Inflationsalarm, diesmal in der Eurozone: Was von den 4,9 Prozent Preisanstieg zu halten ist
- Woran hat’s gelegen? Teilweise an durchaus vorübergehende Faktoren, die es wahrscheinlich machen, dass wir uns in Bezug auf die Gesamtinflation auf oder nahe dem Höchststand befinden.
- Mittel- und längerfristig dürften jedoch anziehende Löhne und die Energiewende für Inflationsdruck sorgen. Infolgedessen erwarten wir Inflationsraten deutlich über dem Niveau des letzten Jahrzehnts.
- Als Thema an den Märkten für die kommenden Monate und Jahre sind Inflationsrisiken – und -chancen – jedenfalls nicht zu unterschätzen.
Inflation in der Eurozone steigt auf einen neuen Rekord
Es ist nicht zu leugnen, dass der jüngste Inflationsanstieg sowohl hinsichtlich des Ausmaßes als auch der Dauer überrascht hat. Steigende Inflationsraten waren nach den Verwerfungen des Jahres 2020 zu erwarten. Mit 4,9% hat Eurostat heute die höchste jährliche Inflationsrate seit Bestehen der Währungsunion gemeldet.
Aber wie viel sollte man in eine oder sogar in eine Serie gruseliger Zahlen hineinlesen?
Grob gesprochen kann man die aktuelle Inflationsdynamik in fünf Bereiche untergliedern, von denen drei nach unserer Erwartung von vorübergehender Natur sein dürften. Zwei weitere Faktoren dürften allerdings längerfristig für höhere Inflationsraten sorgen.
Da sind zum ersten diverse „Einmaleffekte“. Um den Konsum zu stützen, wurde zum Beispiel letztes Jahr in Deutschland die Mehrwertsteuer gesenkt. Zu Jahresbeginn 2021 erfolgte wieder die Anhebung auf das ursprüngliche Niveau. Die Statistiker vergleichen aber traditionellerweise immer das aktuelle Preisniveau mit den Preisen von vor einem Jahr, also im jetzigen Fall die Verbraucherpreise inklusive 19% Mehrwertsteuer mit den Preisen aus dem November 2020, als die Mehrwertsteuer nur 16% betrug. Ähnlich verhält es sich mit dem „Corona-Aufschlag“, um den so manches Restaurant oder mancher Friseur die Preise angehoben hat. Unter der Annahme, dass ab Januar 2022 die Mehrwertsteuer nicht erneut um drei Prozentpunkte erhöht wird, und dass sich der einmaligen „Corona-Aufschlag“ nicht regelmäßig wiederholt, sollten diese Inflationstreibenden Effekte aus der Statistik verschwinden.
Dazu kommt als weiterer Effekt die stark gestiegenen Energiepreise. Wie einem jedes Mal beim Volltanken des Autos vor Augen geführt wird, kostet Treibstoff heute deutlich mehr als vor einem Jahr. Die Gaspreise sind dieses Jahr sogar noch viel kräftiger angestiegen, was in den aktuellen Inflationszahlen aus Deutschland noch gar nicht vollständig reflektiert sein dürfte. Ob der Beitrag der Energiepreise zu den Inflationsraten in 2022 geringer ausfallen wird, hängt natürlich von der weiteren Entwicklung an den Energiemärkten ab. In unserem Basisszenario gehen wir aber davon aus, dass die Energiepreise in einem Jahr auf aktuellem Niveau oder niedriger notieren werden, woraus sich eine Entlastung für die Inflation ergeben sollte.
Der dritte Faktor sind Schwierigkeiten in den Lieferketten, die zu einer Knappheit bei wichtigen Vorprodukten führen, gepaart mit Pandemiebedingten Veränderungen in der Nachfrage nach bestimmten Gütern. In den USA stiegen beispielsweise Verbraucher, die nicht auf ihren Neuwagen warten wollten, dann auf Gebrauchtwagen um, was deren Preise ansteigen ließ. In der Eurozonewar dieser Effekt weniger ausgeprägt. Stattdessen sehen wir auf dieser Seite des Atlantiks ungewöhnlich starke Kostensteigerungen für Gartengeräte, was uns vielleicht etwas darüber sagt, wie die Pandemie verschiedene Verbraucher auf unterschiedliche Weise getroffen hat. In beiden Beispielen gibt es jedoch gute Gründe für eine Entspannung im Laufe des Jahres 2022. Ein Teil der Verbrauchernachfrage wird sich wieder auf andere Bereiche wie Reisen und Freizeit verlagern. Und die Hersteller von Autos oder gar Gartenzwergen werden sich anpassen, womit die Preise für solche Waren zumindest stabil bleiben sollten.
Soviel zu den - voraussichtlich – vorübergehenden Inflationstreibern, die es wahrscheinlich machen, dass wir uns in Bezug auf die Gesamtinflation auf oder nahe dem Höchststand befinden. Daneben gibt es aber zwei Kräfte, welche längerfristig für Inflationsdruck sorgen dürften, und zwar konkret durch höhere Löhne und die Kosten der Energiewende.
