Durch die Brille der Unternehmen

Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 30.08.2024

Nach dem Anspannungsmoment Anfang August hat sich das Marktumfeld zum Ende des traditionellen Ferienmonats in vielen Marktsegmenten wieder komplett beruhigt. Aktienindizes wie der MSCI Welt haben bereits leicht höhere Schlusskurse erreicht als während des letzten lokalen Hochpunkts Mitte Juli diesen Jahres. Auch auf den Märkten für Unternehmensanleihen hat sich der sprunghafte Anstieg der Risikoprämien für Kreditausfälle wieder deutlich zurückgebildet. Nur die Renditen von US-Staatsanleihen sind im Vergleich zu Ende Juli merklich gefallen, vorwiegend in kürzeren Laufzeitbereichen. Hier spiegeln sich die durch schwächelnde US-Arbeitsmarktdaten angefachten Zinssenkungsfantasien wider, die zuletzt auch durch entsprechende Rhetorik aus den Reihen der Federal Reserve (Fed) in Jackson Hole bestätigt wurden.

Wie akut sind die Risiken für eine Konjunkturabkühlung in den USA und in Europa? Zur Beantwortung dieser Frage lohnt es sich, neben den traditionellen Makro-Variablen auch die Signale aus dem Unternehmenssektor zu verfolgen. Die in diesen Tagen komplett abebbende Berichtssaison zum zweiten Quartal kann insgesamt für die S&P 500-Unternehmen als zufriedenstellend bewertet werden. Der Anteil der US-Unternehmen, deren Gewinne positiv überraschen konnte lag mit fast 80% leicht über dem Durchschnitt, dafür war das Ausmaß der Gewinnüberraschung mit 3.5% etwas unterdurchschnittlich. Schlussendlich markiert das Quartal mit knapp 11% Gewinnwachstum gegenüber dem Vorjahresquartal das wachstumsstärkste Quartal seit dem vierten Quartal 2021. Auf der Umsatzseite schwächelten die US-Unternehmen leicht. Weniger Unternehmen als gewöhnlich konnten die Umsatzerwartungen schlagen, und wenn ja im Durchschnitt zu einem geringeren Maß als gewohnt. Die Kombination aus ordentlicher Gewinn- und leicht gedämpfter Umsatzentwicklung bedeutet einen weiteren Anstieg der ohnehin historisch hohen Gewinnmargen – was als Zeichen von Kostendisziplin, in einigen Bereichen noch immer hoher Preissetzungsmacht sowie gerade für große Champion-Unternehmen einer abnehmenden Wettbewerbsintensität interpretiert werden kann.

In Europa liegt das Gewinnwachstum im zweiten Quartal mit etwas mehr als drei Prozent deutlich geringer als in den USA. Dies spiegelt zum einen die insgesamt geringere Wachstumsdynamik wider, zum anderen die weitestgehende Abwesenheit dynamisch wachsender großer Technologie- und Plattformkonzerne.

Schaut man auf einen Reigen verschiedenster Frühindikatoren für amerikanische, aber auch globale Unternehmensgewinne, so spricht die Mehrzahl für eine weiter durchaus robuste Gewinnentwicklung. Solche Indikatoren reichen von einem aufwärts gerichteten Sentiment der Unternehmensführer (CEO-Sentiment des US Conference Board) bis zum dynamischen Wachstum der Exportvolumen eines stark in der Weltwirtschaft integrierten Landes wie Korea (siehe Grafik der Woche). Auch weniger strenge Kreditvergabebedingungen amerikanischer Banken für Firmenkredite deuten in die richtige Richtung.

Immer mehr Analysen versuchen zudem mit Hilfe von Spracherkennungssoftware ein Gefühl dafür zu bekommen, ob die Wortwahl der Unternehmenslenker, in den rund um die Gewinnberichte stattfindenden Analystenkonferenzen sich in eine positive oder negative Richtung bewegt. Auswertungen der Großbank HSBC zufolge entwickeln sich die Aussagen zu Finanzkennzahlen wie Gewinn, Umsatz und Marge sowohl für amerikanische als auch europäische Unternehmen weiter aufwärts.

Die Woche voraus

Als unbestrittener Fokuspunkt für Investoren in der kommenden Woche dürften sich die US-Arbeitsmarktzahlen für August am Freitag herausstellen. Nach einem schwachen Arbeitsmarktbericht für den Juli, der allerdings auch durch wetterbedingte Sondereffekte verzerrt war, wird mit einer moderaten Erholung beim Stellenaufbau gerechnet. Wie am Anfang eines Monats üblich wartet zudem der globale Reigen der Einkaufsmanagerindizes auf die Anleger. Vorabschätzungen deuten auf eine in den meisten Regionen ausreichend gute Geschäftsentwicklung hin. Interessant dürften in den USA zudem der JOLTS-Report mit weiteren Perspektiven zum Arbeitsmarkt sowie ein zweiter Blick auf die US-Produktivitäts- und Lohnstückkostenentwicklung im zweiten Quartal werden.

Aus Sicht der Unternehmen scheint im Moment wenig Grund zur Sorge vor einem unmittelbar bevorstehenden Konjunkturabschwung zu bestehen. Nach der bislang überraschend erfolgreichen Inflationsbekämpfung der Zentralbanken scheint sich wieder mehr Spielraum für schnelles Eingreifen in Form von Zinssenkungen zu ergeben. Das Sicherheitsnetz für Konjunkturrisiken scheint wieder enger gewebt, der sprichwörtliche „Fed Put“ wird wieder präsenter.

Nicht die schlechtesten Aussichten.

Denkt Ihr,

Stefan Rondorf
Senior Investment Strategist, Global Economics & Strategy
 

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