Greiffbar - Investments zum Anfassen vom 11.02.2022

Anscheinend oder scheinbar?

Kennen Sie den Unterschied zwischen „anscheinend“ und „scheinbar“? Ganz einfach: Wenn die Notenbank sagt, die Inflation ist anscheinend vorübergehend, dann glaubt sie auch daran. Wenn sie allerdings verkündet, dass die Inflation scheinbar vorübergehend ist, dann glaubt sie dies selbst nicht und wahrt nur den Schein. Anscheinend ist Letzteres der Fall, wie die aktuellen Inflationszahlen von 7,5% aus den USA diese Woche zeigen. Es scheint sich die Erkenntnis durchzusetzen, dass man schleunigst die Zinsen anheben muss. Die Zinsscheine der 10-jährigen US-Staatsanleihen geben diese Woche die Richtung vor. Sie steigen wieder über 2% und signalisieren damit nicht nur steigende Zinsen, sondern auch ein Ende der Kursgewinne bei Anleihen. Und auch am deutschen Anleihemarkt schaut wieder der positive Zins durchs Unterholz der Staatsanleihen. Besonders hell strahlt es in der Peripherie Europas, denn die Zinsen für Griechenland und Italien könnten bald so grell leuchten, dass man sie als Warnbarken benutzen kann. Apropos Schein: Europas Notenbank-Chefin schlägt doch diese Woche allen Ernstes vor, dass man die Euro-Geldscheine mit neuen Motiven versehen soll. Promis statt Brücken sollen drauf. Scheinbar hat Christine Lagarde nichts Besseres zu tun.

Ausgeliefert oder ausgeliefert?

Eine Schlagzeile wie im Postillon, aber leider ohne Witz: Ein Lieferdienst, der nicht liefert, ist der Willkür der Börse ausgeliefert. Konkret: Delivery Hero liefert nicht! Mehr als 30% Kursverlust für die Aktie von Delivery Hero diese Woche, nachdem man die Zahlen verkündete. Umsatz ist zwar gestiegen, aber Gewinne rücken in weite Ferne. Der Verlust beträgt sage und schreibe 770 bis 870 Mio. Euro. Daraufhin lassen sich die Aktionäre im großen Stil ihr Geld gegen Rückgabe der Aktien ausliefern. Ist Delivery Hero damit geliefert? Na ja, es gibt noch 3 Mrd. Liquidität in der Kasse, aber wenn die Geldverbrennung so weitergeht, dann ist in drei Jahren Schluss. Die Kursentwicklung des DAX-Unternehmens ist ein Desaster. Sämtliche Coronagewinne als Profiteur von Essenlieferungen sind dahin, das Vertrauen der Aktionäre verspielt. Und auch die deutsche Börse hat mit der Einlieferung dieses Unternehmens in den DAX40 womöglich bald wieder ein Hero to Zero Problem. Kommen wir zu einer erfreulicheren Meldung diese Woche:

Verband oder verbinden?

Die deutschen Geldanleger verbinden Negativzinsen und hohe Inflation immer mehr mit dem Umstand, ihr Geld besser zu investieren. Raus aus Sparbuch, Festgeld und Co. und rein in Aktien und Fonds. So verkündete diese Woche der wichtigste Fondsverband des Landes, der BVI, dass 2021 ein Rekordjahr für die Branche war. 4,3 Billionen Euro verwalteten die Mitglieder des BVI, so viel wie nie zuvor. Auch der Zufluss in Investmentfonds lag 2021 auf einem Rekordwert. Anleger kauften für insgesamt 256 Mrd. Euro neue Fondsanteile. Die Wertpapieranlage findet damit endlich mehr Gehör bei den deutschen Sparern, und das ist gut so. Das Deutsche Aktieninstitut weist für 2021 eine interessante Zahl aus: 17,1% der Bevölkerung besitzen Aktien oder Aktienfonds. Das ist im internationalen Vergleich immer noch wenig und entspricht gerade einmal rund 12 Mio. Bundesbürger. Da geht noch mehr, allerdings ist die Zahl gegenüber 2020 mit 17,5% schon wieder etwas rückläufig. Dies liegt vielleicht daran, dass sich einige Neuinvestoren beim Ziel, schnell reich werden zu wollen, bereits wieder die ersten Wunden lecken. Aber dabei hilft bekanntermaßen ja auch ein gut angelegter Verband. In diesem Sinne bleiben Sie auch nächste Woche mit mir über diese Kolumne verbunden.

Ihr Volker Schilling
 

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