Weidmannsheil
Die Fauna und Flora der Kapitalmärkte ist sich uneins darüber, ob denn nun die Vergänglichkeit der Inflation nur Jägerlatein ist oder als Metamorphose einer neuen Realität gilt. Befeuert wird die Diskussion in dieser Woche durch den Nestflüchter Jens Weidmann, der den Horst der Bundesbank verlässt, um nach eigenen Angaben ein neues Kapitel aufzuschlagen. Der Falke Weidmann, der stets für ein klares und stabiles Mandat der Notenbank stand und als Mahner der expansiven Geldpolitik auch den Tauben Draghi und Lagarde die Stirn bot, signalisiert mit seinem Rücktritt eines: Er sieht sich nicht mehr in der Lage, seine Vorstellung von Geldwertstabilität durchzusetzen. Was sagt uns das? Statt Weidmannsheil heißt es jetzt allenthalben Weidmannsdank und vergisst dabei, dass dies der Gruß der Jäger ist, wenn man ein Tier erlegt hat. Treffender kann man die aktuelle Situation damit nicht beschreiben. Und ist der Bär erlegt, dann geht es auch schon um die Verteilung seines Felles. Heißester Kandidat auf den Bundesbankvorsitz ist Jörg Kukies, der als Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen auch aktuell das richtige Parteibuch beim derzeitigen politischen Wildwechsel besitzt. Apropos:
Wildwechsel
Vor zwei Wochen habe ich Ihnen den wildesten (Richtungs-)Wechsel angekündigt: „Bitcoin auf dem Weg zu neuen Höchstständen“, war meine Aussage, als die 50.000 Dollar-Marke zurückerobert wurde. Und diese Woche war es soweit. Bis auf knapp 67.000 Dollar ist die Kryptowährung gestiegen. Der Markt für Bitcoinprodukte mauserte sich, nachdem der erste Bitcoin-ETF seine Zulassung erhalten hat. Die Laseraugen, das Symbol für die Rudelbildung der Bitcoinjünger, die an die 100.000 Dollar-Marke glauben, werden wieder zahlreicher. So mancher Geldanlage-Frischling wähnt sich schon als großer Kapitalmarkt-Platzhirsch. Apropos Platzhirsch: Donald Trump kommt mit starkem Brunftgebrüll zurück. Sein eigens soziales Netzwerk „Truth Social“ startet als Konkurrenz zu Twitter, Facebook und Co. „Follow the truth“ ist sein bescheidenes Credo, um nach seinen eigenen Worten „der Tyrannei von Big Tech die Stirn zu bieten“. Und weil der Jäger Trump den großen Auftritt liebt, gab er auch gleich bekannt, dass sein neuer Dienst über einen Börsenmantel (SPAC) als Aktie zu haben ist. Plus 300% legte daraufhin der SPACtakuläre Wert zu. Ab November startet die Beta-Version seines Netzwerkes, um im Revier von Twitter und Facebook zu wildern. Und weil Trump Erfolg auch über Kursentwicklungen definiert, sollten Sie den Wert im Auge behalten.
Wilderer
Eine ganz andere Fährte hat das deutsche Unternehmen Flixmobility (Flixbus) aufgenommen. Man wildert künftig in Übersee und hat kurzerhand die legendären US Greyhound-Busse übernommen. Flixbus wird damit sofort zur Nr.1 der amerikanischen Fernbusanbieter. Nicht schlecht für eine Münchner GmbH, die erst 2012 gegründet wurde, aber leider nicht an der Börse notiert. Was nicht ist, kann ja irgendwann noch werden. Übrigens: Seit 2018 bietet Flixmobility auch Flixtrain an und ist damit ins Schienengeschäft eingestiegen. Flugzeuge gibt es allerdings noch nicht, obwohl auch Flixplane oder Flixflight nicht schlecht klingen würde. Einen Flughafen hätten sie diese Woche mit Frankfurt-Hahn auch gleich kaufen können, aber stattdessen hat man diesen lieber pleitegehen lassen. Und sind wir mal ehrlich: Es kräht kein Hahn danach. Damit entlasse ich Sie heute aus meinen Fängen und freue mich, wenn Sie auch nächste Woche wieder etwas vom Greiff-Vogel lesen.
Ihr Volker Schilling
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