DWS CIO View - 04. August 2020

Marktüberblick

An den globalen Aktienmärkten war der Juli ein ziemlich ruhiger Monat. Wie üblich gab der S&P 500 das Tempo vor. Er legte in diesem Monat um robuste 7% zu – eine stetige Wertentwicklung, die eher an die lange Hausse der 2010er Jahre erinnert als an die wilden Ausschläge während der Covid-19-Pandemie von 2020. Verschiedene technische Messgrößen der Anlegerstimmung verbesserten sich deutlich, insbesondere das Umsatzvolumen der steigenden im Vergleich zu fallenden Werten an der New Yorker Börse und das Verhältnis von Put versus Call-Optionen auf US-Aktien an den Derivatemärkten. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint die positive Laune aber wohl noch nicht extrem genug, um auf die Gefahr eines plötzlichen Umkippens der Stimmung hinzudeuten.

Investoren, denen mehr nach Spannung als nach Entspannung zu Mute war, mussten sich anderswo umsehen. US-amerikanische Hochzinsanleihen erzielten eine Rendite von fast fünf Prozent, die beste Wertentwicklung seit fast neun Jahren. Der Dollar verzeichnete derweil den schlechtesten Monat seit 2010 und verlor im Juli vier Prozent gegenüber sechs wichtigen Konkurrenten. Dies spiegelte vor allem die Besorgnis darüber wider, dass die Pandemie in den USA noch lange nicht eingedämmt ist.

Das Covid-19-Virus und seine direkten wie indirekten Auswirkungen dürften auch in den kommenden Wochen ein zentrales Thema bleiben. Im Nachhinein wird immer deutlicher, dass der Lockdown in vielen US-Bundesstaaten zu früh beendet wurde. Infolgedessen fegt die erste Pandemiewelle weiterhin durch das Land und erreicht eine wachsende Zahl ländlicher Regionen in Mittelamerika. Dies könnte die Stellung von Präsident Trump in den Meinungsumfragen weiter verschlechtern und seine Aussichten auf eine Wiederwahl zusätzlich dämpfen.

Zumindest im Vergleich dazu hat Kontinentaleuropa bei der Eindämmung der Pandemie gute Arbeit geleistet, wie die Entwicklung des Euros zeigte, vor allem gegenüber dem Dollar. Auch das im Juli vereinbarte Pandemie-Notfallprogramm in Höhe von 750 Milliarden Euro half der Gemeinschaftswährung. Vorerst haben sich allerding nur die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (EU) zu dem Paket geeignet, das der EU-Kommission erlauben würde, supranationale Schulden aufzunehmen. Möglicherweise müssen jedoch noch einige Details ausgearbeitet werden, um die notwendigen Genehmigungen, insbesondere durch das Europäische Parlament, zu erhalten. Sowohl das Europäische Parlament als auch einige Mitgliedstaaten könnten auf bessere Mechanismen zur Absicherung von rechtsstaatlichen Mindeststandards bestehen und etwa den Zugang zu den Hilfen an die Einhaltung der Pressefreiheit in Ländern wie Ungarn und Polen koppeln.

In der Zwischenzeit entstehen in mehreren europäischen Ländern bereits neue Covid-19-Cluster, was weitere Infektionswellen nach dem Ende der Sommerferien als wahrscheinlich erscheinen lässt. Wenn ja, gibt es viele offene Fragen. Wie schnell würden versteckte Gruppenübertragungen und frühe Anzeichen eines exponentiellen Wachstums erkannt werden? Wie würden die politischen Entscheidungsträger reagieren? Könnten wir wieder strenge Maßnahmen wie Ausgangssperren, Quarantäne und Versammlungsverbote für (große) Gruppen von Nicht-Haushaltsmitgliedern (insbesondere in geschlossenen Räumen) sehen? Und selbst wenn dies nicht der Fall wäre: wie hoch wäre die Wahrscheinlichkeit, dass die Bürger einfach beschließen, Restaurants, Theater, Geschäfte und Büros aus eigenem Antrieb zu meiden?

