Weshalb können sich im NAV (dem Preis pro Fondsanteil) eines Mittelstandsanleihen Fonds Potentiale verbergen?
Möchte ein Anleger eine Anleihe erwerben oder verkaufen, ist wohl die bekannteste Vorgehensweise, dies über einen regulierten Marktplatz wie die Börse zu tätigen – obgleich dies beim Handel mit Anleihen nicht immer der effizienteste Weg ist.
Im Handel mit Anleihen wird der Großteil des Handelsvolumens und somit auch der wesentliche Anteil der Liquidität, außerhalb der Börsen gehandelt – im sog. OTC (Over-the-Counter)-Markt, sprich dem organisierten und regulierten außerbörslichen Handel mit Wertpapieren – so insbesondere auch im Segment der Mittelstandsanleihen.
Weshalb ist der Handel von Mittelstandsanleihen nicht für jeden Investor über die Börse geeignet?
Für Anleihe-Investoren mit kleineren Volumen, wie meist bei einzelnen privaten Anlegern, kann die Börse ein geeigneter Marktplatz sein. Währenddessen finden Investoren mit größeren Volumen (wie z.B. Fonds, Versicherungen, Stiftungen, Family Offices usw.) hier seltener eine geeignete Gegenpartei, um große Volumen erfolgreich, in einem angemessenen Zeitraum und vor allem kursschonend handeln zu können. Die Börse ist demnach kein effizienter Markt für diese Anleihe-Investoren. Das Sprichwort „Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“ ist hier sehr passend. Würden Groß-Investoren dennoch ihr Volumen komplett an der Börse handeln wollen, müssten sie in kleinen Schritten und stark kursschädigend, ihr Zielvolumen Stück für Stück erwerben oder veräußern. Im ungünstigsten Fall müsste für eine Transaktion über bereits einige zehn- bis hunderttausende Euro das gesamte Handelsvolumen, aufgeteilt in mehrere kleineren Gegenparteien, an der jeweiligen Börse gehandelt werden müssen. Dies würde oder wird, wie des Öfteren bereits geschehen, aufgrund der dann stark einseitigen Angebots- oder Nachfrage-Situation den Preis für eine entsprechende Anleihe in kürzester Zeit außergewöhnlich stark bewegen. Das macht die Börse, aufgrund des geringeren Handelsvolumens im Handel mit Anleihen, insbesondere Mittelstandanleihen, nicht zu dem Ort, um eine repräsentative Preisbildung zu finden.
… und wie funktioniert nun der Handel am OTC-Markt?
Im OTC-Handel finden professionelle Investoren mit der Unterstützung des umfangreichen Netzwerks der Handelsabteilungen von Banken zueinander. Auf diese Weise werden Investoren, die mit ihren größeren Volumen an der Börse keinen marktgerechten Handel in einem angemessenen Zeitraum erzielen könnten, zusammengeführt.
Da diese Handelsgeschäfte nicht über die Börse getätigt und bilateral verhandelt werden, lassen sich die Kurse, zu denen diese Transaktionen tatsächlich abgeschlossen werden, auch nicht öffentlich einsehen. Die Preisbildung ist hier also ohne entsprechende Kenntnisse über den jeweiligen Markt deutlich intransparenter und somit für die meisten nicht-professionellen Anleger ungeeignet, überhaupt kaum zugänglich und nur schwer vergleichbar. Die Börse als Vergleichsmaßstab heranzuziehen, kann hier ungeeignet sein, da sie aufgrund der teils geringen Liquidität, nicht die Gewissheit einer repräsentativen Preisbildung garantieren kann – auf der anderen Seite bildet der OTC-Markt für Laien keine transparente Preisbildung ab, auch wenn der gewichtete Durchschnittpreis aller OTC-Transkationen einen “ehrlichen“ Preis abbilden würde.
Ein stückweit lässt es sich bildlich mit dem Wochenmarkt vergleichen, hier können Sie die aktuellen Preise pro Apfel schnell ermitteln und auch etwas verhandeln aber niemals den Stückpreis pro Apfel bei einem Großhändler erzielen.
