Stagflations-Szenarien gewinnen an Relevanz
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
in China ist ein schwer verschuldeter Immobilienentwickler namens Evergrande heftig in Not geraten. Es ist von Verbindlichkeiten in der kaum vorstellbaren Größenordnung eines Bundeshaushaltes (300 bis 400 Mrd. US-Dollar) die Rede und es schwingt die Frage mit, ob der Fall des Unternehmens wie seinerzeit der Untergang der US-Investmentbank Lehman Brothers eine globale Finanzkrise verursachen könnte. Die kurze Antwort lautet: Nein, denn die Regierung in Peking kontrolliert weite Teile des chinesischen Bankensystems und dürfte es im Bedarfsfall – notfalls via Druckerpresse – stabilisieren. Auf einem anderen Blatt stehen jedoch die Fragen, ob sich das Vertrauen in die Werthaltigkeit chinesischer Immobilien bei allen Beteiligten (z.B. bei Käufern, Verkäufern, Eigentümern, Entwicklern, Bauunternehmern, Kreditgebern, Anlegern usw.) ebenso staatlich verordnet stabilisieren lässt und was für Effekte eine etwaige Erhöhung der Staatsverschuldung bzw. der Einsatz der Druckerpresse z.B. auf das Vertrauen internationaler Anleger in Bezug auf chinesische Staatsanleihen und die chinesische Währung zeitigen würde.
Goldman Sachs skizzierte jüngst drei Szenarien für die Frage, wie Probleme am chinesischen Immobilienmarkt, der lt. Financial Times unglaubliche 29% zum chinesischen BIP beitragen soll, dass 2022er-Wirtschaftswachstum belasten könnten. Im Basis-Szenario geht die US-Investmentbank von 1,5%-, im schlechtesten Fall („harte Landung“) von 4%-Punkten weniger Wachstum aus. Für den schlimmsten Fall unterstellen die Analysten beispielsweise ein 10%iges Schrumpfen der Immobilienverkäufe/Transaktionsvolumina.