Märchenstunde
Es waren einmal vor langer Zeit Industriestaaten, die ihre Bürger dafür bezahlten, wenn sie sich Geld bei ihnen liehen. Diese Zahlungen nannten sie Zinsen. Aber als der Goldesel der Notenbanken Einzug hielt und Geld im Überfluss vorhanden war, wurde aus den Zinsen die böse Hexe Verwahrentgelt. Ungeachtet der Vorhersagen der Weisen, wurde das monetäre Schlaraffenland stetig größer, so dass der böse Wolf Inflation leichtes Spiel hatte. Er fraß den Bürgern das Geld ohne Zinsen und mit Verwahrentgelt stetig weg. Die Wirtschaft dagegen glaubte daran, dass man mit Hilfe dieser neuen monetären Theorie Stroh zu Gold spinnen kann. Jährlich trifft sich dazu ein Zirkel der Mächtigen in dem sagenumwobenen Städtchen Davos, um über das Schicksal der neuen Zauberwelt zu beraten. Diese Woche war es wieder soweit. Auf magisch digitale Weise begegnete man sich und der mächtige Xi Jinping aus dem großen Lande hinter den sieben Bergen gen Osten, schwor die Weltgemeinde auf eine stärkere Zusammenarbeit ein. Jedoch ließ er auch den Knüppel aus dem Sack und warnte die Goldesel der Notenbanken, auf keinen Fall zu schnell auf die billigen Taler zu verzichten. Und bot gleich sein eigenes Tischlein deck dich feil, denn die chinesische Notenbank senkte die Leitzinsen diese Woche und das trotz einem Wachstum von 8,1% in 2021. Letzteres könnte aber in Anbetracht der chinesischen Statistik auch Teil einer Märchenstunde sein.
Märchenfee
Die Märchenfee dagegen, quasi die unsichtbare Hand des Guten, hat in dieser Woche einen ganz anderen Zauber entfaltet. 10-jährige US-Staatsanleihen rentieren – wie ein Wunder – wieder bei 2% und die 10-jährigen deutschen Staatsanleihen sind seit 2019 erstmalig wieder positiv. Wer an Wunder glaubt, der sieht darin die anstehenden Zinserhöhungen der Notenbanken schon nahen. Wer allerdings dornröschenhaft im Tiefschlaf an eine vorübergehende Inflation glaubt, der wird an den durchwachsenen Quartalsergebnissen der US-Banken JP-Morgan, Citigroup, Blackrock und Goldman Sachs diese Woche seine Freude haben. Signalisieren sie doch als Vorboten, dass es keineswegs rund läuft in der Wirtschaft. Aber nicht nur die Inflation hat vom Tellerchen genascht, auch die Lieferengpässe ebben keinesfalls ab. Personal fehlt, aus sieben Zwergen sind drei geworden und die wollen mehr Lohn. Energie, Mieten, Rohstoffpreise und Lebenshaltungskosten steigen weiter. Also richten Sie sich besser darauf ein, dass es holpriger wird im monetären Hexenhaus der Börse. Der Märchenonkel dieser Publikation hat dazu selbst ein Interview mit einen Journalistenvampir namens Wallstreet online gegeben, welches Sie unter folgendem magischen Link im Zauberspiegel Ihres Rechners ansehen können. Kommen wir zu einem ganz anderen Ammenmärchen dieser Woche:
Märchenbuch
Einmal im Jahr lassen sich Unternehmen in ihre Bücher schauen. Bilanz heißt dieses magische Buch, spiegelt es doch die Finanzkraft und Power des Unternehmens wider. Ein besonders großer und potenter Märchenkönig unter den börsennotierten Unternehmen ist Microsoft, der diese Woche eine weitere, seine bisher größte Übernahme, bekannt gab. Den Spieleprinz Activision Blizzard lockte man mit 69 Milliarden amerikanischen Dukaten ins mediale Königreich von Microsoft und steigt damit zu einem der wichtigsten Anbieter im Gamingmarkt auf. Ganz anders dagegen das Schauermärchen bei Unilever, deren Übernahme der Konsumgütersparte von GlaxoSmithKline scheint geplatzt zu sein, nachdem man nicht noch eine Schippe Taler drauflegen will. Und das ist gut so, denn die Phantastillionen an Übernahmeprämien werden immer märchenhafter. In diesem Sinne – glauben Sie an das Gute. Und sofern ich nicht gestorben bin, werden Sie auch nächste Woche wieder von mir lesen.
Ihr Volker Schilling
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