Gestiegene Strom- und Gaspreise bringen Unternehmen in Bredouille und treiben die Inflation
Der europäische Strommarkt ist weiterhin in Aufruhr, die Rekordpreise halten aber nicht nur Verbraucher in Atem. Exemplarisch anhand von zwei Unternehmen in Europa - die deutsche Uniper und die französische EDF analysiert Dr. Volker Schmidt, Senior Portfolio Manager bei Ethenea Independent Investors S.A., den Markt und seine Mechanismen.
Verlustreiche Termingeschäfte
Anfang des Jahres hatte sich Uniper erst 10 Milliarden Euro an zusätzlichen Kreditlinien gesichert, um fällige Marginzahlungen leisten zu können. Marginzahlungen sind eher durch spekulative Geschäfte von Hedgefonds und Banken bekannt. „Aber auch im Stromhandel sind Spekulation und Sicherungsgeschäfte an der Tagesordnung,“ so Schmidt. Uniper verkaufe zumeist an Großhändler. Um sich gegenüber den Schwankungen des Marktpreises abzusichern und eine verlässliche Kalkulationsgrundlage zu haben, nutze Uniper Terminkontrakte und sichere sich so bereits heute den Verkaufspreis für die zukünftige Stromproduktion. „Allerdings führt der dramatische Anstieg der Strompreise dazu, dass Uniper ohne diese Termingeschäfte viel höhere Preise hätte erzielen können. Zugleich hat sich der Wert der Sicherungsgeschäfte stark negativ entwickelt und die Kontrahenten von Uniper können jetzt Sicherheiten fordern, um bei einem Ausfall von Uniper abgesichert zu sein. Der Verlust von Uniper aus dem Sicherungsgeschäft ist nämlich der Gewinn des Kontrahenten,“ erläutert Dr. Volker Schmidt. Die Verluste würden zwar durch höhere Einnahmen beim Verkauf des Stroms durch die Abnehmer teilweise wieder ausgeglichen, jedoch erscheine es wenig beruhigend, dass ein Unternehmen plötzlich 10 Milliarden Euro an zusätzlichen Sicherheiten benötigte. „Das größte Risiko für Uniper besteht aktuell darin, dass ihre Kunden ausfallen und letztlich die hohen Stromkosten nicht bezahlen können,“ so Schmidt.
Anders gelagert ist laut Dr. Volker Schmidt das Problem dagegen bei EDF: „Die französische Regierung hat beschlossen, aufgrund der hohen Inflation sowie der steigenden Energiepreise, die Verkaufspreise für EDF zu begrenzen. EDF rechnet daher mit einer Minderung des EBITDA für 2022 von ca. 8 Milliarden Euro.“ Die drei großen Ratingagenturen hätten eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit von EDF angedroht oder sogar bereits vollzogen, so der Portfoliomanager. „Schlechtere Einstufungen bedeuten in der Konsequenz höhere Refinanzierungskosten sowie eine geringere Investitionsfähigkeit und damit normalerweise auch höhere Strompreise. Da dieser Weg nicht mehr gangbar ist erwarten wir eine Abfederung der Maßnahmen durch den französischen Staat, der ohnehin mit 80 % Mehrheitsaktionär bei EDF ist und mit seinen Maßnahmen den Konzern erst in Schwierigkeiten gebracht hat.“
Die EZB bleibt vorsichtig
Neben den Problemen bei den Versorgern habe der deutliche Anstieg der Strom- und Gaspreise laut Dr. Volker Schmidt auch einen signifikanten Einfluss auf die Inflation in der Eurozone, welche im Januar 2022 eine neue Spitze von 5,1 Prozent erreichte. Die Energiepreise seien im Januar 2022 sogar um über 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. „Der Druck auf die EZB steigt, Maßnahmen zur Eindämmung der Inflation zu ergreifen,“ erläutert der Portfoliomanager. „EZB-Chefin Christine Lagarde wird aber nicht müde zu betonen, dass eine schnelle Straffung der Geldpolitik nicht gerechtfertigt sei. Die EZB erwartet weiterhin, dass die Inflation 2023 und 2024 wieder unter ihre Zielmarke von 2 % fallen wird.“
Die aktuell erhöhten Inflationsraten sind, so Schmidt, auf anhaltende Lieferengpässe und die hohen Energiepreise zurückzuführen, die aber kaum von der EZB beeinflusst werden können. „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Inflation gegen Ende 2022 wieder nachlassen wird, aber ein Rückgang unter 2 Prozent erscheint uns nahezu ausgeschlossen.“ Die Preisbewegungen an den Finanzmärkten würden derweil die Erwartung einer baldigen Zinserhöhung implizieren. Bei ihrer ersten Sitzung im laufenden Jahr habe die EZB eingeräumt, dass die Inflation anhaltender als angenommen sei und die Möglichkeit einer Zinserhöhung für das vierte Quartal 2022 ins Spiel gebracht. Dr. Volker Schmidt prognostiziert: „Insbesondere nach dieser Sitzung erwarten wir bei Ethenea keinen deutlichen Anstieg der Langfristzinsen in der Eurozone über die bereits höheren Level hinaus.“ Der Anstieg der Renditen in den ersten Januar- und Februarwochen 2022 sei ebenfalls eine Folge des Abrückens der Fed von ihrer sehr lockeren Geldpolitik, das nun früher als zuvor erwartet vollzogen werde. Die EZB werde jedoch langsamer voranschreiten. „Die Käufe unter dem pandemischen Anleihekaufprogramm (PEPP) werden zwar Ende März 2022 eingestellt. Dafür laufen aber die kleineren Programme (APP) mindestens bis zum Ende des dritten Quartals weiter. Erst wenn auch diese Ankaufsprogramme beendet sind, ist eine erste Zinserhöhung durch die EZB möglich. Damit rechnen wir nun im vierten Quartal 2022,“ so der Experte.
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