Die Beantwortung dieser Fragen für ein bestimmtes Land ist schwierig genug. Dies für ganz Europa zu tun, ist so gut wie unmöglich. Wenn man die Erfahrungen im Rest der Welt betrachtet, fallen jedoch zwei Lektionen auf: Erstens, dass die politischen Entscheidungsträger in den reichen Ländern sich angesichts erneuter Wellen höchstwahrscheinlich erneut für verbindliche Beschränkungen entscheiden werden, unabhängig von den wirtschaftlichen Kosten. Zweitens scheint, politisch gesehen ein schnelles politisches Eingreifen sowohl bei der Eindämmung der Pandemie als auch der eigenen Popularität besser zu bekommen als zu viel Zögerlichkeit. Je länger sich die politischen Entscheidungsträger Zeit lassen, desto größer wäre jedenfalls der Bedarf an massiveren und drastischeren Maßnahmen.

In vielen der ärmeren Teile der Welt hat sich die nachhaltige Eindämmung des Virus leider bisher als unmöglich erwiesen. Covid-19 wütet weiterhin in Lateinamerika, hat sich in Indien stark verbreitet und scheint sich auch in Afrika südlich der Sahara auszubreiten.

Ausblick und Änderungen

Bislang war dieser Sommer von einer erhöhten Risikobereitschaft geprägt. Erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung, enorme fiskalpolitische Maßnahmen und die expansive Zentralbankpolitik halfen zusätzlich. Das Vertrauen der Anleger auf eine schnelle Erholung und weitere fiskalische Anreize wird in den USA jedoch bereits auf die Probe gestellt. Aufgrund einer Pattsituation im Kongress wurden die Zahlungen an zig Millionen Arbeitslosengeldern vorerst gekürzt. Angesichts der Tatsache, dass es sich auch um Wähler handelt und dass in den USA im Herbst Wahlen bevorstehen, würden wir eine Einigung erwarten. Der Weg dorthin könnte sich allerdings als schwierig erweisen.

Die Reaktion des Marktes sowohl auf das finale Ergebnis als auch auf etwaige politische Stolpersteine dürfte jedenfalls interessant werden und einiges über die Markstimmung in den kommenden Monaten aussagen. Vorerst haben wir bei den Anleihen keine taktischen Signaländerungen vorgenommen. Kurzfristig gehen wir weiterhin davon aus, dass Staatsanleihen der USA, Europas und der Schwellenländer sich seitwärts bewegen werden, mit Ausnahme von Spanien, wo wir trotz des jüngsten Wiederaufflammens der Covid-Infektionen noch etwas Spielraum bei den Kursen sehen wegen der Unterstützungsmaßnahmen der EU. Auf taktischer Basis sehen wir auch einige weitere Aufwärtsbewegungen bei europäischen Unternehmensanleihen über das gesamte Risikospektrum hinweg, da die Zentralbanken die Kurse unterstützen. Bei US-Unternehmensanleihen, insbesondere im Hochzinssegment, sehen wir in den kommenden Monaten Potenziale, sind aber auf zwölf Monate gesehen recht skeptisch. Viele Hoffnungen auf eine Erholung sind eingepreist und selbst die großzügigste Zentralbank kann nicht alle notleidenden Unternehmen dauerhaft retten.

Das ist auch ein Problem für die Aktienmärkte, wo die Unternehmensbewertungen insbesondere in den USA bereits sehr ambitioniert sind. Erneute Spannungen mit China sind ein weiteres Risiko, wenn auch vielleicht eher für Schwellenländer als für entwickelte Märkte. Ausgehend von einem Zeithorizont von zwölf Monaten kann man sicherlich für europäische und britische Aktien plädieren. Vorerst werden jedoch mangelnde Fortschritte bei einem Post-Brexit-Freihandelsabkommen alle bis auf die entschlossensten Schnäppchenjäger abschrecken.

