch der Kohleausstieg beschlossen. Angesichts zu geringer Solarausbeute, nicht vorhandener großer Stromspeicher, überschaubarer Windmengen und fehlender Stromtrassen dürfte hierzulande Erdgas vor weiteren Zuwächsen stehen.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns
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