Loys Capital Kolumne vom 17.12.2019

Paul Volcker

Mit dem Ableben Paul Volckers, dem ehemaligen Notenbankchef der USA, geht symbolisch eine Ära zu Ende. Inflationsbekämpfung stellte in den Vereinigten Staa­ten eher selten  eine Priorität dar. Dem historischen ,Frontier'-Gedanken folgend, steht traditionell Wachstum im Vordergrund amerikanischen Denkens. Die Noten­bankpolitik Paul Volckers war aus der Not geboren. Rasante Preissteigerungen im Nachgang der Ölkrise der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts sorgten für ga­loppierende Inflation in den USA.

Es war der von Jimmy Carter ernannte Paul Volcker, der mit einer keineswegs allseits beliebten Hochzinspolitik den Preisauftriebstendenzen ein allmähliches Ende setzte. Fortan orientierte man sich auch in Washington stärker am Erfolgsmodell der Deut­schen Bundesbank, die sich stets dem Ziel der Geldwert­stabilität verpflichtet sah. Und wenngleich die Unabhängig­keit der Notenbank auch während Paul Volckers Amts­zeit von interessierter Seite angegriffen wurde, wusste sich der in Europa ausgebil­dete Ökonom dieser Tendenz wohl zu widersetzen.

Heute leben wir in einer scheinbar ganz anderen Welt. Die Bundesbank ist heute nur noch eine aufgepeppte Stati­stikbehörde und Inflations­messung erfolgt viel kreativer als  ehedem. Ob die Noten­banken unabhängig von der Politik agieren ist fraglich ge­worden. Dass mit Frau Chri­stine Lagarde erstmalig eine vormalige Politikerin (französische Finanzministerin) die Position einer Notenbankpräsidentin einnimmt, spricht Bände.
Das amerikanische Noten­ banksystem der Fed ist mitt­lerweile zu einer Gelddruck­ und Staatsfinanzierungsein­richtung mutiert.

Ihr europäisches Pendant, die EZB, hat es ihr unter Mario Draghi nachgetan und mit der Einführung negativer Zinsen sogar getoppt. Es ist nicht völlig abwegig, zu vermuten, dass die Dauerniedrigzinspoli­tik nicht zuletzt der Rettung der überschuldeten Südstaa­ten bzw. der Sanierung der Staatshaushalte (auch in Deutschland) geschuldet ist. Politik und Notenbank rüh­men sich heute angesichts niedriger amtlicher Inflationsraten. Mitunter wird sogar behauptet, die geringen Infla­tionsraten seit Einführung des Euro zeigten gar dessen Überlegenheit gegenüber der D-Mark. Dabei unterschlägt man wissentlich, dass es zu D-Mark Zeiten ein viel  kräfti­geres Wirtschafswachstum gab, während das Wirtschaftswachstum in Europa seit dem Jahr 2000 leidlich mager ausfiel. Außerdem übersieht die offizielle Euro­ Apologie jene Sachwertinflati­on, die in den letzten Jahren stattgefunden hat. Nirgend­wo ist das sichtbarer als am lmmobilienmarkt.

Zu den gefährlichen Nebenwirkungen der EZB-Politik ge­hört das Siechtum europäi­scher Banken. Anders als in den USA wird ein gesunder und robuster Bankensektor in der Eurozone nicht sonderlich hoch priorisiert. Dieser Um­stand mag sich im Verzicht auf negative Zinsen in den USA widerspiegeln. Jeden­ falls hat er dazu beigetragen, dass amerikanische Kreditin­stitute heute wesentlich stär­ker dastehen als ihre europäi­schen Wettbewerber.

Zudem gewinnen Kräfte der Dereguliegung in Amerika un­ter dem Präsidenten Trump an Fahrt. Deshalb nimmt es auch nicht Wunder, dass die sogenannte Volcker-Regel, die im Anschluss an die Sub­primekrise eingeführt und nach dem ehemaligen Noten­bankchef benannt wurde so­ wie die  
Investmentaktivität der Geschäftsbanken ein­ schränkte, inzwischen aufge­ weicht wurde. Auch auf die­sem Feld hat nunmehr eine neue Epoche begonnen.

Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns


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