Loys Capital Kolumne vom 07.03.2023
Das Wort ´Sondervermögen´ besitzt das Format, dermaleinst zum Wort des Jahres gekürt zu werden. In der Politik versteht man sich auf die clevere Titulierung von Lasten als Tugenden. Niemand hat das klarer herausgearbeitet als Platon in seinem Gorgias vor ca. 2400 Jahren. Der ´Solidaritätszuschlag´ ist dafür ein berüchtigtes Beispiel.
Es heißt, es sei ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr aufgelegt worden. Aber Vermögen legt man nicht auf, sondern erwirbt bzw. verdient es sich. Inhaltlich handelt es sich um die Beschaffung militärischer Ausrüstungsgegenstände, finanziert durch Kreditaufnahme am Kapitalmarkt. Da den zu erwerbenden Vermögensgegenständen (Fahrzeuge, Drohnen, Raketen, Munition etc.) Schulden in gleicher Höhe gegenüberstehen, ist der nominale Nettovermögenszuwachs Null. Soweit zum Buchhalterischen. Gewiss hat ein durch die Beschaffung sich einstellendes höheres Sicherheitsgefühl einen nicht zu unterschätzenden Wert. Dieser gleicht aber im besten Fall lediglich das seit dem Ukrainekrieg erodierte Sicherheitsgefühl der Bevölkerung aus, sodass auch auf dem Feld des gefühlten Nutzens kein positiver Gesamtsaldo entsteht.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Regierungen müssen Prioritäten setzen und innere wie äußere Sicherheit sollte dabei hoch gewichtet werden. Nur wäre es anständiger, diese Prioritäten klar als solche zu benennen und sie in den Bundeshaushalt aufzunehmen. Sofern es wirklich Prioritäten sind, sollten sie durch Einsparungen und nicht durch höhere Schulden finanziert werden. Indem aber die Umetikettierung als Sondervermögen erfolgt, zeigt die Regierung, dass die Sache keineswegs eine Priorität besitzt, sondern lediglich als schuldenfinanzierte Zusatzleistung anzusehen ist.
Schlimmer noch: Weil die Verschleierung als Sondervermögen eine wenig kritisierte Präzedenz schafft, werden andere Politikfelder bald ihre eigenen Wünsche nach derartigen Sondervermögen anmelden. Wie wäre es etwa mit einem Sondervermögen für den Wohnungsbau? Oder bedarf es eines Sondervermögens für die euphorisierend genannten Wasserstoffbrücken (Australien, Kanada, Katar etc.), von denen neuerdings so metaphorisch die Rede ist. Benötigt Deutschland etwa ein Sondervermögen zur Armutsbekämpfung oder gar zum Stromnetzausbau? Man sieht, dass der Phantasie hier kaum Grenzen gesetzt sind, sofern vernebelt werden kann, dass der deutsche Staat trotz einer im internationalen Vergleich sehr hohen Steuer- und Abgabenlast wesentlich mehr ausgibt, als er einnimmt. Und tatsächlich hat jüngst die SPD-Vorsitzende Saskia Esken die Forderung nach einem Sondervermögen für Bildung aufgestellt. Aber wenngleich auf dem Gebiet der Bildung vieles im Argen liegt (mehr als 20 % der Grundschüler sind – wie zu lesen stand – nicht mehr hinreichend mit Fähigkeiten des Lesens, Schreibens und Rechnens versehen), so wird auch hier die Frage der Prioritäten zu stellen sein.
Man sollte froh sein, dass die in Galopp geratene Geldentwertung die Europäische Zentralbank endlich dazu zwingt, Geld teurer zu machen, um dessen Wertverlust abzubremsen. Der höhere Preis für Geld ist bekanntlich der Zins. Hier steht zu hoffen, dass die höheren, aber immer noch niedrigen Langfristzinsen (derzeit ca. 2,7 % für zehnjährige Bundesanleihen) eine disziplinierende Wirkung auf die Politiker ausüben.
Aber wenn wir schon beim Thema Vermögen sind: Wie wäre es mit einer Priorität für den Vermögensaufbau der Deutschen? Vielleicht könnte man das heutige Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erweitern zum Ministerium für Wirtschaft und Wohlstand.
Aus Chicago
Ihr
Dr. Christoph Bruns
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