Dr. Christoph Bruns: Überbeliebtheiten und Unterbewertung!
Dr. Christoph Bruns, Vorstand und Fondsmanager der LOYS AG im Kurz-Interview.
Wir erleben ein ungewöhnliches Börsengeschehen: Die Weltwirtschaft leidet unter der Corona-Pandemie, doch die Aktienmärkte verzeichnen immer neue Höchststände. Wie passt das zusammen?
Dr. Bruns: In der Tat befinden wir uns in einer sehr schwerwiegenden Pandemie und heute ist klarer denn je, dass die Virus Erkrankung morgen noch nicht vorbei sein wird; dies gilt erst Recht auch für die Folgen der Krankheit.
Wir sind in einer Rezession, auch wenn gleichwohl bestimmte Segmente besonders gut laufen - die meisten zwar nicht- so gilt dies insbesondere für die Technologiebranche bzw. die amerikanischen FAANG-Titel. ln diesen Bereichen gibt es einiges an Unterstützung; das hat z.T. strukturelle Gründe: Beispielsweise die ETF-Zuflüsse, aber auch die Vorteile der Digitalwirtschaft im Zuge dieser Krise.
Die FAANG-Titel sind in aller Munde! Sollte man als Anleger davon ausgehen, dass die Entwicklung immer weiter nach oben geht? Ist es dann nicht ein probates Mittel, weiterhin über ETFs oder entsprechende Spezial-Fonds auf die digitalen Trends zu setzen?
Dr. Bruns: Das ist zumindest die Antwort aller Chart-Techniker: "Wenn ein Trend vorhanden ist, sollte man auf dessen Fortsetzung hoffen". Doch so funktioniert die Börse eigentlich nicht. Die Historie besagt, dass Bäume am Ende nicht in den Himmel wachsen. Im Gegenteil, es kommt dann später zu bösen Überraschungen. Man kann nicht einfach blindlings darauf setzen, dass das was in der Vergangenheit gelaufen ist auch in der Zukunft weiterhin funktioniert. Denn es gibt neue Risiken, neuen Wettbewerb und ständig verschiebt sich die Wirtschaft. Das wäre zu einfach! Ein kluger Anleger sollte so nicht vorgehen, da es letztendlich zu riskant ist.
Sie sind bekannt für das Thema "Wertorientierung" - wie passt dieses Thema in die heutige Börsenphase?
Dr. Bruns: Für den Anleger ist immer entscheidend, in welcher Ausgangssituation er sich befindet. Ein junger Investor mit wenig Geld darf selbstverständlich auch spekulieren - er hat noch viele Arbeitsjahre vor sich und kann einen eventuellen Verlust durch Arbeit wieder aufholen. Wer aber Vermögen verwaltet oder hat und ggf. von den Erträgen leben muss, der darf nicht spekulieren. Jener Investor muss sinnvoll und behutsam anlegen, auf Preis und Wert achten und die Zeit im Blick halten. Das ist die richtige Rezeptur, um langfristige Erträge zu erwirtschaften.
Die Themen "Wertorientierung" und "Value" - jene von Warren Buffett geprägten Anlagestile - scheinen aktuell nicht so richtig zu fruchten. Woran liegt das? Glauben Sie, dass sich diese Trends langfristig auch wieder umkehren werden?
Dr. Bruns: Das stimmt. ln den vergangenen Jahren sind die genannten Themen merklich in den Hintergrund geraten. Man bevorzugt heute die Verfolgung von allgemeinen Trends. Das beste Beispiel ist derzeit sicherlich die Tesla-Aktie: Das Unternehmen produziert relativ wenige Fahrzeuge und ist deutlich mehr wert als alle deutschen Automobilhersteller zusammen. Das wirkt deutlich überzogen, aber so ist die Börse nun mal; sie war nie frei von Übertreibungen. Glücklicherweise korrigieren sich solche Entwicklungen langfristig.
Warren Buffett selbst hat bereits über siebzig Jahre lang Erfahrungen gesammelt. Diese haben ihm gezeigt, dass ein Dollar letztlich immer ein Dollar wert ist - es ist gleichgültig, ob dieser mit Schmierseife, mit Autos oder mit Software verdient wird. Man sollte für einen Dollar daher auch nicht mehr als einen Dollar bezahlen. Deshalb fokussiert Buffett sich immer wieder auf das Verhältnis von Preis und Wert. Und das tun wir auch, denn wir wissen, dies ist eigentlich der einzige Ansatz, der sich in den letzten 100 Jahren bewährt hat!
Als Fondsmanager des LOYS Global MH und des LOYS Global müssen Sie diese Erkenntnisse tagtäglich als Entscheidungen im Portfoliomanagement umsetzen. Wie lautet Ihre Handlungsempfehlung für Anleger in der jetzigen Zeit?
Dr. Bruns: Die Börse ist zuletzt sehr asymmetrisch verlaufen, mit einerseits Übertreibungen und Fokussierungen im Bereich der Digitalwirtschaft und andererseits Vernachlässigungen in anderen Branchen. Daher gibt es eindeutig dort die größten Chancen, wo die Börse Unbeliebtheit verbreitet hat. Dazu gehören vor allem klassische Branchen, die zwar eine überschaubare Gewinndynamik aufweisen, aber dies ist in den Preisen längst eingepreist.
Die Preise sind zu günstig geworden und eine Erholung von der Pandemie wird dann diese Aktien insbesondere bevorzugen. Und dort wollen wir investieren, denn wir mussen Preis und Leistung (Wert) beachten!
Herr Dr. Bruns, vielen Dank für das lnterview.
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