Amundi Marktkommentar vom 08.03.2023
Das neue Jahr ist zwar erst wenige Wochen alt, doch die Stimmung an den Kapitalmärkten hat sich in dieser kurzen Zeit bereits deutlich verändert. Was das mit der hartnäckig hohen Inflation und den Erwartungen an die Notenbanken zu tun hat, erläuterten die Chefstrategen und CIOs von Amundi Deutschland und HypoVereinsbank, Thomas Kruse und Dr. Philip Gisdakis, auf der „Partnerkonferenz 2023 – HVB meets Amundi“, die am 2. März stattfand.
Herr Kruse, zu Jahresbeginn gab es überraschend positive Signale bei einigen Herausforderungen, etwa der Energieknappheit, der hohen Inflation oder der Lieferkettenproblematik. Die Märkte zeigten sich daraufhin recht optimistisch. Warum belasten nun gerade positive Konjunkturdaten den aktuellen Ausblick auf die nächsten Monate?
Kruse: Das hängt stark mit den Erwartungen zur Leitzinspolitik der Notenbanken zusammen. Denn die Inflationsraten bleiben leider weiter hoch und das dürfte die Notenbanken dazu animieren, die Zinsen doch etwas stärker anzuheben, als noch vor kurzem erwartet. Nun richten wir uns doch eher auf einen Höchstzinssatz – die sogenannten Terminal Rate, ab der die US-Notenbank die Leitzinsen wieder senkt – von 5,5% oder gar 6% ein, statt auf die 5-%-Prognose zum Jahreswechsel. Auch im Euroraum zeigt sich nun ein deutlicher Umschwung zur zwischenzeitlichen Entspannung. So liegen die 2jährigen Bundesanleihen beispielsweise mit aktuell 3,2% auf ihrem höchsten Niveau seit der Finanzkrise vor nunmehr 15 Jahren. Diese Aussicht auf weiter steigende Zinsen hat die Aktienmärkte wieder etwas eingebremst, weil diese die Konjunktur weiter unter Druck setzen könnte.
Herr Gisdakis, auf welche Formel würden Sie die aktuelle Lage an den Kapitalmärkten bringen?
Gisdakis: Ich würde sagen, die Energiekrise in Europa entwickelt sich moderater als befürchtet und die US-Inflation hält sich hartnäckiger als erhofft. Das ist, wenn man so will, die umgedrehte Erwartungshaltung, die Ende letzten Jahres unter Expertinnen und Experten dominierte. Da diese Weltsicht auch viele Ausblicke auf das Börsenjahr sowie Kurs- und Indexprognosen geprägt hat, sollte man aktuell auch die ein oder andere Strategie neu justieren. Denn die kurzfristige ökonomische Datenlage ist ab jetzt entscheidend für die Zentralbankpolitik, die somit auch schwerer prognostizierbar wird. Das gilt sogar für die Notenbanken selbst, die nun nicht mehr – und anders als bisher – eine belastbare „Guidance“ oder Orientierung über ihre Maßnahmen geben können.
Inwiefern?
Gisdakis: Die Zentralbanken entscheiden nun von Sitzung zu Sitzung und sie beziehen auch relativ kurzfristige Daten und somit auch eher volatile Datenpunkte mit ein, wie zum Beispiel die jüngsten Inflationsraten. Und diese schwanken zum Teil so stark, dass die Prognosen zur kurzfristigen Ausrichtung der Geldpolitik selbst für die Notenbanken erschwert sind.
Was heißt das konkret für Kapitalanlegerinnen und -anleger?
Kruse: Sie sollten sich auf Volatilität an den Märkten einstellen. Wir sprechen zudem von geringer Visibilität, also Sichtbarkeit, wenn wir die Auswirkungen der Geldpolitik auf die Konjunktur analysieren wollen. Diese eher kurzfristige Ausrichtung macht eine gewisse Flexibilität in der Anlagestrategie nötig.
Maßgeblich für die Geldpolitik der Notenbanken dürfte – wie eben erwähnt – weiterhin die Entwicklung der konkreten Inflationszahlen sein. Wie schätzen Sie diese kurz- und mittelfristig ein?
Kruse: Die gute Nachricht ist, dass die Inflation ihren Höhepunkt wohl bereits überschritten hat. Doch für uns verdichten sich die Signale, dass die Inflation nicht so deutlich wie erhofft zurückgeht und uns noch eine gute Weile begleiten wird. Dafür sprechen die robusten Wirtschaftsdaten, aber auch der sprunghafte Anstieg bei den Löhnen und Lohnforderungen. Deshalb erwarten wir, dass die Notenbanken noch etwas stärker und über einen längeren Zeitraum eingreifen werden, auch wenn die Wachstumserwartungen an die Wirtschaft darunter leiden sollten.
Gisdakis: Mittel- bis langfristig können wir uns aus meiner Sicht darauf verlassen, dass die Notenbanken die Inflation wieder in den Griff bekommen. Ob wir auf dem Weg dahin aber noch höhere Leitzinsen sehen werden, in Europa beispielsweise mit 50, 100 oder gar 150 Basispunkten über dem heutigen Niveau, wird aber letztlich entscheidend sein. Ebenso wie die Frage, wie lange die Zinsen auf diesem hohen Niveau verbleiben.
Womit rechnen Sie?
Gisdakis: Das wird sich wahrscheinlich über das Jahr 2023 hinausziehen. Deshalb glauben wir auch, dass Wirtschaft und Unternehmensgewinne heuer seitwärts tendieren. Allerdings halten wir das Risiko einer ausgeprägten Rezession für begrenzt. Eher rechnen wir mit einer gewissen Volatilität der Kurse an den Aktienmärkten bei gleichzeitig stabilen Fundamentaldaten.
Was bedeutet das für die Börsen?
Kruse: Wir dürften 2023 einen häufigen Favoritenwechsel sehen. Mal könnten defensive Anlageklassen wie Staatsanleihen im Vorteil sein, dann wieder defensive Sektoren oder Einzeltitel, die zins- oder konjunktursensitiv sind. Das ist übrigens ein Umfeld, in dem aktiv gemanagte, globale Multi-Asset-Fonds ihre Stärken haben und die bereits erwähnte Flexibilität ausspielen können. Mit Blick auf das wieder erstarkte Zinsniveau oder das anziehende Dividendenwachstum, könnte zudem ein Fokus auf ertragsorientierte Mischfonds bei der Kapitalanlage besonders attraktiv sein.
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Rechtliche Hinweise
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