Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 28.10.2022
Für die Anleger ist es sicher ein Anlass zur Freude, dass das Jahresende 2022 naht. Für die Weltwirtschaft war der Weg in diesem Jahr voller Fallstricke: geopolitische Turbulenzen, enttäuschende Wachstumsraten, eine merkliche Inflationsbeschleunigung und die schnellsten Zinserhöhungen seit Jahrzehnten.
Die Finanzmärkte wurden davon spürbar in Mitleidenschaft gezogen. Nach kräftigen Rallys in den Jahren 2020 und 2021 notieren globale Aktien in diesem Jahr bisher um über 20% im Minus. Für globale Anleihen – die normalerweise in turbulenten Zeiten einen stabilisierenden Effekt haben – war es das schwächste Jahr seit 1926.
Wie geht es weiter? Es ist ganz normal, dass man als Anleger auch immer mal wieder Hürden zu überwinden hat. In jüngster Zeit fielen die finanziellen Daten tendenziell eher günstig aus – nicht zuletzt, weil die Erwartungen so niedrig gesteckt waren. So scheinen die Unternehmen des S&P 500 trotz der Sorgen wegen einer möglichen US-Rezession ihre Gewinne im vergangenen Quartal gesteigert zu haben. Den Daten von FactSet zufolge haben bisher 72% der Unternehmen des S&P 500 die Gewinnerwartungen der Analysten und 70% die Umsatzprognosen übertroffen.
Auch in der Geldpolitik könnte die schwierigste Wegstrecke hinter uns liegen. Die US-Notenbank Federal Reserve („Fed“) hat ihren Leitzins in diesem Jahr bereits um beachtliche 300 Basispunkte („Bp.“) angehoben und ein beschleunigtes quantitatives Straffungsprogramm aufgelegt. Fed-Vertreter haben angedeutet, dass das Straffungstempo von 75 Bp. bei der nächsten Notenbanksitzung im November auf 50 oder 25 Bp. zum Jahresende hin verlangsamt werden könnte. Noch vor einem Jahr wäre die Aussicht auf eine Zinserhöhung um 50 Bp. ein veritabler Schock gewesen. Inzwischen ist jeder Schritt unter 75 Bp. willkommen.
Die Woche voraus
Auch in dieser Woche werden die Unternehmensgewinne von großem Interesse sein, denn die Berichtssaison für das dritte Quartal erreicht ihren Höhepunkt. Außerdem finden in den USA die US-Zwischenwahlen statt, was vor allem für US-Anleger von Bedeutung ist. Umfragen und Äußerungen von Wählern, die vorab abgestimmt haben, deuten darauf hin, dass die Demokraten zumindest im Repräsentantenhaus Sitze verlieren werden.
Neben Unternehmensgewinnen und Wahlen stehen auch zahlreiche Wirtschaftsdaten an. Am Montag wird in China derstaatliche Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe für Oktober veröffentlicht; er könnte wieder unter der Kontraktionsschwelle gefallen sein. In Japan dürften die Industrieproduktion und die Einzelhandelsumsätze von besonderem Interesse für die Anleger sein; beide Datenreihen könnten im September schwächer angestiegen sein.
Auch für Anleger im Euroraum ist der Montag ein wichtiger Tag. Die Vorabschätzung für das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts („BIP“) im dritten Quartal steht an; nach einer Expansion um 0,8% gegenüber dem Vorquartal im zweiten Quartal könnte das BIP jetzt stagniert haben. Auch die erste Inflationsschätzung für Oktober dürfte auf außerordentlich großes Interesse stoßen, nachdem im September eine rekordhohe Inflationsrate verzeichnet wurde. In Deutschland werden außerdem die Einzelhandelsumsätze (die im zweiten Monat in Folge zurückgegangen sein könnten) und die Arbeitslosenzahlen (die wahrscheinlich unverändert blieben) bekanntgegeben.
In den USA sind vor allem zwei wirtschaftliche Ereignisse von Bedeutung. Das erste ist die Sitzung der Federal Reserve am Mittwoch. An den Futures-Märkten wird derzeit mit einer Wahrscheinlichkeit von über 90% von einer Zinsanhebung um 75 Bp. ausgegangen. Nicht ganz so klar ist, was der Fed-Vorsitzende Jerome Powell bei der Pressekonferenz sagen wird und ob weitere Zinsschritte der Fed geringer ausfallen werden. Das zweite Ereignis ist die Bekanntgabe der Beschäftigungszahlen am Freitag. Die Anleger gehen davon aus, dass sich der Beschäftigungsaufbau von 263.000 neuen Stellen im September auf 200.000 im Oktober verlangsamt und die Arbeitslosenquote von 3,5% auf 3,6% ansteigt. Ein besseres Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage am US-Arbeitsmarkt wäre der Fed sicher willkommen ... und den Anlegern vielleicht auch.
Technische Daten
Die Aktienkurse sind wie erwartet nach oben geschnellt, weil ein übermäßiger Pessimismus und eine stark überverkaufte Lage zusammen kamen. Kurzfristig ist in nächster Zeit mit weiteren Kurschwankungen zu rechnen. Von Oktober bis Dezember ist am Aktienmarkt jedoch häufig ein saisonaler Aufwärtstrend festzustellen. Dies gilt vor allem für Jahre mit US-Zwischenwahlen, weil nach Wahlen in der Regel etwas weniger Unsicherheit herrscht.
Da die Fed über eine Verringerung ihrer Zinsschritte diskutiert, hat sich der Anstieg der Renditen von US-Staatsanleihen („Treasuries“) verlangsamt. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, könnte der Aufwärtsdruck auf den US-Dollar abklingen, wovon Rohstoffe – deren Preise häufig in US-Dollar angegeben werden – profitieren könnten.
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Greg Meier
Director, Senior Economist, Global Economics & Strategy
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