Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 26.04.2024
Auf den Kapitalmärkten kam in den letzten Wochen etwas Unruhe auf. Neben schnell gefundenen Gründen wie einem neuerlichen Aufflackern des Nahost-Konflikts machen wir verschiedene Felder aus, wo sich Trends auseinanderbewegen, also Divergenzen auftun. Dies muss nicht zwingend mehr Unruhe bedeuten, sollte aber die Spannweite von Erträgen in verschiedenen Anlageklassen und Regionen erhöhen.
Als Keimzelle einiger dieser Divergenzen erscheinen uns zunehmend unterscheidbare geldpolitische Perspektiven der wichtigsten Zentralbanken. Da ist zum einen die US-Notenbank Federal Reserve (Fed): sie hatte noch im März den Willen bekräftigt, in diesem Jahr drei Zinssenkungen à 25 Basispunkte vorzunehmen. Nach einer Runde weiter erhöhter Inflationszahlen für den März hat der Geldmarkt den Glauben daran verloren und nimmt derzeit nur noch ca. anderthalb Senkungsschritte bis Dezember vorweg.
Dagegen erscheint eine Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) im Juni als wahrscheinlich. Einige wenige Eurozonen-Notenbanker hätten sich diesen Schritt schon beim letzten Meeting im April vorstellen können. Verglichen mit der Situation in den USA scheinen die Zinserhöhungen der EZB schon deutlich mehr Bremswirkung auf Konjunktur und Preise erzielt zu haben, auch wenn noch nicht vollständig geklärt ist, ob die für die Zukunft durchgesetzten Lohnforderungen mit dem 2%-Inflationsziel vereinbar sein werden.
Wiederum anders stellt sich die Situation in Asien dar: Die japanische Notenbank ist gerade erst einen ersten zaghaften Schritt aus Niedrigst- bzw. Negativzinsen gegangen. Hier geht es in erster Linie darum sicherzustellen, dass Inflation ausreichend hoch bleibt, die jahrzehntelang vorherrschende Deflation aus dem Bewusstsein zu verdrängen. In Kontrast dazu sorgt man sich in China um das zarte Pflänzlein der inländischen Konjunkturerholung – im Zweifel wäre man wohl zu weiteren, wohldosierten Lockerungsschritten bereit.
Diese unterschiedlichen Perspektiven finden ihren Niederschlag vor allem auf den Anleihe- und Währungsmärkten. US-Anleiherenditen bewegen sich wieder nach oben, es werden weniger und spätere Zinssenkungen erwartet, selbst eine Zinserhöhung in den USA erscheint im Verlauf nicht mehr völlig unmöglich. Die Zinsdifferenzen weiten sich zugunsten der globalen Leitwährung, des US-Dollars aus, der USDollar tendiert zur Aufwertung.
Höhere US-Renditen und ein aufwertender Dollar bedeuten für den Rest der Welt, vor allem Schwellenländer, wenn sie lange genug anhalten einen Gegenwind in Form drosselnder „finanzieller Bedingungen“ – kurz gesagt tendiert dann die Geldpolitik in anderen Ländern dazu, restriktiver zu sein, als sie es ohne einen starken US-Dollar bzw. eine sich abschwächende heimische Währung wäre.
Die Woche voraus
Wie so oft dürfte in der kommenden Woche der Takt aus den USA vorgegeben werden. Die Notenbank-Sitzung am Mittwoch ist eine Gelegenheit für Jerome Powell, die Zweifel des Marktes hinsichtlich schneller US-Zinssenkungen entweder zu bestätigen oder auszuräumen. Dazu wären es sicherlich hilfreich, über die Richtung des Arbeitsmarktes im April Bescheid zu wissen – der Arbeitsmarktbericht wird allerdings erst am Freitag veröffentlicht. Daneben werden Anleger einen Reigen von Sentimentdaten verfolgen, wie die Einkaufsmanagerindizes aus China (Di), die Sentimentindizes der EU-Kommission (Mo) beziehungsweise das Conference Board Verbrauchervertrauen (Di) und die ISM-Einkaufsmanagerindizes (Mi und Fr) für die USA. Auf der Inflationsseite werden erste Schätzungen für die Eurozonen-Inflation im April das Highlight sein.
Eine potenziell größere Spannweite der Erträge in verschiedenen Regionen macht es zwar für Anleger nicht einfacher, ihre Portfolios durch diese Phase zu navigieren – regionale Unterschiede dürften aber gerade auf Anleiheund Währungsmärkten spannende Opportunitäten für aktive Anleger eröffnen.
Dass Sie diese Divergenzen nutzen können,
wünscht Ihnen
Stefan Rondorf
Senior Investment Strategist, Global Economics & Strategy
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