Aktien sind nicht zu teuer
Die Inflation ist derzeit das große Thema an den Kapitalmärkten. Was der Anstieg der Güterpreise für Investoren bedeutet.
Es spricht viel dafür, dass die Inflation in den nächsten Jahren deutlich höher sein wird als in der vergangenen Dekade. Da eine echte Zinswende, die das Zinsniveau wieder auf oder über das Inflationsniveau heben müsste, nicht praktikabel ist, wird der Realzins noch lange Zeit unter null bleiben.
Während der Staat sich mit dieser Art von Finanzrepression sukzessive seiner Schulden entledigen kann, verlieren die Sparer einen Teil ihres Vermögens. Schon ein negativer Realzins von drei Prozent bedeutet nach zehn Jahren einen realen Vermögensverlust von 26 Prozent. Anleihen bleiben also ein Verlustgeschäft – zumindest, wenn man eine reine Kauf-und-Halte-Strategie betreibt.
Anleiheinvestoren müssen opportunistisch vorgehen
Investoren, die regulatorisch gezwungen sind, große Teile ihres Vermögens in Anleihen zu halten, können allenfalls durch geschicktes Timing versuchen, das ein oder andere Prozent aufzusammeln. Inflationsgeschützte Anleihen bieten entgegen ihrer Bezeichnung nicht zwangsläufig einen vollen Inflationsschutz.
Wer dagegen in einer langanhaltenden Phase negativer Realzinsen sein Vermögen erhalten oder vermehren möchte, muss einen nennenswerten Teil in Sachwerte investieren. Im liquiden Bereich sind dies vor allem Aktien und Gold. Bitcoins sind zwar keine Sachwerte, könnten sich dank ihrer begrenzten Vermehrbarkeit langfristig aber auch als Inflationsschutz erweisen, sofern sie zukünftig von immer mehr Menschen als Wertaufbewahrungsmittel akzeptiert werden.
Noch überwiegt zwar das Spekulationsmotiv, wie die extremen Preisschwankungen verdeutlichen. Allerdings dürfte die Bitcoin-Anhängerschaft inzwischen groß genug sein, um der Kryptowährung einen festen Platz in den Portfolios vieler Anleger zu sichern, was für die beliebig vermehrbaren „Krypto-Tulpen“ nicht gilt.
Dagegen hat das eher langweilige Gold seine Eignung als Inflationsschutz bereits über tausende Jahre bewiesen, woran sich trotz der neuen Konkurrenz durch Bitcoins nichts ändern dürfte.
Den Schwerpunkt einer Antiinflationsstrategie bilden aber weiterhin Aktien. Zwar sind die Kurse im vergangenen Jahr deutlich gestiegen, doch haben auch die Unternehmensgewinne erheblich zulegen können. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von US-Aktien beträgt 26 (gemessen am S&P 500), wenn man die Gewinne der vergangenen zwölf Monate zugrunde legt. Blickt man nach vorne und zieht bei der Berechnung die um 19 Prozent höheren Gewinnerwartungen für das Jahr 2022 heran, sinkt die Bewertung auf ein KGV von 21.
Der Dax ist nicht der S&P 500
Im historischen Vergleich ist zwar auch dies noch ein hoher Wert, der sich allerdings im Kontext des heute viel niedrigeren Zinsniveaus relativiert. Ein ähnliches Bild ergibt sich naturgemäß beim MSCI-Weltindex, der zu fast 70 Prozent aus US-Aktien besteht. Im Vergleich dazu erscheinen die Aktien des Dax mit einem KGV von 15 fast wie ein Schnäppchen. Dies liegt vor allem an einem chronischen Mangel an großen Wachstumsunternehmen aus dem Technologie-, Konsumgüter- und Finanzdienstleistungssektor und einer sehr niedrigen Bewertung der Automobilaktien, für die Anleger derzeit nur das 6- bis 7-Fache des aktuellen Jahresgewinns zu zahlen bereit sind.
Da die Bewertung eines Unternehmens auf die zukünftigen Gewinne bzw. Cashflows ausgerichtet sein muss, gilt es, die zukünftigen Erträge bzw. das Wachstumspotenzial einigermaßen treffend abzuschätzen und mit einem angemessenen Risikoabschlag zu diskontieren. Bei etablierten Unternehmen mit einem kontinuierlichen und gut planbaren Wachstum, wie beispielsweise Nestlé, Procter & Gamble oder Microsoft, ist dies einfacher als bei relativ jungen Wachstumsunternehmen, deren Weg zum Erfolg mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet ist.
Deshalb müssen die oft glanzvoll erscheinenden, aber vergleichsweise unsicheren Zukunftsaussichten auch mit einem höheren Risikoabschlag bewertet werden, als dies bei Unternehmen mit sehr planbaren Entwicklungen der Fall ist.
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