Erstens scheint Covid-19 die Verhandlungsmacht zugunsten der Arbeitnehmer verlagert zu haben, wie dies auch in der Vergangenheit bei früheren Pandemien der Fall war. Es ist noch zu früh um genau einzuschätzen, wie lange dieser Effekt anhält und wie genau er sich in verschiedenen Sektoren und Ländern, unter anderem abhängig von der dortigen Lohnverhandlungsstrukturen, auswirkt. Wir und andere Marktteilnehmer werden die Lage genau beobachten – höhere Lohnabschlüsse hätten einen großen Einfluss, insbesondere auf die Kerninflationsraten. Und dann gibt es längerfristig die demografische Entwicklung vor allem in Italien und Deutschland mit ihrer schnell alternden Bevölkerung. Im Gegensatz zu dem, was die japanischen Erfahrungen der letzten 30 Jahre vermuten lassen, glauben wir, dass dies eher zu einem moderat steigenden Inflationsdruck führen wird.1 Deutschland wird ein wichtiges Land sein, das man im Auge behalten sollte, und zwar nicht nur, weil der für den Arbeitsmarkt verfügbare Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter seinen Höhepunkt bereits überschritten hat, sondern auch wegen der Bedeutung der deutschen Lohnstückkosten für die Wettbewerbsfähigkeit anderer Länder der Eurozone. Vorbehaltlich einer deutlichen Zunahme der Nettomigration dürfte die Nachfrage nach (qualifizierten) Arbeitskräften in nicht allzu ferner Zukunft das Angebot übersteigen, was in Teilbereichen bereits heute zu beobachten ist. Mehr Nachfrage als Angebot führt gemäß den Lehrbüchern zu steigenden Preisen, in diesem Fall also Löhnen. Wir erwarten zwar keinen sprunghaften Anstieg für die Eurozone insgesamt, sehr wohl aber längeren Druck nach oben auf die Löhne, und somit auf die Gesamtinflationsraten.
Der zweite Faktor, der zu höherem Inflationsdruck führt, sind die Kosten des Klimaschutzes und der Energiewende. Nichts gegen den Klimawandel zu unternehmen dürfte um ein Vielfaches teurer werden als die Maßnahmen, welche nun ergriffen werden, um die Erderwärmung zu stoppen. Der Ausstoß von klimaschädlichen Abgasen wird nur dann sinken, wenn der Einsatz dieser Energieträger deutlich teurer wird, also zum Beispiel durch weitreichende CO2 Bepreisung. Energiesparende Gebäudedämmung wird die Baukosten steigen lassen. Diese Maßnahmen sind notwendig, allerdings muss man längerfristig mit Aufwärtsdruck auf die Inflationsentwicklung rechnen.
Neben diesem politisch gewollten Preisanstieg kommt potenziell noch ein zweiter hinzu: Der Bedarf an Strom wird in den kommenden Jahren kräftig steigen und zwar vermutlich schneller als die Produktion erneuerbarer Energien. Daher werden fossile Brennstoffe, und als Übergangslösung wohl insbesondere Gas, weiterhin gebraucht, bevor die Nachfrage nach ihnen in den späteren Jahren absehbar drastisch fallen wird. Daher müssen sich Investitionen in die gesamte Infrastruktur für fossile Brennstoffe über einen kürzeren Zeitraum amortisieren, als dies früher der Fall war. Vor diesem Hintergrund scheint es durchaus wahrscheinlich, dass zumindest für die kommenden Jahre der Gaspreis auf hohem Niveau verharrt beziehungsweise weiter steigt.
Auswirkungen auf die Anlageklassen
Zusammenfassend würden wir drei Schlussfolgerungen ziehen. Erstens wurden viele Volkswirte, Analysten, Marktteilnehmer, zu denen wir uns ehrlicherweise auch zählen müssen, aber auch die Zentralbanken von Ausmaß und Dauer des Inflationsanstieges überrascht. Zweitens sehen wir gute Gründe dafür, dass sich die Inflationsraten im Laufe des Jahres 2022 wieder zurückbilden sollten. In Bezug auf die Gesamtinflation dürften wir den Höchststand bereits erreicht haben oder zumindest bald erreichen. Längerfristig, und das ist die dritte These, erwarten wir aber Inflationsraten, die deutlich über den Werten des letzten Jahrzehnts liegen werden.
Aus Anlagesicht ist es wichtig, auf keinen der oben genannten Punkte zu überreagieren, insbesondere wenn es um vorübergehende Zahlenspitzen geht. Inflationszahlen sind selbst in den besten Zeiten nicht so einfach zu erheben und zu interpretieren. Dies gilt in doppelter Hinsicht nach einer Zeit, in der der Warenkorb von Waren und Dienstleistungen bis zur Unkenntlichkeit verzerrt wurde. Als Thema an den Märkten für kommenden Monaten und Jahren sind Inflationsrisiken – und -chancen – jedenfalls nicht zu unterschätzen.
DWS-Fonds kaufen Sie über FondsSuperMarkt zu besonders günstigen Konditionen!
- Dauerhaft 100% Rabatt auf den Ausgabeaufschlag
- Kostenloses Depot
- Keine Transaktionskosten
- Sichere Verwahrung bei einer deutschen Depotbank
Rechtlicher Hinweis
Alle Meinungsäußerungen geben die aktuelle Einschätzung von DWS Investment GmbH wieder, die sich ohne vorherige Ankündigung ändern kann. Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen. Prognosen basieren auf Annahmen, Schätzungen, Ansichten und hypothetischen Modellen oder Analysen, die sich als nicht zutreffend oder nicht korrekt herausstellen können. Alternative Anlagen sind mit diversen Risiken behaftet, nicht unbedingt für jeden Anleger geeignet und für jedes Portfolio verfügbar.