Zehn Jahre Börsenhausse
Vor zehn Jahren startete an der Wall Street ein fulminanter Börsenaufschwung, der alle anderen Aktienmärkte in seinem Sog nach oben spülte. Seit dem 9. März 2009 legte der repräsentative und daher marktführende S&P 500 Index um 367o/o zu, was einem jährlichen Zugewinn von knapp 16o/o entspricht. Hinzu kommen noch ca. 2o/o jährliche Dividenden. Spektakulärer fielen die Kursgewinne im Nasdaq-lndex aus. Für dieses Börsenbarometer steht ein Plus von 517o/o (ohne Dividenden) zu
Buche.
Aber auch andere wichtige Aktienindizes müssen sich mit ihrer Wertentwicklung nicht verstecken. Der FTSE 100, Europas wichtigster Aktienindex, legte im genannten Zehnjahresfenster immerhin um 169% (ohne Dividenden) zu, wobei der bevorstehende Brexit ein belastender Faktor war. Derweil legten große französische Dividendenwerte - gemessen am CAC 40 - um 178% zu. ln der gleichen Klasse spielte auch der DAX Index, der inklusive der Dividenden um 200% und damit um durchschnittlich 10,6% pro Jahr gewann. Wesentlich anspruchsvollere Ergebnisse konnten in der zweiten deutschen Börsenreihe eingefahren werden. Der MDAX verzeichnete in den letzten zehn Jahren eine Wertentwicklung von beachtlichen 430%, das heißt mehr als 18% pro Jahr. Im Land der aufgehende Sonne stieg der Nikkei Index um 240%, wobei Dividenden noch hinzukommen. Etwas gemächlicher ging es in China zu, wo etwa der CSI 300 Index im genannten Zeitrahmen um 107% empor kletterte.
Vor allem zwei Entwicklungen sind kausal für den beeindruckenden Kursaufschwung seit 2009. Die radikalen und vormals unvorstellbaren Zinssenkungen, Rettungspakete und Anleihekäufe der Notenbanken unter Führung der amerikanischen Fed haben das bis zur Subprime-Krise geltende Grundgefüge der Finanzmärkte außer Kraft gesetzt. Mit großer Berechtigung wird seither von einer neuen Normalität gesprochen. Zu ihr gehört die traurige Gewissheit, dass die Zinsmärkte heute entlang der gesamten Zinsstrukturkurve von den Notenbanken dominiert werden. Von einem wirklich funktionierenden Zinsmarkt kann kaum gesprochen werden. Vielmehr bestimmt die gefühlte Notwendigkeit einer permanenten Staatsfinanzierung durch die Notenbanken die Lage der Zinsmärkte bis auf weiteres, zumal die Verschuldung der Staaten
seither überall zugenommen hat. Indem aber die alte Rivalität zwischen Aktien- und Zinsanlagen insofern aufgehoben wurde, als Zinsanlagen mittlerweile angesichts negativer Realzinsen auf absehbare Zeit vor allem in Europa unattraktiv geworden sind. ln diesem Lichte betrachtet ist es eine äußerst erstaunliche Beobachtung, dass die meisten Anleger - Deutschland ist hier das beste Beispiel - bis heute ihre traditionelle Asset Allokation nicht an die nachdrücklich und wohl dauerhaft verschobenen Attraktivitätsverhältnisse der Anlagegattungen angepasst haben.
Neben der Abschaffung auskömmlicher Zinsen hat sich die Gewinnentwicklung der Unternehmen als echter Treibsatz für die Aktienkurse gezeigt. Die Gewinne des S&P 500 legten von ihrem Tief im März 2009 von 5,79 Dollar auf zuletzt 41,42 Dollar zu. Im Vorkrisenjahr 2007 und damit am Zyklushoch hatten die Gewinne bei 24,56 Dollar gelegen. Einen kräftigen Beitrag zu der starken Gewinnentwicklung pro Aktie lieferten Aktienrückkäufe der Unternehmen. Hier liegt auch eine Erklärung dafür, dass US-Aktien besser zulegen konnten als europäische Dividendentitel.
Wenn man heute auf die Bewertungen der Aktienmärkte schaut, erblickt man eine rückläufige Gewinnentwicklung für das laufende Jahr, recht hohe Dividendenrenditen vor allem in Europa und Kurs-Gewinn-Verhältnisse, die von ihren historischen Mittelwerten nicht allzuweit entfernt liegen. Das Börsenkorrekturjahr 2018 hat viele Bewertungen wieder in sehr annehmbare Sphären verschoben.
Das Wichtigste mag aber sein, dass zumindest in Deutschland alle wesentlichen Anlegergruppen heute angesichts des hiesigen Welt-Pessimismus - genau wie vor zehn Jahren - in Aktien deutlich untergewichtet sind. Angesichts der historisch niedrigen Kupons bei Zinspapieren spricht jedoch alles dafür, dass Aktien auch in den kommenden Jahren besser rentieren als Bonds.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns
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