Loys Capital Kolumne vom 10.09.2019

Klimafreundliche Finanzbranche

Einigermaßen  verzweifelt versucht  die  Bundesregierung Wege zu finden,  um die Einhaltung der selbstgesetzten Klimaziele  zu erreichen. Diese Suche ist wertvoll, weil sie ein Infragestellen von Bisherigem erlaubt, das in guten Zeiten nicht angetastet werden kann.

Indem die Klimaveränderung als Krise mit potentiell kata­strophalem Ende dargestellt und behandelt wird, erhält eine diesbezügliche Veränderungs­dynamik höhere Legitimation. Politiker wissen allzu genau, dass große Veränderungen nur in Krisen möglich sind, denn dann verlangt das Wahlvolk Aktion und verleitet die Politik mitunter zu Aktionismus.  Der Express-Atomausstieg im Gefolge des Fukushima-Unfalls ist ein typisches Beispiel für politische Handlungsrituale in den westlichen Demokratien. Freilich können noch so wohl­gemeinte Entscheidungen auch unerwartete Konsequen­zen nach sich ziehen, wie z.B. an der seitherigen Strompreis­entwicklung beobachtet wer­den kann.

Und ganz ähnlich könnte die traditionelle Branchenbedeu­tung in Deutschland durch die scheinbare Klimakrise durchei­nander geworfen werden. Es dämmert den Verantwortli­chen bereits, dass die Bundes­republik mit ihren starken ln­dustriesäulen aus Automobil, Maschinenbau und Chemie strukturell ein Land mit hohem Energieverbrauch und C02-Ausstoß pro Einwohner ist.

Demgegenüber sind die Dienstleistungsbranchen eher klimafreundlich. Wie wäre es also, wenn die deutsche Politik einen ihrer Kardinalfehler der letzten fünfzig Jahre korrigierte und stärker auf Finanzdienst­ leistungen setzte.

Dann dürften die Klimabesorg­ten laut jubeln und Deutschland könnte möglicherweise die Wohlstandslücke zu ande­ren Ländern etwas verringern. Wir dürfen nicht vergessen, dass Länder mit einer starken Finanzmarktkultur stets auch Länder großen materiellen Wohlstandes sind. Die ein­ wohnermäßig kleine Schweiz, deren Volkswohlstand unein­holbar weit vor demjenigen Deutschlands liegt, hat einen Aktienmarkt, der fast so groß ist wie der verkümmerte deut­sche Aktienmarkt Die klugen Schweizer haben gut daran getan, einen starken Finanz­platz aufzubauen und vor vie­len Jahren eine dritte kapital­gedeckte Säule der Altersvor­sorge einzuführen, die ihre Wohlstandsgewinne überwie­gend aus der Wertschöpfung am Aktienmarkt bezieht. Be­sonders weise war es, Erträge aus Aktiengeschäften nicht doppelt bzw. hoch zu besteu­ern,  wie  dies  in  Deutschland der Fall ist.

ln Deutschland setzt man be­kanntlich auf den Generatio­nenvertrag, der allerdings auf­grund der gesellschaftlichen Überalterung im krachenden Scheitern begriffen ist. Viel­leicht    bietet die aktuelle Klimahysterie jedoch eine Gelegenheit dazu, endlich dem klimafreundlichen Finanzmarkt­sektor hierzulande  Rücken­wind zu verschaffen. Dafür spricht außerdem, dass Finanzprodukte angesichts der exorbitanten Regulierungsdichte im Gegensatz zu Industrie­ waren nicht von chinesischen Wettbewerbern substituiert werden können. Vor allem er­nährt die Finanzbranche ein vielfältiges Ökosystem angren­zender Dienstleistungen mit gut bezahlten, sozialversiche­rungspflichtigen Arbeitsplät­zen. Man kann sich über den Berliner Tiefschlaf nur wun­dern, den selbst die Jahrhun­dert-Chance Brexit nicht unter­bricht. ln dieser Zeit wäre nämlich eine wachstumsorientierte Finanzmarktentwicklung die richtige Antwort auf die Londo­ner Kapriolen. Im Übrigen täte man damit auch einen Schritt in Richtung Emanzipation von den USA, denn die Amerikaner dominieren seit Jahrzehnten die weltweiten Finanzmärkte. Allein ein Blick auf die Begriffe der Börse, Performance, Com­pliance, Exposure, IPO, ETF, Futures, etc. legt Zeugnis ab von dieser Dominanz.

Nicht zuletzt diese Finanzmark­torientierung hat den Vereinig­ten Staaten die Transformation zur führenden Dienstleistungs­nation geebnet.

Aus  Chicago
Ihr
Dr.  Christoph Bruns


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