Viele Experten erwarten, dass sich die Börsen der Emerging Markets (Schwellenländer) bis 2023 besser entwickeln werden als die der großen Industrienationen. Denn das Aufholpotenzial ist nach wie vor groß und die Aktien sind günstig bewertet. Wo können Investoren jetzt einsteigen?
Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sind nicht alles: Ein Jahrzehnt lang enttäuschten die Börsen der Schwellenländer. Regelmäßig blieben sie hinter den Märkten der Industrieländer zurück. Das hat sich seit Ende letzten Jahres geändert. Als entscheidendes Signal gilt die Öffnung Chinas: „Das Quasi-Ende der Restriktionspolitik im Dezember und weitere schrittweise Lockerungen dürften Treibstoff für eine kräftige Erholung der chinesischen Nachfrage sein“, sagt Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management. „Davon würde nicht nur China profitieren, sondern auch alle wichtigen Handelspartner in der Region.“
China kommt wieder in Schwung
Mit der Abkehr von der Nullzinsstrategie hat die chinesische Regierung ihre Politik komplett geändert. „Die Ampeln für chinesische Aktien stehen wieder auf grün“, meint auch Xavier Hovasse, Fondsmanager und Leiter Emerging Markets bei der französischen Investmentgesellschaft Carmignac. „Fünf Faktoren haben die chinesischen Aktienmärkte in den Jahren 2021 und 2022 belastet: die strengere Regulierung, die Immobilienkrise, die Nullzinspolitik, die Lokalpolitik und die Spannungen zwischen China und den USA. Vier dieser Faktoren sind heute weitgehend irrelevant. Zwar ist der Konflikt zwischen den USA und China nach wie vor aktuell. Dennoch prognostiziert der Internationale Währungsfonds dem Reich der Mitte für 2023 ein Wachstum von 5,2 Prozent: „Damit wäre China die einzige große Volkswirtschaft, deren Wachstum sich in diesem Jahr beschleunigt“, sagt Hovasse.
China beflügelt alle Emerging Markets
Mit der Öffnung des Reichs der Mitte werden Schwellenländeranlagen für Investoren wieder deutlich interessanter. Grundsätzlich sprechen mehrere Faktoren für Investitionen in den Emerging Markets. So ist die Bevölkerung im Durchschnitt deutlich jünger als in den Industrieländern und der Nachholbedarf beim Konsum entsprechend hoch. Zudem sind die Aktienmärkte noch unterentwickelt. Die Schwellenländer insgesamt stehen inzwischen für 40 % der globalen Wirtschaftsleistung, aber nur für gut 10 % der globalen Marktkapitalisierung. Schließlich sind Aktien aus Schwellenländern deutlich günstiger bewertet als Aktien aus etablierten Märkten. Letztere werden im Schnitt mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 16 bewertet, während Aktien aus Schwellenländern auf 11 kommen.
Breit investieren mit Schwellenländerfonds
Die günstige Bewertung bei gleichzeitig guten Wachstumsaussichten macht Aktien aus Schwellenländern derzeit besonders attraktiv. Allerdings sind nur wenige große Unternehmen aus den Emerging Markets an den etablierten Börsen ausreichend handelbar. Zudem sind Einzelwerte aufgrund wirtschaftlicher und politischer Risiken oft sehr volatil. Vieles spricht daher für breit gestreute Emerging-Markets-Fonds.
Der Fidelity Sustainable Emerging Markets Equity Fund (WKN A12BKL, ISIN LU1102505689) gehört beispielsweise zu den aktiv gemanagten Investmentfonds mit langfristig positiver Bilanz. Das konzentrierte Portfolio besteht aus 30 bis 50 Unternehmen und nutzt das umfangreiche hauseigene Research. „Wir erwarten eine deutliche Verlagerung des Wachstums von den USA nach Asien“, sagt Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity International.
Dividenden stehen für Solidität
Fondsmanager Omar Negyal setzt mit dem JP Morgan Emerging Markets Dividend (WKN A1J9HJ, ISIN LU0862449690) auf Unternehmen mit einer hohen Dividendenrendite. Sie liegt derzeit bei durchschnittlich 4,8 Prozent. „Dividendenausschüttungen korrelieren positiv mit einer überdurchschnittlichen Governance“, sagt Negyal. Governance steht bei den ESG-Kriterien für eine gute Unternehmensführung. Daher sei ein Dividendenansatz sehr gut geeignet, um das Unternehmensrisiko bei Schwellenländerinvestments zu steuern. Chinesische Aktien machen mit knapp 20 Prozent den größten Anteil im Portfolio aus, gefolgt von Taiwan mit 18 Prozent und Südkorea mit 11 Prozent. Zu den größten Positionen im Portfolio zählen Taiwan Semiconductor TSMC, Samsung Electronics und Walmart de México.
Osteuropa spielt keine Rolle mehr
Fondsmanager Xavier Hovasse setzt mit dem Aktienfonds Carmignac Emergents (WKN A0DPX3, ISIN FR0010149302) auf ein konzentriertes Portfolio von 42 Unternehmen: „Wir bevorzugen Schwellenländer mit soliden oder sich verbessernden Fundamentaldaten wie China, Südkorea oder Mexiko.“ Indische Aktien gewichtet er aufgrund der vergleichsweise hohen Bewertung derzeit unter. Auch osteuropäische Aktien spielen in Hovasses Portfolio keine Rolle. Den größten Anteil machen mit 40 Prozent chinesische Aktien aus, gefolgt von südkoreanischen mit 17 Prozent und brasilianischen mit 12 Prozent. Zu den größten Positionen im Portfolio zählen neben Samsung Electronics und TSMC auch die Bank Grupo Financiero Banorte.
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