Kaufchancen statt Krise

LFDE News vom 12.08.2024

David Ross, Fondsmanager des Echiquier World Equity Growth bei LFDE – La Financière de l’Echiquier, erklärt im 360-Grad Interview bei WhoFinance warum er jetzt Kaufchancen sieht, wie Finanzberater ihren Kunden die Lage erklären können und warum die USA weiterhin gute Unternehmen haben.

Am Montag, den 5. August, verlor der Nikkei-Index 12,5 Prozent. Ist dies eine Korrektur oder der Beginn eines Crashs?

Es sieht nach einer technischen Marktbewegung aus, die durch die hohe Volatilität und die schnellen Veränderungen des japanischen Yen ausgelöst wurde. Nachdem der Yen das ganze Jahr über systematisch gegenüber dem Dollar gefallen war, wurden die Anleger ermutigt, sich in Yen zu verschulden, um anderswo in höher rentierliche Anlagen zu investieren. Diese als „Carry Trade“ bekannte Taktik profitierte lange Zeit von den niedrigen Zinsen in Japan. Wertet die Währung ebenfalls ab, wie es der Yen in diesem Jahr getan hat, zahlt der Kreditnehmer nicht nur einen minimalen Zinssatz, sondern die Kosten für den Kredit sinken durch die Abwertung der Währung kontinuierlich. Im Juli änderte sich die Situation.

Was ist im Juli passiert?

Der Yen begann rapide zu steigen, was bedeutete, dass die Kreditkosten für die Investoren rapide anstiegen. Dies führte zu den Zwangsverkäufen am Montag, den 5. August. Dies war ein Fall von schnellem Schuldenabbau und ähnelte sehr dem, was die Märkte im August 1998 erlebten, als der hoch verschuldete Hedgefonds Long Term Capital Management scheiterte und seine Geschäfte aufgeben musste. Es handelte sich nicht um eine fundamentale Neubewertung der Märkte, sondern um eine technische Korrektur, die durch Zwangsverkäufe ausgelöst wurde. Die daraus resultierenden Marktturbulenzen erwiesen sich als hervorragende Kaufgelegenheit.

Die Aktienmärkte werden vom KI-Boom dominiert. Nun erleben wir auch in diesem Bereich eine scharfe Korrektur. Ist dies das Ende der Euphorie oder nur eine Verschnaufpause?

Diese Fragen schließen sich nicht aus. Wir haben eine Phase der KI-Euphorie erlebt. Die Phase der Euphorie geht nun zu Ende, aber das bedeutet nicht, dass der KI-Trend vorbei ist. Das Thema KI-Investitionen ist nach wie vor intakt, wir erleben lediglich eine Verschnaufpause. Die Euphorie, die zu unrealistischen langfristigen Prognosen geführt hat, wird nun durch nüchterne Gewinnprognosen ersetzt, die vernünftige Bewertungen erfordern. Diese Wende bedeutet eine Atempause für die Aktienkurse der KI-Branche. Wenn sich die Bewertungen auf einem vernünftigen Niveau einpendeln, wird das Thema KI-Investitionen wieder in den Vordergrund rücken.

Wie sollten Finanzberater die aktuelle Krise an den Aktienmärkten erklären?

In dieser Situation ist es wichtig zu erklären, dass es sich nicht um eine Krise handelt. Wir haben es mit einem normalen Markt zu tun. Die jüngsten Marktbewegungen waren bemerkenswert ruhig und die Volatilität sehr niedrig. Diese Phase niedriger Volatilität ist historisch ungewöhnlich, nicht der jüngste Ausverkauf. Die einzige Möglichkeit, wie sich dies zu einer Krise ausweiten könnte, wäre eine Ansteckung des Finanzsystems, die dann systemisch würde. Aber das globale Bankensystem scheint in guter Verfassung zu sein. Deshalb betrachten wir dies als einen normalen Marktausverkauf.

Können Sie bitte erläutern, was solch einen Ausverkauf kennzeichnet?

Bei solchen technischen Korrekturen wird wahllos alles verkauft. Es spielte keine Rolle, was man am Montag, den 5. August, in Japan besaß. Alles in Japan fiel ungefähr um den gleichen Betrag. Auch in den USA fiel der Dow Jones Industrial Average an diesem Tag um 2,6 Prozent. Der breitere S&P 500 fiel um 3 Prozent. Der technologielastige Nasdaq verlor 3,4 Prozent und der Small-Cap-Index Russell 2000 3,3 Prozent. Man sieht also, alles wurden in gleichem Umfang verkauft. Solche wahllosen Verkäufe schaffen Kaufgelegenheiten. Ich rate Anlegern daher immer, wahllose Verkäufe zu nutzen und das zu kaufen, was gerade ohne Grund im Angebot ist. Ich würde meine Anlagestrategie nicht aufgrund einer technischen Korrektur ändern. Allerdings haben Anleger jetzt die Chance, ihr Portfolio zu verbessern, indem sie das kaufen, was sie zu den aktuell günstigeren Preisen halten wollen.

