Es läuft gut – Zeit, inne zu halten
Wirtschaftliche Erholung, rekordstände der Aktienmärkte und entspannte Anleihemärkte. Es lief und läuft gut. Positive Überraschungen werden es schwer haben.
- Impffortschritt und wirtschaftliche Erholung liefen bis jetzt besser als geplant, dennoch bleiben die Inflationssorgen verhalten.
- Die staatlichen und monetären Unterstützungen dürften jedoch dieses Jahr ihren Höhepunkt erreichen, und damit auch die wirtschaftliche Dynamik.
- Wir sehen daher weiter leichtes Aufwärtspotenzial für die Märkte, konzentrieren uns aber auf interessante Subsegmente.
Wir haben die Wachstumsrate für die Weltwirtschaft leicht hochgenommen, sowie die Aktienkursziele leicht nach oben angepasst, kaum Veränderungen gab es bei Rentenanlagen und wir erwarten einige Opportunitäten bei Alternativen Anlagen. Die Zusammenfassung der jüngsten DWS Strategiesitzung liest sich, als befänden wir uns in den ruhigsten aller Zeiten. Dabei stehen Anleger vor großen Herausforderungen. Zunächst gilt es, die wirtschaftliche und politische Lage richtig einzuschätzen. Also zu unterscheiden, welche der Veränderungen der vergangenen ein anderthalb Jahre nachhaltig, und welche nur temporär sind. Wie lange wird es brauchen, bis die jeweils stark beeinträchtigte Angebots- und Nachfrageseite sich wieder im Gleichgewicht befinden? Zudem ist es wichtig, ein Gefühl für das Normalwachstum zu bekommen, wenn die Nachholeffekte mal ausgelaufen sind. Den chinesisch-amerikanischen Disput richtig einzuschätzen.
Und anschließend muss man sich überlegen, wie das so geformte makro-ökonomische Bild mit den Kapitalmärkten in Einklang zu bringen ist. Umso mehr, als sich die Bewertung an den Kapitalmärkten auf historischen Spitzenwerten befindet und viele Staatsanleihen immer noch negativ rentieren und Unternehmensanleihen ihren Risikoaufschlag nahezu komplett auf Vorkrisenniveau abgebaut haben. Und über allem steht die Frage, wie nachhaltig die Inflation ist, und wie die Zentralbanken darauf reagieren. Wir gehen von temporären Spitzen aus, doch sind uns bewusst, dass man die Entwicklung in den kommenden Monaten genau beobachten muss, da sich die Inflationserwartungen vielleicht doch dynamischer als gedacht entwickeln könnten. Allerdings gehen wir davon aus, dass die Zentralbanken gewillt sind, die Inflation etwas laufen zu lassen. Das spricht für nur leicht steigende Zinsen, und damit weiter für Risikoanlagen wie Aktien, Anleihen aus Asien oder Alternative Anlagen. Auch wenn auf Indexebene unseres Erachtens nicht mehr viel zu holen sein wird, wird es Themen geben, die besser laufen werden als andere. Allen voran Nachhaltigkeit, auch wenn die gegenwärtige Euphorie hier sicherlich schon zu partiellen Bewertungsübertreibungen geführt hat.
Makro
An unserem insgesamt positiven Ausblick hat sich wenig geändert, einige Wachstumszahlen haben wir sogar hochgenommen. So erwarten wir jetzt ein globales Wirtschaftswachstum für das laufende Jahr in Höhe von 5,8, nach zuvor 5,3 Prozent. Die größten Anpassungen erfolgten für die USA (von 5,0 auf 6,7 Prozent) und Europa (Eurozone von 3,5 auf 4,2 Prozent und Großbritannien von 4,5 auf 6,5 Prozent). Für die Schwellenländer wurden die Prognosen zwar leicht reduziert, doch mit 6,2 Prozent bleiben sie einer der wichtigsten Wachstumsregionen, insbesondere Asien. Auch für 2022 haben wir auf globaler Ebene das Wachstum leicht erhöht, um 0,2 Prozentpunkte auf 4,6 Prozent. Der Impffortschritt, die Wiedereröffnungen und die staatlichen Rettungspakete waren sicherlich starke Treiber, doch haben insgesamt auch die Resilienz der Industrie und die Stärke des globalen Handels positiv überrascht, bei aller Aufregung um die Lieferschwierigkeiten. Der routiniertere Umgang mit den Lockdowns hat sicherlich auch geholfen. Trotzdem macht jeder Eröffnungsschritt deutlich, wie groß die aufgestaute Nachfrage in vielen Bereichen ist. Die üppigen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen stellen dabei sicher, dass diese Nachfrage auch finanziert werden kann.
