Flossbach von Storch - Marktkommentar vom 10.10.2018

Wie lange trägt die US-Rally?

Nehmen wir die gesamte Welt zum Maßstab, zeigen sich an den Aktienmärkten deutliche Bewertungsunterschiede. In den USA beispielsweise ist die durchschnittliche Bewertung von Aktien vor allem aufgrund der starken Gewinndynamik der US-Technologieunternehmen deutlich höher als an den Börsen der anderen entwickelten Länder. Während das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis in den USA 17 beträgt, liegt der Wert in Europa und Japan bei etwa 14 (jeweils für die in den kommenden zwölf Monaten erwarteten Gewinne).

Die Kursgewinne des breiten amerikanischen S&P 500 sind jedoch durch den Anstieg der Unternehmensgewinne untermauert. Nachdem der Aktienmarkt bis 2013 der Entwicklung der Unternehmensgewinne hinterherlief und die Bewertung deshalb sehr niedrig war, hat sich das Bild seit Anfang 2014 gewandelt. Seither sind die Kurse um 59 Prozent und die Unternehmensgewinne um 44 Prozent gestiegen. Drei Viertel des Kursanstiegs seit 2014 sind also auf den Anstieg der Unternehmensgewinne zurückzuführen, wobei die US-Steuerreform nicht unwesentlich zum Gewinnwachstum beigetragen hat. Ein Viertel des Kursanstiegs ist dem Anstieg der Bewertung geschuldet.

Die höhere Bewertung in den USA ist aber nicht das Ergebnis fallender Zinsen; seit 2014 ist der US-Leitzins von 0 auf 2,25 Prozent gestiegen, und auch die Renditen von Staatsanleihen sind heute höher als 2014 (bei Laufzeiten bis zehn Jahren).
Wenn die Bewertung von Aktien steigt, sinkt die Gewinnrendite (der Unternehmensgewinn geteilt durch den Börsenwert). Wenn die Rendite von Staatsanleihen steigt, fällt der als Risikoprämie bezeichnete Renditeaufschlag von Aktien gegenüber Staatsanleihen.
Aktuell liegt die Gewinnrendite mit 5,9 Prozent noch 2,8 Prozentpunkte über der Rendite von Staatsanleihen. Das ist zwar weniger als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre – und liegt deutlich unter den Spitzenwerten von sechs oder gar sieben Prozent –, ist aber höher als
in den 20 Jahren zuvor. In den neunziger Jahren war die Bewertung von Aktien in etwa auf dem heutigen Niveau, das Zinsniveau lag aber deutlich höher. Solange die US-Wirtschaft und die Unternehmensgewinne wachsen, sind moderat höhere Zinsen kein großes Risiko für den
Aktienmarkt. Eine Rezession allerdings schon.

Rezessionen lassen sich aber nicht vorhersehen. Das hat die Finanzkrise 2008/2009 eindrucksvoll gezeigt. Trotzdem wird der kurzfristigen Konjunkturentwicklung an den Finanzmärkten viel Beachtung geschenkt. Statt sich permanent den Kopf über die nächste Rezession und die kurzfristigen Perspektiven des Aktienmarktes zu zerbrechen, ergibt es sehr viel mehr Sinn, sich auf das langfristige Ertragspotenzial nachhaltig erfolgreicher Unternehmen zu konzentrieren.


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