„Das Verhältnis zwischen Wachstum und Bewertung ist zentral“
Florian Romacker, FRAM Capital GmbH, über die Attraktivität der nordischen Volkswirtschaften und den Investmentansatz des FRAM Capital Skandinavien (WKN: A2DTLZ)
Herr Romacker, was macht aus Ihrer Sicht die Region Skandinavien für Anleger interessant und wie kommen die Länder durch die Corona-Krise?
Romacker: Makroökonomisch ist die Region extrem stabil. So hat Schweden eine Verschuldungsquote von gerade einmal 39%. Zum Vergleich: Die Eurozone liegt bei über 100%. Die Region ist in vielen Segmenten hochinnovativ, von Technologie über Medizintechnik bis zum Maschinenbau. Hinzu kommt, dass die Skandinavier eine gewachsene Aktienkultur und ein gutes Investitionsklima haben. Der Umgang mit Corona in den Ländern war unterschiedlich. Schweden lag mit seiner Laissez-faire-Politik mit 115 Toten je 100.000 Einwohner etwa gleichauf mit Frankreich. Besonders erfolgreich sind Norwegen und Finnland, die mit gezielten Lockdowns die Todesraten niedrig gehalten haben. Ökonomisch war in den skandinavischen Ländern der Schaden geringer als in anderen Regionen. Nach aktuellen Schätzungen ist die Wirtschaftsleistung in den nordischen Volkswirtschaften um 2,7% zurückgegangen, während die EU bei einem Minus von 6,6% liegt.
Norwegen hat seinen Wohlstand zu einem großen Teil der Ölförderung zu verdanken. Wie sehen Sie die Zukunftsaussichten für das Land in einer Zeit, in der die Transformation zugunsten erneuerbarer Energien in vollem Gange ist?
Romacker: Aus meiner Sicht kann Norwegen noch 20 bis 30 Jahre gute Einnahmen aus dem Ölgeschäft verbuchen. Viele norwegische Ölfelder haben Produktionskosten von unter 20 USD – das ist im Vergleich sehr günstig. Interessanterweise treibt Norwegen wie kaum ein anderes Land die E-Mobilität voran. Etwa die Hälfte der in Oslo im Januar zugelassenen Autos sind E-Autos. Selbst Equinor, der größte Ölwert des Landes, hat zu rund 20% unternehmerische Aktivitäten im Segment erneuerbare Energien. Wasserstoffunternehmen wie Nel oder Hexagon Purus sind ebenfalls in Norwegen beheimatet.
Apropos Wasserstoff – in dem Segment herrscht ein regelrechter Hype. Wie sehen Sie die aktuellen Bewertungen?
Romacker: Von der Aktie von Nel, die über dem 50-fachen Umsatz bewertet ist, habe ich mich getrennt, weil sie aus meiner Sicht zu teuer ist. Ich tue mich schwer mit Bewertungen, die rechnerisch für mich nicht mehr nachvollziehbar sind. Als Alternative habe ich in einen noch nicht so hoch bewerteten kleineren Titel investiert, die Hydrogen Pro.
In den vergangenen Jahren konnten skandinavische Aktien über einen längeren Zeitraum den EURO STOXX 50 deutlich outperformen. Was sind die Gründe?
Romacker: Hier spielt die bereits angesprochene hohe Innovationskraft skandinavischer Unternehmen eine wesentliche Rolle. Mehr „New Economy“ und weniger „Old Economy“ ist die Devise. Zudem kommen Firmen sehr leicht an Risikokapital, weil die Skandinavier bereit sind, in einer sehr frühen Phase Geld zu geben. Im vergangenen Jahr wurden über 50 Börsengänge in der nordischen Region durchgeführt. Damit liegt Skandinavien bei IPOs in Europa an der Spitze.
Wie würden Sie den Investmentansatz des FRAM Capital Skandinavien beschreiben und warum fokussieren Sie sich stark auf Nebenwerte?
Romacker: Grundsätzlich investiert der Fonds in Unternehmen aller Marktkapitalisierungen. Für das Portfolio sind aber vor allem strukturell wachsende Unternehmen mit einer herausragenden Stellung in einer Nische besonders interessant. Der Vorteil bei Nebenwerten liegt darin, dass man an den Erfolgen schon sehr früh partizipieren kann. Unter den Sektoren liegt ein Fokus auf erneuerbaren Energien, digitaler Infrastruktur, Medizintechnik und Technologie. Darüber hinaus schätze ich besonders Geschäftsmodelle, die nicht konjunkturabhängig sind.
Können Sie Investmentbeispiele nennen? Auf welche Fundamentaldaten achten Sie und wann ist der Zeitpunkt, zu verkaufen?
Romacker: Im Portfolio ist die Aktie von GN Store Nord, einem führenden Hersteller und Oligopolisten bei Hörgeräten aus Dänemark. Daneben gibt es noch ein zweites Standbein: Unter dem Markennamen Jabra bietet das Unternehmen Büro-Headsets und Videokonferenzsysteme an. In diesem Geschäftsbereich gehört der Konzern zu den Corona-Gewinnern. Ein weiterer interessanter Wert ist Mercell, eine Digitalplattform für Ausschreibungen, die voriges Jahr an die Börse gegangen ist. Das Unternehmen ist Marktführer in dieser Nische in Schweden und Norwegen. Voraussichtlich werden diese Dienstleistungen durch Compliance-Vorgaben auch im übrigen Europa zunehmend gefragt. Über eine solche Plattform wäre beispielsweise in Deutschland ein transparenter Einkauf von FFP2-Masken mit definierten Qualitätskriterien problemlos möglich gewesen. Bei den Fundamentaldaten achte ich sehr auf die Free-Cashflow-Rendite. Bei GN Store Nord lässt sich das gut rechnen; bei einer neuen Firma wie Mercell ist das schwieriger. Hier muss das Wachstum entsprechend hoch sein. Das Verhältnis von Wachstum und Bewertung ist eine zentrale Kennzahl für meine Titelselektion. Die Frage nach dem richtigen Verkaufszeitpunkt ist die schwierigste überhaupt. Wenn ich in den letzten zwölf Monaten einen Fehler gemacht habe, war es der, dass ich einige Titel zu früh verkauft habe. Mittlerweile nutze ich Stopps, die ich nachziehe. Solange also ein Titel ein entsprechendes Kursmomentum aufweist, bleibe ich investiert.
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