Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 09.08.2024
Sie hätte kaum krachender starten können, die abgelaufene Woche. Was sich schon zum Wochenausklang davor abzeichnete, wuchs sich zum sprichwörtlichen Börsenbeben aus. Rund um den Globus kamen die Aktienmärkte, wenn auch vom Umfang her sehr unterschiedlich, ins Rutschen. Profitieren konnten die Anleihen. Erinnerungen an den „Schwarzen Montag“ am 19. Oktober 1987 wurden wach. Am schwersten unter den großen Aktienmärkten beutelte es den japanischen Markt.
Die Frage liegt auf der Hand: Handelt es sich nur um eine Korrektur, oder um eine Trendwende? Um was es sich tatsächlich handelt, wird deutlicher, wenn man sich die Auslöser anschaut – und hier kam ein ganz schöner Mix zusammen:
1) Da ist die Berichtssaison zu den Unternehmensergebnissen zu nennen. Sie sorgte bei manchen Tech-Werten für Enttäuschung. Begründung: Die Gewinnentwicklung im abgelaufenen Quartal war zwar grosso modo gut, aber nicht gut genug. Sprich: Die positiven Erwartungen wurden i.d.R. erfüllt, aber eben nicht übererfüllt. Für ein Marktsegment, an das, gemessen an den Bewertungen, bereits hohe Erwartungen gestellt werden, kommt es da schnell zu Enttäuschungen.
2) Dazu die US-Konjunktur, und hier vor allem der Arbeitsmarktbericht der Vorwoche. Die Relation offene Stellen pro arbeitslosem Arbeitnehmer liegt zwar immer noch über 1, war aber abgerutscht und blieb hinter den Erwartungen zurück. Dazu der Anstieg der Arbeitslosenquote, die an die „Sahm Regel“ („Sahm rule“) erinnert. Benannt ist sie nach ihrer Endeckering, Claudia Sahm, die für das Weiße Haus und die Fed arbeitete. Die Regel besagt, dass eine Rezession beginnt, wenn der gleitende Dreimonatsdurchschnitt der US-Arbeitslosenquote um 0,5 Prozentpunkte oder mehr über dem niedrigsten Wert der vorangegangenen 12 Monate liegt.
3) Last not least: die Carry-Trades, als Spezifikum des japanischen Marktes. Wenn die Geldpolitik der Bank of Japan (BoJ) die Refinanzierungskosten verteuert und damit gleichzeitig eine merkliche Aufwertung des Yen eingeläutet wurde, dann werden so manche Positionen nicht mehr attraktiv. Also rette sich wer kann.
Aber: Hat sich die Anlagewelt wirklich nachhaltig verändert?
Die Rezessionswahrscheinlichkeit der US-Wirtschaft bleibt nach unserer Einschätzung auf sechs Monatssicht gering, wenn sie auch etwas gestiegen sein mag. Die Arbeitslosigkeit ist in den USA mit 4,3 % im historischen Vergleich immer noch niedrig, und der Anstieg im Juli war auf den Eintritt von Menschen in den US-Arbeitsmarkt zurückzuführen und wurde nicht durch Arbeitsplatzverluste verursacht.
Dazu Hurricane Beryl, der die Anzahl temporärer Entlassungen verstärkt haben sollte – was dann für die nächsten Monate Wiedereinstellungen verspricht. Auch andere Arbeitsmarktdaten lassen keine Anzeichen einer Rezession erkennen: Außerhalb von Covid war das Verhältnis zwischen offenen Stellen und Arbeitssuchenden noch nie so hoch. Fast 40 % der kleinen Unternehmen haben Stellen, die sie nicht besetzen können, der Nettoanteil der Verbraucher, die sagen, dass Arbeitsplätze leicht zu finden sind, bleibt hoch und liegt über dem langfristigen Durchschnitt. Und war es nicht letztlich das Ziel der Federal Reserve (Fed) den Arbeitsmarkt abzukühlen, um die Inflation einzudämmen? Wer jetzt vom „soft landing“ zur Rezession übergeht, kippt das Kind mit dem Bade aus.
Die Entwicklung sieht nach einer Korrektur aus, die auch technisch getrieben wurde. Die Sorglosigkeit der letzten Monate war zu hoch, wie die Relation des S&P-Kursgewinn-Verhältnisses zur Volatilität als Maß für das Risiko zeigt. Die Diskrepanz zwischen den Tech-Werten, und hier vor allem den „fabelhaften 7“ und dem Rest des Marktes war, gemessen sowohl an der relativen Performance (vgl. unsere Grafik der Woche) als auch an den Bewertungen zu weit gelaufen. Dazu Zins- und Wechselkurswende in Japan, welche die Carry-Trader auf dem falschen Fuß erwischte. Und das alles in einer Phase, in der sich die Nordhalbkugel in sommerlicher Ruhe befindet, und die Umsätze ausgedünnt sind. Die Beruhigung nach dem Montag scheint die These der Korrektur zu unterfüttern, sollte aber noch nicht als stabiler Trend fortgeschrieben werden.
Was jetzt benötigt wird, sind fundamentale Daten, die das zuvor dominierende Szenario der weichen Landung unterstützen.
Die Woche voraus
Am Mittwoch stehen das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im 2. Quartal und die Industrieproduktion für die Eurozone, sowie die US-Verbraucherpreise an. Am Donnerstag dann folgen die Industrieproduktion für China sowie die Erst- und Folgeanträge auf Arbeitslosenhilfe für die USA. Nach dem jüngsten Arbeitsmarktbericht dürfte auf ihnen die Hauptaufmerksamkeit liegen. Den Abschluss dann bildet das Verbrauchervertrauen für die Universität von Michigan am Freitag.
Was auf der technischen Seite helfen sollte, ist dass das Sentix-Investorenvertrauen, sowohl für die aktuelle wie die künftige Lageeinschätzung, bereits auf einem niedrigen Niveau liegt. Enttäuschungen werden da bereits vorweggenommen. Auch zeigen die Relative-Stärke-Indikatoren für die wichtigsten Aktienmärkte eine deutlich überverkauft Lage an, was stützen sollte.
Eine Korrektur der Korrektur wünscht Ihnen
Dr. Hans-Jörg Naumer
Director Global Capital Markets & Thematic Research
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