Loys Capital Kolumne vom 13.08.2019

Baisse bei Industrieaktien

Es lässt sich nicht länger leugnen: Zahlreiche Aktien aus dem Industriesektor  befin­den sich in einer Baisse. Dividendentitel  aus den Sektoren Automobil,  Maschinen­bau und Chemie stehen seit geraumer  Zeit unter Abgabedruck an der Börse. Nicht wenige Titel haben 40 Prozent oder sogar mehr als die Hälfte ihres Kurswertes seit ihrem Höchststand verloren.

Als Beispiele lassen sich Sie­mens, Daimler, BMW, ABB, Andritz, Kranes, Heidelberger Druck, BASF, Covestro, Renault, ThyssenKrupp, Ar­ celorMittal, Schaeffler, Conti­nental,   De'Longhi, Norma, Dürr, König & Bauer, Arkema, Fiat Chrysler nennen. Mittler­weile notieren etliche der ge­nannten Aktien auf Mehrjahrestiefständen.

Offenbar preist die Börse ei­nen rezessiven Wirtschaftsver­lauf im verarbeitenden Gewer­be in die Börsenkurse ein. Selbst die ultralockere Geldpo­litik der Europäischen Zentral­bank hat die Baisse in diesen Branchen nicht aufhalten kön­nen. Darin lässt sich ersehen, dass die Profitabilitätsentwick­lung der wichtigste Einzelfaktor bei Aktienanlagen ist.  
Und gerade bei der Profitabilität ha­pert es mächtig. Verglichen mit amerikanischen Unterneh­men fällt stets auf, um wieviel höher die Gewinnrenditen in den USA liegen. Geringe Profi­tabilität führt aber im Laufe der Zeit zu Wettbewerbsnachtei­len gegenüber Unternehmen, die strukturell höhere Gewinne erzielen. Freilich könnten die kursverfallenen europäischen Unternehmen sich in Sachen Kapitalallokation eine Scheibe von ihren amerikanischen Wettbewerben abschneiden und bei zu starker Unterbewer­tung eigene Aktien zurückkaufen; sogar mit geliehenem billigen Geld. Aber der Alten Welt fehlt der Optimismus Ameri­kas und lässt Aktienrückkäufe als kluges Instrument der Kapitalallokation lieber unbeachtet.

Vielleicht wäre es angesichts der schwachen Kursentwick­lungen bei Industriewerten klug, die Quantitative Easing Politik der EZB dahingehend zu modifizieren, nunmehr Aktien
anstatt Staatsanleihen zu kau­fen. An Vorbildern fehlt es nicht, denn sowohl die Schweizerische als auch die japanische Notenbank verfol­gen eben dieses Vorgehen seit Jahren.  Und die Logik spricht für ein solches Handeln, denn beim Kauf von Bundesanleihen muss die Notenbank die Bundesrepublik dafür bezahlen, dass sie deren Schulden hält. Bei zyklischen Aktien sieht die Sache wesentlich attraktiver aus, denn diese weisen im Schnitt Dividendenrenditen von ca. drei Prozent auf.
Über­haupt ist auffällig, dass positi­ve Zinskupons seltener  wer­den und Einkommensjäger sich zunehmend an Aktienanla­gen wenden  müssen.

Übrigens ist das Bild in Japan dem  europäischen und deut­schen Befund recht ähnlich. Am Kabuto-Cho kamen Aktien aus den klassischen Branchen zuletzt kräftig unter die Räder und der Nikkei Index musste seine im Jahresverlauf erzielten Zuwächse weitgehend wieder abgeben. Etablierte Ti­tel aus dem Chemiesektor ge­rieten besonders ins Straucheln. Abschläge von 50 Pro­zent zu den vormaligen Hochs sind keine Seltenheit. Hinzu tritt die japanische Besonder­heit, Kassenbestände in den Bilanzen trotz Negativzinsen zu horten. Gewitzigt  durch die Im­plosion des Nikkei zum Ende der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts, ziehen es viele Unternehmen aus Nippon vor, ungeachtet der Dauerniedrig­zinspolitik hohe Kassenbestände zu halten. Diese Fehlallokation der Ressourcen trägt dazu bei, dass die Bewertung etlicher japanischer Aktien im Vergleich zu ihren amerikanischen Pendants nachgerade lachhaft günstig wirkt.

Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns


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