LFDE Makroökonomie vom 04. Mai 2021

Auf Rekordjagd: USA jenseits der Erwartungen

Die in den USA unter Joe Biden erreichten Rekorde liegen jenseits der Erwartungen – seien es die vorgeschlagenen und bereits umgesetzten Konjunkturpakete, die Unternehmensergebnisse, der Aufschwung am Arbeitsmarkt oder auch die Hilfsmaßnahmen der Fed.

Um nur einige Beispiele zu nennen: Amazon, einer der großen Lockdown-Gewinner des Jahres 2020, hat seinen Nettogewinn im ersten Quartal 2021 verdreifacht und damit sämtliche Erwartungen übertroffen, obwohl die Beschränkungen in den USA bereits teilweise aufgehoben wurden. Ob Lockdown oder nicht, Amazon floriert. Die anderen Technologieriesen stehen dem in nichts nach: Die Nettogewinne stiegen bei der Google-Mutter Alphabet um 163 %, bei Apple um 110 %, bei Facebook um 94 % und bei Microsoft um 44 %. Es handelt sich dabei jedoch nicht um eine Erholung: Denn bereits das Vorjahr lief für sie fantastisch.

Zu einem (kleinen) Teil kommen diese Gewinne nicht nur den Aktionären zugute. So beschloss Amazon, wenn auch unter politischem Druck, den Lohn von 500.000 seiner am schlechtesten bezahlten Mitarbeiter zu erhöhen. Generell stieg das verfügbare Einkommen der Haushalte dank der von der Biden-Administration verteilten Hilfsschecks im März um beispiellose 21 %.

Beispiellose Hilfsprogramme unter Biden – mit welchen Auswirkungen?

Auf Bundesebene bewegen sich die von Joe Biden initiierten Hilfs- und Investitionsprogramme jenseits bekannter Maßstäbe: Nach zwei bereits unter Donald Trump verabschiedeten, umfangreichen Hilfsprogrammen legte Biden gleich nach Amtsantritt im Rahmen des American Rescue Plan weitere 1,9 Billionen Dollar an Anreizen drauf. Doch damit nicht genug, denn mit dem American Jobs Plan und dem American Families Plan im Umfang von insgesamt fast 4 Billionen Dollar für Infrastruktur, Gesundheitswesen, Familien in Notlage, Bildung usw. schlägt er nun weitere Maßnahmen vor.

Ist dies jenseits der Vernunft? Larry Summers, ein einflussreicher US-Ökonom, der den Demokraten nahesteht, befürchtet eine Überhitzung. Der Markt befürchtet dies jedoch vorerst nicht. Bei den Zinssätzen ist seit Wochen alles ruhig. Ist dies jenseits des politisch Möglichen? Die beiden derzeit diskutierten, neuen Pläne stoßen bei den Republikanern auf Widerstand und sorgen auch bei gemäßigteren Demokraten für Diskussionen. Aber wie viele Demokraten werden es letztlich wagen, sich gegen Hilfsprogramme auszusprechen, die vor den Zwischenwahlen in Kraft treten werden?

In puncto Tatkraft überschreiten die USA aktuell also wie so oft in der Geschichte und trotz aller Defizite die Grenze des Vorstellbaren. Darüber hinaus hinterfragt man sich auch selbst: Die weiteren Pläne Bidens sehen eine erhebliche Steuererhöhung für die Reichsten und Unternehmen vor. Dies ist eine Abkehr von dem seit Jahrzehnten praktizierten Steuerdumping.

Trotz aller Rekorde – Märkte zeigen sich unbeeindruckt

Doch sogar in diesem Jenseits wachsen die Märkte nicht ins Unendliche. Es gibt derart viele gute Nachrichten, dass die Märkte, einhergehend mit der Sorge vor Steuererhöhungen und Inflation, trotz der Rekorde jüngst kaum zugelegt haben. Die Märkte sind von Erfolgen gesättigt und hegen eine vage Angst vor den Folgen. Sie verdauen den Überfluss. Der Umstand, dass weder die Aktien- noch die Anleihenmärkte in die Höhe schießen, ist jedoch ein gutes Zeichen: Dies bedeutet, dass sie sich nicht in einer Phase des irrationalen Überschwangs, sondern der vernünftigen Zuversicht befinden. Auf kurze Sicht kann das frustrierend sein, aber langfristig wirkt das beruhigend.

Von Olivier de Berranger, CIO bei LFDE


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