Es überrascht nicht, dass solch eine Wirtschaftsdynamik die Aufmerksamkeit auf das Thema Inflation lenkt – gerade mit dem Blick auf die Preisentwicklung bei einigen Rohstoffen (Öl und Kupfer etwa haben sich seit ihrem Tief 2020 rund verdoppelt) und der Personalknappheit im Dienstleistungssektor. Auch wir haben unsere Inflationserwartungen für 2021 und 2022 leicht erhöht, auf jetzt 2,6 und 2,5 Prozent für die USA und 2,0 und 1,6 Prozent für die Eurozone (jeweils Jahresmittel), womit wir uns jetzt oberhalb der Konsensschätzungen befinden. Wir bleiben aber bei unserer Einschätzung, dass wir die Inflationsspitzen dieses Jahr hinter uns lassen werden (in den USA früher, in Deutschland später) und die Zahlen schon 2022 wieder runtergehen werden. Die Gründe für die Spitzen im laufenden Jahr liegen auf der Hand: Einmaleffekte wie die Rücknahme von Steuererleichterungen; die Einführung der CO2-Steuer[1]; die Verdopplung einzelner Rohstoffpreise und die Basiseffekte aufgrund der besonders schwachen Vorjahreszahlen. Dazu kommen dieses Jahr noch die Nachholeffekte im Konsum, während die Angebotsseite noch nicht wieder bei ihrer Vorkrisenleistung liegt. All das wird sich so im nächsten Jahr nicht wiederholen, weswegen wir mit einem Rückgang der Inflationsraten rechnen. Trotzdem können wir nicht ausschließen, dass die Preisschübe in einzelnen Subsegmenten zu Nervosität bei Verbrauchern und Firmen führen können, die wiederum in nachhaltig höheren Inflationserwartungen münden. Bisher bleibt dies jedoch unser Risiko- und nicht unser Kernszenario. Ähnlich sehen das unserer Meinung nach die US-Federal Reserve (Fed) und die Europäische Zentralbank (EZB), die sich zudem auch bei höheren Inflationszahlen mehr Zeit als sonst nehmen dürften, gegenzusteuern.
Anleihen
Auf diesen Überlegungen basieren auch unsere Einschätzungen für den Anleihemarkt. Die Zentralbanken der Industrienationen werden eher zu spät als zu früh die monetären Zügel anziehen. Wir rechnen damit, dass bei der Fed das Thema Reduzierung der Anleihekäufe frühestens auf dem Treffen in Jackson Hole im August angesprochen, und Anfang 2022 mit der Umsetzung begonnen wird. Die EZB wiederum wird voraussichtlich erst im Rahmen der Veröffentlichung der Ergebnisse des "Strategic Reviews" im September dieses Jahres größere Veränderungen ihrer Geldpolitik bekanntgeben. Allerdings soll das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) planmäßig im zweiten Quartal 2022 auslaufen. Wir rechnen zwar mit einer "Übergangsfrist" von bis zu zwei Quartalen, in denen die Anleihekäufe beinahe unverändert fortgesetzt werden. Doch der monetäre Impuls dürfte in Summe geringer ausfallen als dieses Jahr. Mit Zinserhöhungen der Fed und der EZB rechnen wir frühestens im Jahr 2023. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige Zentralbanken bereits dieses Jahr die Geldpolitik gestrafft haben, allen voran die chinesische, aber auch die russische, die brasilianische und die türkische Zentralbank. Somit ist die Geldpolitik doch nicht vollständig eintönig rund um den Globus.