Vor diesem Hintergrund haben wir nach wie vor keine klaren regionalen taktischen Präferenzen bei Aktien. In Europa bevorzugen wir jedoch weiter Nebenwerte gegenüber Large Caps, während in den Vereinigten Staaten nach wie vor das Gegenteil der Fall ist. Auf Sektorenebene bleiben Technologie und Gesundheitswesen unsere Favoriten, während wir Immobilien und Versorgungsunternehmen weiterhin skeptisch gegenüberstehen.

Die Multi-Asset-Perspektive

Die makroökonomischen Daten haben sich in letzter Zeit verbessert, bleiben aber immer noch auf einem Niveau, das deutlich unter dem Vorkrisenniveau liegt. Was die Bewertung von Vermögenswerten betrifft, so sind die Risikoprämien für Aktien massiv zurückgegangen. Die Firmengewinne sind wesentlich stärker eingebrochen, als der leichte Rückgang der Anleiherenditen vermuten ließe. Dies könnte als ein steigender Risikofaktor interpretiert werden, aber wie immer gibt es Unsicherheiten in positiver wie in negativer Richtung. Beispielsweise könnte ein Impfstoff früher gefunden werden als es vor ein paar Monaten wahrscheinlich schien. Das würde natürlich die Chancen auf eine Rückkehr zur Normalität nach der Covid-Pandemie erhöhen, und am Markt vermutlich eingepreist werden, lange bevor entsprechende Impfstoffe breiten Bevölkerungsschichten tatsächlich zur Verfügung stehen. Insgesamt denken wir, dass eine Risikoaufwertung zu spät kommt, aber gleichzeitig eine weitere Herabstufung zu früh ist.

Was Aktien betrifft, so bleiben wir bei unserer Präferenz für die entwickelten Märkte gegenüber den Schwellenländermärkten. Wir glauben weiterhin an eine taktische Chance in der Eurozone, aufgrund des vergleichsweise höheren Gewichts von Zyklikern und Substanzaktien in dieser Region. Positive Entwicklungen bei Corona-Impfstoffen könnten da für zusätzliche Kursfantasie sorgen. Aus der Bewertungsperspektive wurde am globalen Aktienmarkt in den vergangenen Monaten unterm Strich eindeutig Wachstum bevorzugt. Entsprechend sind zyklische Substanzaktien nach wie vor vergleichsweise günstig zu haben.

Wir bleiben bei Staatsanleihen vorsichtig, strukturell mögen wir weiterhin inflationsgeschützte Staatsanleihen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Zentralbanken negative Realrenditen durch eine aggressivere Ausrichtung auf ein durchschnittliches Inflationsziel fördern. Ein weiteres potenziell positives Merkmal von inflationsgeschützte Staatsanleihen ist deren tendenziell positive Korrelation zum Marktrisiko. Dies ist vor allem in den USA der Fall, wo die Fed ihren geldpolitischen Schwerpunkt von der "Stabilisierung zur Anpassung" verlagert hat. Auch Gold bleibt unserer Meinung ein wichtiger Bestandteil eines diversifizierten Portfolios.


RECHTLICHER HINWEIS
Prognosen basieren auf Annahmen, Schätzungen, Ansichten und hypothetischen Modellen oder Analysen, die sich als nicht zutreffend oder nicht korrekt her-ausstellen können. Alternative Anlagen sind mit diversen Risiken behaftet, nicht unbedingt für jeden Anleger geeignet und für jedes Portfolio verfügbar.
Wertentwicklungen in der Vergangenheit sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Wertentwicklungen. Es kann keine Gewähr übernommen werden, dass Anlageziele erreicht oder Ertragserwartungen erfüllt werden. Quelle: DWS Investment GmbH; Stand: 03.08.2020