Klimafreundliche Finanzbranche
Einigermaßen verzweifelt versucht die Bundesregierung Wege zu finden, um die Einhaltung der selbstgesetzten Klimaziele zu erreichen. Diese Suche ist wertvoll, weil sie ein Infragestellen von Bisherigem erlaubt, das in guten Zeiten nicht angetastet werden kann.
Indem die Klimaveränderung als Krise mit potentiell katastrophalem Ende dargestellt und behandelt wird, erhält eine diesbezügliche Veränderungsdynamik höhere Legitimation. Politiker wissen allzu genau, dass große Veränderungen nur in Krisen möglich sind, denn dann verlangt das Wahlvolk Aktion und verleitet die Politik mitunter zu Aktionismus. Der Express-Atomausstieg im Gefolge des Fukushima-Unfalls ist ein typisches Beispiel für politische Handlungsrituale in den westlichen Demokratien. Freilich können noch so wohlgemeinte Entscheidungen auch unerwartete Konsequenzen nach sich ziehen, wie z.B. an der seitherigen Strompreisentwicklung beobachtet werden kann.
Und ganz ähnlich könnte die traditionelle Branchenbedeutung in Deutschland durch die scheinbare Klimakrise durcheinander geworfen werden. Es dämmert den Verantwortlichen bereits, dass die Bundesrepublik mit ihren starken lndustriesäulen aus Automobil, Maschinenbau und Chemie strukturell ein Land mit hohem Energieverbrauch und C02-Ausstoß pro Einwohner ist.
Demgegenüber sind die Dienstleistungsbranchen eher klimafreundlich. Wie wäre es also, wenn die deutsche Politik einen ihrer Kardinalfehler der letzten fünfzig Jahre korrigierte und stärker auf Finanzdienst leistungen setzte.
Dann dürften die Klimabesorgten laut jubeln und Deutschland könnte möglicherweise die Wohlstandslücke zu anderen Ländern etwas verringern. Wir dürfen nicht vergessen, dass Länder mit einer starken Finanzmarktkultur stets auch Länder großen materiellen Wohlstandes sind. Die ein wohnermäßig kleine Schweiz, deren Volkswohlstand uneinholbar weit vor demjenigen Deutschlands liegt, hat einen Aktienmarkt, der fast so groß ist wie der verkümmerte deutsche Aktienmarkt Die klugen Schweizer haben gut daran getan, einen starken Finanzplatz aufzubauen und vor vielen Jahren eine dritte kapitalgedeckte Säule der Altersvorsorge einzuführen, die ihre Wohlstandsgewinne überwiegend aus der Wertschöpfung am Aktienmarkt bezieht. Besonders weise war es, Erträge aus Aktiengeschäften nicht doppelt bzw. hoch zu besteuern, wie dies in Deutschland der Fall ist.
ln Deutschland setzt man bekanntlich auf den Generationenvertrag, der allerdings aufgrund der gesellschaftlichen Überalterung im krachenden Scheitern begriffen ist. Vielleicht bietet die aktuelle Klimahysterie jedoch eine Gelegenheit dazu, endlich dem klimafreundlichen Finanzmarktsektor hierzulande Rückenwind zu verschaffen. Dafür spricht außerdem, dass Finanzprodukte angesichts der exorbitanten Regulierungsdichte im Gegensatz zu Industrie waren nicht von chinesischen Wettbewerbern substituiert werden können. Vor allem ernährt die Finanzbranche ein vielfältiges Ökosystem angrenzender Dienstleistungen mit gut bezahlten, sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. Man kann sich über den Berliner Tiefschlaf nur wundern, den selbst die Jahrhundert-Chance Brexit nicht unterbricht. ln dieser Zeit wäre nämlich eine wachstumsorientierte Finanzmarktentwicklung die richtige Antwort auf die Londoner Kapriolen. Im Übrigen täte man damit auch einen Schritt in Richtung Emanzipation von den USA, denn die Amerikaner dominieren seit Jahrzehnten die weltweiten Finanzmärkte. Allein ein Blick auf die Begriffe der Börse, Performance, Compliance, Exposure, IPO, ETF, Futures, etc. legt Zeugnis ab von dieser Dominanz.
Nicht zuletzt diese Finanzmarktorientierung hat den Vereinigten Staaten die Transformation zur führenden Dienstleistungsnation geebnet.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns
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