Da sich an den Rahmenbedingungen über die vergangenen Monate insgesamt wenig geändert hat, bleiben auch unsere Prognosen ähnlich. Allerdings rechnen wir mit steigender Nervosität an den Rentenmärkten, je konkreter sich vor allem die Fed und EZB zur Straffung der Geldpolitik äußern werden müssen. Mit Staatsanleihen aus Industrieländern wird man also weiterhin wenig Rendite machen können, so diese überhaupt positiv rentieren. Für 10-jährige US-Treasuries erwarten wir einen Renditeanstieg auf 2,0 Prozent, 10-jährige Bund-Renditen wiederum könnten unserer Meinung die Nulllinie im kommenden Sommer erreichen. Beide Anleihen werden real weiterhin negativ rentieren. Bei Unternehmensanleihen dürfte vor allem das Hochzinssegment von der weiteren wirtschaftlichen Erholung profitieren, auch aufgrund geringerer Insolvenzen und Insolvenzprognosen. Asiatische Anleihen bleiben unser Favorit, da sich hier der Aufschwung auf gute Unternehmensbilanzen stößt. Die US-Dollarprognose haben wir von 1,15 Dollar je Euro auf 1,20 Dollar hochgenommen, da sich das positive Überraschungspotenzial in Richtung Europa verschoben hat.
Aktien
Nach der beeindruckenden Rallye der meisten großen Aktienindizes der Welt – der MSCI AC World Index markierte im Juni ein neues Rekordhoch – denken wir, dass die Märkte über den Sommer erst einmal einige Brüche verdauen müssen. So dürfte die Wachstumsdynamik der großen Wirtschaften im Laufe des Jahres ihr Hoch erreichen (USA: zweites Quartal, Europa drittes Quartal), oder bereits erreicht haben (China, erstes Quartal). Die staatlichen Hilfen für Haushalte werden drastisch reduziert, und sowohl die Inflation wie auch der monetäre Stimulus dürften dieses Jahr ihre Höhepunkte erreichen. Doch auch wenn auf gesamtwirtschaftlicher Ebene die Inflationsraten nächstes Jahr wieder rückläufig sein sollten, können wir nicht ausschließen, dass einzelne Sektoren auch weit darüber hinaus mit steigenden Material- und Lohnkosten konfrontiert sein werden. Steigende Regulierungsanforderungen und Unternehmenssteuern zeichnen sich ebenfalls bereits ab, womit mittelfristig die Gewinnmargen unter Druck kommen könnten. Zunächst werden die Firmen aber noch von starken Umsatzsteigerungen profitieren.
Mit geringer Inflation können Aktienmärkte an sich gut umgehen. Da Unternehmen in aller Regel steigende Herstellungskosten an die Kunden weitergeben können, gelten Aktien zu Recht als die im Vergleich zu Anleihen bessere Alternative. Eben auch angesichts der niedrigen bis negativen erwarteten Renditen im Anleihesegment. Problematisch für Aktienmärkte werden Inflationsraten, wenn sie die Nominalzinsen in die Höhe treiben, was sich wiederum negativ auf die Bewertungsmultiplikatoren auswirken kann. Insbesondere Wachstumswerte und defensive Sektoren stehen dann unter Druck. Zwar dürften, solange die realen Anleiherenditen weiterhin negativ bleiben, Anleger immer noch Aktien den Vorzug geben, doch wir werden in diesem Umfeld unsere Ziel-Bewertungsmultiplikatoren nicht weiter erhöhen. In unseren Prognosen bleibt damit für die einzelnen Aktienindizes wenig Potenzial nach oben. Die Renditen speisen sich großteils aus Dividenden.
Auf Sektorebene bleiben Technologiewerte, Europas Nebenwerte sowie einzelne zyklische Subsektoren (Autos, Minenwerte) unsere Favoriten. Angesichts der Inflationsdiskussion verschiebt sich das Gewicht auf Qualitätsunternehmen mit hoher Preissetzungsmacht, während die Aktien vieler Firmen, die in der Krise besonders gelitten hatten und im Rahmen der Wiedereröffnungsrally stark gesucht waren, unserer Meinung nach recht teuer sind.
