Loys Capital Kolumne vom 07.01.2019

DAX in der Baisse

Erfahrene Anleger wissen, dass die Börse ein Spiegelbild des Lebens ist. Goe­the, der große Dichter der Deutschen, beschreibt in seinem Faust scheinbar das wankelmütige Wesen der Börse, wenn es im Himmelsprolog heißt: "Und schnell und unbegreiflich schnelle dreht sich umher der Erde Pracht, es wech­selt Paradieseshelle mit tiefer, schauervoller Nacht."

Einem solchen Wechselbad wa­ren die Investoren im letzten Jahr ausgesetzt. Nach dem mehr als 20-prozentigen Kursrückgang im DAX befindet sich der deutsche Aktienmarkt  nach Jahren des Auf­schwungs nunmehr in einer Bais­se. Gekennzeichnet ist diese durch einen allgemeinen Zu­kunftspessimismus, der sich ak­tuell auf Themen wie Konjunktur, Gewinne, Umsätze, Demographie und Politik (zum Beispiel den Brexit) erstreckt.

Die im Vergleich mit anderen eu­ropäischen Aktienmärkten beson­ders schwache Kursentwicklung deutscher Aktien findet ihre Be­gründung in den vielen Gewinnwarnungen, die  seit dem dritten Quartal von etlichen Unterneh­men ausgesprochen wurden. Vorallem die Paradebranchen Auto­mobil, Maschinenbau und Che­mie wurden arg gebeutelt. Dabei spielen hausgemachte Probleme wie etwa der Umgang mit der Dieseltechnik eine wichtige Rolle.

Inzwischen gibt es eine Anzahl von Aktien, die sich seit ihren Höchstkursen halbiert haben und mittlerweile günstig bewertet sind. So beträgt beispielsweise die    Dividendenrendite der im DAX  versammelten 30 großen Aktiengesellschaften derzeit knapp 3,5 Prozent. Zum Vergleich: Die Rendite zehnjähriger deutscher  
Staatsanleihen beträgt derzeit 0,25 Prozent. Wenig an­spruchsvoll und historisch niedrig ist mit einem aktuellen Wert von 11,5 auch das Kurs-Gewinn­ Verhältnis im DAX.

Euro ist keine zweite D-Mark

Einen Beitrag zu den markant ge­fallenen Kursen hat sicherlich auch die fehlende Aktienkultur hierzulande geleistet. Das Aktio­nariat der Mehrzahl der großen Aktiengesellschaften in Deutsch­land wird von Investoren angel­sächsischer Provenienz ange­führt. Daher verwundert es nicht, dass gerade amerikanische Aktio­näre zuletzt steuerlich relevante Verluste realisiert haben, zumal auch der Euro diesen Anlegern im Jahr 2018 keine Freude bereitet hat.

Apropos Euro: Genau  20  Jahre nach seiner Einführung kann fest­ gestellt werden, dass die europäi­sche Einheitswährung keine zweite D-Mark geworden ist - wie es manche
Apologeten sei­nerzeit verheißen hatten. Für den Aktienmarkt knüpfen sich an diesen Befund sogar positive Hoffnungen, denn die geringe Haushaltsdisziplin in den allermeisten Ländern des Euro-Raums hat es notwendig erscheinen lassen, dass die Europäische Zentralbank mit Hilfe von Dauerniedrigzinsen und Staatsanleihekäufen zum per­manenten Staatsfinanzierer mu­tierte.

Kaufgelegenheiten in zweiter und dritter Reihe

Jedenfalls dürften sich besonders die exportorientiert arbeitenden Aktiengesellschaften über den schwachen Euro tendenziell freu­en. Gleiches gilt auch für die nied­rigen Zinsen,  die eine günstige Finanzierung der Unternehmen garantieren. Nimmt man noch die zuletzt stark rückläufigen Roh­stoffpreise hinzu, so zeigt sich, dass für den Aktienmarkt lang­sam ein stark unterstützender Datenkranz zusammenkommt. Wer überdies den Willen hat, in der zweiten und dritten Reihe des Aktienmarktes nach attraktiven Papieren Ausschau zu halten, der findet einige Unternehmen mit einstelligen KGVs, robusten Geschäften und zugleich sehr soli­den Bilanzen.

Freilich gilt diese Bestandsaufnahme nicht nur für deutsche Di­videndentitel, sondern findet sich auch bei etlichen europäischen Titeln wieder. Noch günstiger sind viele Aktien in
Japan, wo die Gesellschaften des TOPIX mittler­weile nahezu am Buchwert notie­ren. Man darf sich einigermaßen gewiss sein, dass entsprechende Gelegenheiten nicht dauerhaft unentdeckt bleiben. Zunächst müssen sich aber die "Zittrigen" - ein schönes Bild von Andre Kostolany - von ihren Aktien trennen, womit schließlich das Feld für die "Hartgesottenen" bestellt wird. Sodann kann eine neue Runde des ehernen Zyklus aus Hausse und Baisse eingeleitet werden.

Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns
 


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