Wie ist vor diesem Hintergrund der NAV eines Mittelstandsanleihen Fonds zu bewerten?
Zur Bewertung eines Fonds, der täglich liquide ist, müssen auf täglicher Basis die Wertpapiere des Fonds einzeln bewertet werden. Für diese Bewertung wird täglich zu einem bestimmten Zeitpunkt der aktuell gültige Preis (Kurs) für die Anleihe herangezogen. Natürlich kann man hierzu nur Kurse heranziehen, die transparent und belegbar durch einen regulierten Preisbildungsprozess zustande gekommen sind. Wie bereits erwähnt, bietet sich hier nur die Preisfeststellung der Börse aufgrund ihres transparenten Charakters an. Die Bewertung der einzelnen Wertpapiere in einem Fonds basieren also auf den festgestellten Börsenkursen. Während einer Zeit gesteigerter Unsicherheit, wie sie bspw. derzeit aufgrund des Ukraine-Konflikts oder einer gestiegenen Inflationserwartung besteht, zeigt sich diese in aller Regel durch eine größere Differenz zwischen den An- und Verkaufskursen der Wertpapiere, der sog. Spread-Ausweitung. Da Anleger mit Verkaufsinteresse einen geringeren Kurs anbieten müssen, um Kaufinteresse bei potenziellen Anlegern zu entfachen. Während Kaufinteressierte weiterhin einen höheren Kurs anbieten müssen, um Verkaufsinteresse bei bestehenden Anlegern zu entfachen (weil diese z.B. eine andere Erwartung als die Anleger mit bestehendem Verkaufswillen vertreten). Sollte nun ein Handelsgeschäft mit entsprechendem Volumen zu einem tieferen Kurs zustande kommen, wird aufgrund des Preisbildungsmechanismus der dann vorerst gültige Börsenkurs zum Verkauf einer Anleihe an dieser tieferen Stelle festgesetzt – und folglich auch als Bewertungskurs im Fonds, für diese Anleihe herangezogen.
Dies muss nun nicht zwangsläufig heißen, dass der überwiegende Teil der Investoren in dieser Anleihe den Kurs dort als fair betrachtet, weil der wesentliche Teil des gehandelten Volumens in dieser Anleihe gar nicht an dieser Börse vertreten war, sondern Transaktionen zu den teils deutlich abweichenden Börsenkursen am OTC-Markt arrangiert haben. Diese am OTC-Markt erzielten Kurse können aufgrund ihres intransparenten Charakters allerdings nicht zur Bewertung der Anleihe im Fonds herangezogen werden. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit aus der Differenz zwischen dem Bewertungskurs der Börse und dem erzielbaren Kurs an einem anderen Markt, einen potenziellen Bewertungsgewinn im Fonds zu erzeugen. Dieser wird dann bei der Rückzahlung der Anleihe durch den Emittenten oder bei einem Verkauf oberhalb des Börsenkurses sichtbar. Dieser Unterschied, zwischen Börsenkurs und OTC-Marktpreis könnte auch als eine Art „stille Reserve“ für das Portfolio betrachtet werden und sich im nach Börsenkursen bewerteten NAV verbergen.
Ein brandaktuelles Beispiel im Fall der Anleihe-Emittentin Insofinance Industrial Real Estate Holding GmbH zeigt das verborgene Potenzial seit einigen Tagen eindrucksvoll auf. Für die 7,00%-Anleihe der Insofinance Insofinance Industrial Real Estate Holding GmbH (WKN A2GSD3) wurde bereits ein Rückzahlungsangebot zum 31.03.2022 zu 101,50% des Nennwertes öffentlich gemacht und somit spiegelt dieser Kurs den fairen Preis wider. An der Börse Frankfurt steht die Anleihe per 24.02.2022 bei 81,01%, also 20,49 Punkte unter dem erzielbaren Kurs am 31.03.2022. Demnach verbirgt sich in der Anleihe ein knapp 20%iges Potential auf den derzeitigen Kurswert der Anleihe.
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