Regional bleiben Asiens Schwellenländer unsere Favoriten, auch wenn sie bisher einen schweren Start ins Jahr hatten. Doch gerade darum haben sie viel Potenzial. Die Kombination aus erwartetem hohen Gewinnwachstum (40 Prozent dieses Jahr), einem über dem 20-jährigen Mittel liegendem Abschlag in Höhe von 35 Prozent auf US-Aktien, sowie solide Unternehmensbilanzen und ungebrochene Kauffreude der Konsumenten lassen uns an dieser Region festhalten. Zumal sich an ihren Aktienbörsen überproportional viele Technologieunternehmen finden.
Könnten unsere Annahmen sich letztlich als zu vorsichtig herausstellen? Dann müsste unseres Erachtens schon einiges zusammenkommen: rückläufige Inflationssorgen, Gelassenheit der Märkte auch angesichts geldpolitischer Straffung, ungebremster Konsum- und Investitionshunger, hohes einstelliges Gewinnwachstum und die Bereitschaft der Anleger, angesichts negativer Realzinsen Bewertungsmultiplikatoren in Kauf zu nehmen, die weit über ihrem historischen Mittel liegen.
Alternative Anlagen
Einige der nachhaltigsten Veränderungen, welche Covid-19 der Wirtschaft auferzwungen hat, dürften den Immobiliensektor betreffen. Dabei hat die Pandemie nicht nur neue Trends geschaffen, etwa der Wunsch nach größeren Wohnungen, dank mobiler Arbeit auch in der Peripherie der Großstädte, sondern auch bestehende Trends verstärkt, etwa den zunehmenden Onlinehandel oder auch die Essens-Lieferdienste. Entsprechend sehen auch unsere Präfenzen in dieser Anlageklasse aus: innenstadtnahe Logistikimmobilen sowie Wohnimmobilien im Umland begehrter Metropolen. Ein anderes Anlagesegment, welches stabile Einzahlungsströme mit potenziellem Inflationsausgleich vereint, sind Infrastrukturprojekte. Diese dürften zudem von den zahlreichen Fiskalprojekten der Regierungen profitieren.
Für Rohstoffe sind wir insgesamt zuversichtlich. Ein nicht weiter steigender US-Dollar einerseits und steigende Inflationsraten andererseits bieten gute technische Rahmenbedingungen. Die Nachfrage zieht insgesamt an, auch wenn das Tempo von lokalen Covid-Rückschlägen beeinträchtigt wird. Die Preisbildung wird auch davon abhängen, wie schnell die Angebotsseite die Produktion ausbauen kann. Hier wurde teilweise über Jahre unterinvestiert und es kann mehrere Jahre dauern, neue Kapazitäten zu erschließen. Das könnte im Falle von Kupfer dazu führen, dass es über Jahre hinaus ein strukturelles Unterangebot geben wird. Im Fall von Öl jedoch sind die OPEC+ Staaten vorerst weiter in der Lage, relativ zeitnah auf Nachfrageschübe zu reagieren. US-amerikanisches Schieferöl jedoch hat seine Rolle als reaktivster Spieler auf dem Markt weitgehend eingebüßt, nicht zuletzt da dieser Sektor aufgrund gestiegener Aufmerksamkeit auf Nachhaltigkeitsthemen nicht mehr so leicht an frisches Geld kommt. Bevor die Abgesänge auf Öl an Lautstärke gewinnen, dürfte der Preis unserer Meinung nach noch einige Schübe nach oben erleben.
Bei Gold hat in den letzten Jahren die negative Korrelation zu realen 10-jährigen US-Staatsanleiherenditen sehr gut gehalten. Sollte dies fortbestehen, dürfte das Aufwärtspotenzial begrenzt sein, da wir nicht damit rechnen, dass die Realzinsen von ihrem jetzigen Stand von rund minus einem Prozent noch einmal deutlich einbrechen werden. Sollten sich jedoch die Sorgen der Anleger bezüglich der Nachhaltigkeit der jetzigen Geld- und Fiskalpolitik erhöhen, könnte das Gold einen von den Realrenditen unabhängigen Schub verschaffen. Grundsätzlich ziehen wir Industriemetalle den Edelmetallen vor.
Rechtliche Hinweise
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DWS Inbvestment GmbH; Stand: 25.06.2021
084002_1 (06/2021)