Sie sind bei LFDE für die globalen Aktienfonds verantwortlich. Bereinigen und restrukturieren Sie derzeit die Portfolios?

Ganz genau. Solche Märkte bieten Chancen. Der große Bewertungsrückgang bei einigen meiner Lieblingsaktien hat mir die Gelegenheit gegeben, großartige Unternehmen zu kaufen, während sie günstig sind. Dazu gehören Unternehmen mit dem größten Aufwärtspotenzial in den nächsten drei Jahren. Konkret sehen wir in diesem Ausverkauf Chancen sowohl bei japanischen als auch bei Technologieaktien.

Können Sie uns sagen, welche Trends Sie unabhängig von der aktuellen Börsenstimmung für Anleger interessant finden?

Technologie wird weiterhin im Mittelpunkt stehen, weil sie ein sehr grundlegendes wirtschaftliches Problem löst: Die Erwerbsbevölkerung altert weltweit rapide. Weniger Arbeitskräfte erfordern eine höhere Produktivität pro Arbeitskraft.

Der zweite langfristige Trend ist die Deglobalisierung. Die Pandemie hat gezeigt, dass Länder, die nicht in der Lage waren, eine Atemschutzmaske für fünf Cent herzustellen, gezwungen waren, ihre gesamte Wirtschaft stillzulegen. Die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten wird für diese Länder zu einer strategischen Notwendigkeit. Das bedeutet, dass die Effizienz der Lieferketten nicht mehr das einzige Ziel sein wird, wie es in den letzten 30 Jahren der Fall war.

Die US-Aktienmärkte haben in den letzten Jahren überdurchschnittlich performt. Wichtige Trends wie Digitalisierung und KI ging auf US-Unternehmen zurück. Wird das so bleiben oder erwarten Sie, dass andere Regionen in den Vordergrund rücken?

Meiner Meinung nach wird es so bleiben. Allein Microsoft und Amazon werden in diesem Jahr mehr als 100 Milliarden Dollar investieren. Mit dieser Feuerkraft können andere Regionen einfach nicht mithalten.

Immer wieder ist vom großen Nachholbedarf von Europa und von einer Unterbewertung die Rede. Kann Europa nun endlich aufholen?

Nein, das glaube ich nicht. Europa verlässt sich zu sehr auf sein Bankensystem, um Wachstum zu finanzieren. Das bedeutet eine sehr konservative Wirtschaftsweise. Im Vergleich zu Amerika gibt es sehr wenig Risikokapitalfinanzierung, um langfristiges, wachstumsstarkes und risikoreiches Kapital zur Verfügung zu stellen. Es gibt sehr wenig Kapitalmarktfinanzierung, um langfristiges, nachhaltiges Wachstumskapital bereitzustellen. Stattdessen ist Europa auf Banken angewiesen, die hohe Sicherheitsmargen und begrenzte Laufzeiten verlangen. Die Fähigkeit, eine Wirtschaft mit hohem Wachstum zu finanzieren, ist praktisch nicht vorhanden. Generell sehe ich daher in anderen Teilen der Welt bessere Wachstumschancen.

In den letzten zehn Jahren haben die Aktienmärkte der Schwellenländer im Vergleich zu Europa oder Asien enttäuscht. Erwarten Sie jetzt eine Trendwende?

Die Emerging Markets sind eine sehr heterogene Gruppe mit vielfältigen Anlagemöglichkeiten, die allerdings durch den Einbruch der Rohstoffpreise vor zehn Jahren in Mitleidenschaft gezogen wurden. Inzwischen haben viele dieser Länder wichtige Reformen durchgeführt, so dass ihr Wachstum nicht mehr so stark von den Rohstoffpreisen abhängt. Mexiko, eines unserer bevorzugten Investitionsziele, hat sich von einem Öl- und Kupferexporteur zu einem Nearshoring-Produktionszentrum für die USA gewandelt. Dies hat dazu geführt, dass der mexikanische Aktienmarkt in den letzten drei und fünf Jahren die meisten europäischen und asiatischen Märkte in US-Dollar deutlich übertroffen hat. Andere Schwellenländer wie China befinden sich jedoch nach wie vor in einer langfristigen Baisse. Es wird also Gewinner und Verlierer unter den Schwellenländern geben. Anleger sollten sie daher einzeln und nicht als monolithische Anlage betrachten.
 

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