Flossbach von Storch - Marktkommentar vom 11.10.2019

Bemerkenswertes Quartal

Die vergangenen Monate standen einmal mehr im Fokus der großen Notenbanken. Mario Draghi, der scheidende Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), hatte auf dem jährlichen Notenbanker-Treffen in Jackson Hole im August hohe Erwartungen geweckt, was mögliche neue geldplitische Stimuli betrifft. Der Instrumentenkasten der EZB sei noch lange nicht ausgeschöpft. Und auch in den USA rückte die Notenbank Federal Reserve (Fed) weiter von ihrem Pfad der "Normalisierung" ab und deutete an, dass man angesichts der sich eintrübenden Konjunktur möglicherweise reagieren und die Geldpolitik einmal mehr lockern statt straffen müsse.

In diesem Umfeld wurden gleich mehrere Rekorde gebrochen:

  • zehnjährige Bundesanleihen erreichten einen historischen Tiefstand von minus 0,7 Prozent.
  • die Bundesrepublik emittierte erstmals eine 30-jährige Anleihe mit einem Kupon von null Prozent (die Emissionsrendite lag sogar bei minus 0,11 Prozent)
  • 30-jährige US-Staatsanleihen rentierten erstmals unter zwei Prozent.
  • der US-Aktienindex S&P 500 auf einem Rekordhoch von 3.026 Punkten.
  • der Goldpreis kletterte - in Euro gerechnet - auf einen historischen Höchststand (1.410 Euro).

Die Erwartungen an die Notenbanken waren zu hoch, wie dann der September gezeigt hat. EZB-Chef Draghi gab im Anschluss an die EZB-Sitzung zwar bekannt, dass der Einlagenzins von -0,4 auf -0,5 Prozent reduziert und die Anleihekäufe ab November (20 Mrd. Euro monatlich) wieder aufgenommen würden. Den Investoren gingen die Maßnahmen jedoch nicht weit genug. Die Anleiherenditen stiegen, der Aktienmarkt geriet zeitweise unter Druck.

Die Zinsen bleiben tief

Wenige Tage später zog die US-Notenbank Fed angesichts der sich abschwächenden Konjunktur nach und senkte ihren Leitzins um 25 Basispunkte auf ein Band zwischen 1,75% bis 2,00%. US-Präsident Trump, dem die Maßnahmen nicht weit genug gingen, kritisierte daraufhin Fed-Chef Powell scharf.
Unter dem Strich bestätigen die jüngsten Notenbank-Entscheidungen aber einmal mehr unsere Einschätzung, dass das globale Zinsniveau noch sehr lange sehr niedrig bleiben wird. Eine Zinswende nach oben wird es unseres Erachtens nicht geben, angesichts der massiven Verschuldung, insbesondere in der Eurozone, nicht geben können. Ende September hatten weltweit Anleihen im Gegenwert von 18 Billionen Euro eine negative Rendite.
Wer einen langen Anlagehorizont hat, sollte sich angesichts des "Permafrosts" beim Zins Gedanken über seine Anlagestrategie machen. Dies gilt vor allem für jüngere Menschen, denen der Nullzins die Chance raubt, mit sicheren Zinsanlagen für später vorzusorgen. Aber auch für Lebensversicherungen und Pesionskassen, die traditionell den größten Teil ihrer Mittel in Anleihen investiert haben, wird die Sache langsam eng. Sich suchen ihr Heil zunehmend in der Vergabe von Realkrediten (besicherte Darlehen) oder bei Anleihen, die solche Kredite bündeln, um als liquide, sicher und ertragreich zu gelten. Inzwischen entwickelt sich eine ganze Verpackungsindustrie, die davon profitiert, dass ihre Kundschaft regulatorisch gezwungen ist, den größten Teil ihrer Anlagen in sichere bzw. als sicher eingestufte Anleihen zu investieren.

Aktien mit bestem Chance-Risiko-Profil

Privatanleger werden mit fantastischen Zinsangeboten obskurer Internetanbieter oder geschlossener Fonds geködert, die hohe laufende Ausschüttungen aus Container-, Schiffs- oder Infrastrukturanlagen versprechen, gerne mit einem grünen Siegel garniert, um auch das Umweltbewusstsein zu adressieren.
Dagegen wird die einzige Anlageklasse, die hohe laufende Erträge, Liquidität und langfristige Wertsteigerung kombiniert, von vielen Anlegern verschmäht. Während Pensionskassen und Lebensversicherungen diese Abstinenz noch mit regulatorischen Zwängen begründen können, gilt dies für Privatinvestoren, Stiftungen und Pesionsfonds nicht. Wer über einen langen Anlagehorizont verfügt und sein Vermögen auf- oder ausbauen und gegen Inflation schützen möchte, wer Stiftungsprojekte oder langfristige Zahlungsversprechen finanzieren muss, kommt nicht umhin, einen signifikanten Anteil seiner Anlagemittel in Aktien zu investieren. Die damit verbundenden Kursschwankungen mögen kruzfristig unanagenehm sein, sind aber im Vergleich zum sicheren (realen) Verlust der meisten anderen Anlagen das kleinere Übel.
Auf Sicht von fünf bis zehn Jahren werden Aktien von Unternehmen überdurchschnittlicher Qualität mit vergleichsweise sicheren und wachsenden Cashflows unseres Erachtens einen deutlich höheren Gesamtertrag (Kursentwicklung und Dividende) erreichen als alle anderen liquiden Anlageformen.


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