Flossbach von Storch - Impulse vom 26.06.2024
Gold ist so teuer wie nie. Ist der Preisanstieg zuletzt erst der Anfang gewesen? Und was bedeutet das für die Aktien von Minenbetreibern? Ein Gespräch mit unseren Kapitalmarktstrategen Thomas Lehr und Philipp Vorndran.
Nachdem der Goldpreis sich über der 2000-Dollar-Marke festgesetzt hat, rufen die ersten Analysten Preise von bis zu 5000 US-Dollar aus – in nicht allzu ferner Zukunft. Wie realistisch sind diese Prognosen?
Lehr: So realistisch wie fast alle Kapitalmarkt-Prognosen.
Vorndran: Mit anderen Worten: Sie sind unbrauchbar.
Lehr: Ganz so hart würde ich es nicht formulieren.
Vorndran: Wie denn?
Lehr: Ich nehme sie zur Kenntnis, lasse mich aber bei meinen Anlageentscheidungen nicht von ihnen leiten ...
Ihr traut der Rally also nicht?
Lehr: Das hat mit trauen oder misstrauen nichts zu tun. Wir würden uns nur hüten, kurz- und mittelfristige Prognosen herauszuposaunen, auch wenn diese sicherlich dankbar aufgenommen würden. Es wäre schlicht nicht hilfreich – und auch nicht seriös.
Vorndran: Wenn wir gezwungen wären, eine Prognose abzugeben, dann die, dass der Goldpreis in 20 Jahren vermutlich höher ist als heute.
Also ist der Aufwärtstrend intakt?
Vorndran: Langfristig ja.
Anders gefragt: Was treibt den Goldpreis denn derzeit, die Geopolitik – Ukrainekrieg und der Nahe Osten beispielsweise?
Lehr: Gold reagiert auf geopolitische Krisen nur sehr kurz, wenn überhaupt. Das ließ sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr gut nachvollziehen. Gold ist kein Krisenmetall, wie immer wieder und überall behauptet wird.
Auf was reagiert der Preis denn dann?
Vorndran: Das lässt sich leider nicht so einfach und pauschal sagen. Grundsätzlich ist Gold eine Währung, ein Wertaufbewahrungsmittel. Es gewinnt immer dann und vor allem dauerhaft an Bedeutung, wenn die Menschen skeptisch werden gegenüber anderen Wertaufbewahrungsmitteln, den Papierwährungen beispielsweise. Gegenüber Euro oder US-Dollar. Oder, oder, oder ... Fragt bitte die Türken, inwieweit sie ihrer Lira vertrauen.
Woher kommt denn die Skepsis derzeit?
Vorndran: Die Menschen spüren die Inflation. Im Supermarkt. An der Tankstelle. Aber auch bei der Vermögensanlage; das gilt insbesondere für Sparer, deren Vermögen ausschließlich auf Zinskonten liegt, deren Zins die Inflation nach wie vor nicht kompensiert. Die Kaufkraft schwindet. Gold gilt als langfristiger Inflationsschutz, zu Recht.
Lehr: Die Betonung liegt auch hier auf langfristig.
Vorndran: So ist es. Kurzfristig ist der Goldpreis sehr schwankungsanfällig.
Nun ließe sich einwenden, dass die Inflation deutlich zurückgegangen ist in den vergangenen Monaten ...
Lehr: Ich wäre vorsichtig, zu glauben, der Kampf der Notenbanken gegen die Inflation sei bereits gewonnen.
Also sollten die Leitzinsen besser nicht gesenkt werden?
Vorndran: Die Notenbanken sollten zumindest behutsam vorgehen.
Warum?
Lehr: Ich möchte mir nicht ausmalen, was passieren könnte, wenn der Zins zu schnell und zu deutlich gesenkt und die Inflation in der Folge wieder deutlich zulegen würde.
Vorndran: Es wäre vor allem ein fatales Signal! Frei nach dem Motto: Die Notenbanken haben die Sache nicht mehr im Griff. Das Vertrauen in die Notenbankpolitik wäre erschüttert.
Lehr: Die meisten Leser werden es sicherlich nicht mehr lesen und hören können, so oft haben wir den folgenden Satz schon gebracht: Für uns ist Gold wie eine Feuerversicherung. Eine Versicherung gegen die unbekannten und bekannten Risiken des Finanzsystems ...
Vorndran: Und zu denen gehört sicherlich ein Vertrauensverlust in die Geldpolitik der Notenbanken.
Der Goldpreis auf Allzeithoch, die Kurse der Minenbetreiber dagegen noch weit von ihren Höchstkursen entfernt – wie passt das zusammen?
Vorndran: Grundsätzlich ist es so, dass Goldaktien kein Ersatz für Gold sind – keine Versicherungspolice. Goldminen unterliegen nicht zuletzt den klassischen Unternehmensrisiken. Was derzeit bedeutet, dass Goldminenbetreiber mit deutlich höheren Kosten zu kämpfen haben, nehmen wir die Energiepreise als Beispiel.
Lehr: Die Inflation macht eben nicht vor denen Halt, die ein Gut produzieren, das gegen den Kaufkraftverlust schützen soll …
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