China: Das Jahr des Drachen

Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 23.02.2024

Aus konjunktureller Sicht hat das Reich der Mitte einen holprigen Start ins Jahr des Drachen erlebt. Die Entschuldung im Privatsektor dürfte unseres Erachtens weiter andauern und somit das Wirtschaftswachstum sowie die Preisstabilität des Landes dämpfen. Mit dem Beschluss des Politbüros im Jahr 2021, konsequent gegen hochverschuldete Immobilienentwickler durchzugreifen, wurde das Ende des schuldenfinanzierten und von Investitionen gestützten Wachstumsmodells eingeläutet, das China seit dem im Jahr 2008 aufgelegten Konjunkturprogramm in Höhe von vier Billionen Yuan verfolgt hatte.

Ohne umfangreiches fiskal- und geldpolitisches Rettungspaket dürfte in den kommenden 12 bis 18 Monaten keine Stabilisierung des Immobiliensektors zu erwarten sein. Für Unternehmen, vor allem für die im Privatbesitz befindlichen Projektentwickler, als auch für private Haushalte, würde das bedeuten, dass sie ihre Immobilienbestände zwecks Schuldenabbaus weiterhin veräußern müssen. Dies dürfte wiederum die Gesamtnachfrage schwächen und einen deflationären Druck auf die Konjunktur ausüben.

Peking hat bereits damit begonnen, in größerem Umfang Staatsanleihen zu emittieren und sich stärker an der Finanzierung von Infrastruktur- und Stadterneuerungsprojekten zu beteiligen. Damit der Immobiliensektor stabilisiert und die Entschuldung im Privatsektor eingedämmt werden kann, sind womöglich zusätzliche Mittel sowie makropolitische Maßnahmen zur Stützung der Konjunktur seitens der Zentralregierung erforderlich.

Auf den ersten Blick weisen die Probleme, mit denen China zu kämpfen hat, gewisse Parallelen zu denen Japans nach dem Platzen der Immobilienblase in den 1990er Jahren auf. Es gibt allerdings auch deutliche Unterschiede.

Einerseits hat Japan einen vollständigen Boom-und-Bust-Zyklus auf dem Immobilienmarkt erlitten – mit negativen Auswirkungen auf die Unternehmensbilanzen. Zwar durchläuft China eine Korrektur bei den Immobilienpreisen, doch diese bleiben nach wie vor erhöht. Außerdem sind es vorwiegend die hochverschuldeten, privaten Bauunternehmen, die am stärksten betroffen sind.

Andererseits führten die hohen Verluste japanischer Unternehmen zu einer gravierenden Verschlechterung der Kreditqualität und der Kapitalausstattung japanischer Banken. Erst nach vielen Jahren wurde die dadurch entstandene systemische Krise in den Griff bekommen. Im Falle Chinas hat sich der Bankensektor seit geraumer Zeit gegen Risiken aus der Immobilienfinanzierung von Unternehmen und Privathaushalten abgeschirmt. Wenngleich es zu einer Erosion der Kreditqualität kommen dürfte, ist zu erwarten, dass diese überschaubar bleibt und keine systemische Gefahr für das gesamte Bankensystem darstellt.

Die Woche voraus

Die kommende Woche steht im Zeichen der jüngsten Inflationszahlen der G3-Länder. Den Anfang macht am Dienstag der japanische Verbraucherpreisindex (VPI) für Januar, gefolgt am Donnerstag vom Deflator der privaten Konsumausgaben („PCE“, Personal Consumption Expenditures) in den USA für Januar und am Freitag von der VPI-Schätzung im Euroraum für den Monat Februar.

In den USA werden am Montag die aktuellen Daten zum monatlichen Wachstum der Eigenheimverkäufe für Januar veröffentlicht. Hier erwartet der Markt einen Anstieg von 2,4% gegenüber einem Zuwachs von 8% im Vormonat. Ferner wird der Dallas Federal Reserve Manufacturing Activity Index für Februar veröffentlicht, der Aufschluss über die aktuelle Dynamik im US-amerikanischen verarbeitenden Gewerbe liefern wird.

Am Dienstag werden aus Japan die jüngsten Daten zum VPI sowie zum Kern-VPI für Januar erwartet, die Hinweise darüber geben werden, ob der Inflationsdruck ungebrochen hoch geblieben ist. Damit dürften sie für den Markt einen wichtigen Anhaltspunkt zur Einschätzung des Timings einer geldpolitischen Normalisierung durch die Bank of Japan bilden. In den USA werden zudem die vorläufigen monatlichen Auftragseingänge langlebiger Wirtschaftsgüter für Januar bekannt gegeben, wobei der Markt mit einem Rückgang um 4% gegenüber einer Stagnation (0%) im Vormonat rechnet. Darüber hinaus wird der Conference Board Index zum Verbrauchervertrauen in den USA für Februar gemeldet. Marktteilnehmer gehen hier von einer leichten Verringerung um 0,1 Prozentpunkte auf 114,7 Punkte aus.

Am Donnerstag werden die USA den Gesamt- und den Kern-PCE-Deflator für Januar verkünden. Unter Marktexperten werden resiliente Wachstumsraten von 0,3 % bzw. 0,4 % im Monatsvergleich vorhergesagt. Diese Zahlen dürften eine entscheidende Rolle spielen, um den Zeitpunkt für die erste Zinssenkung durch die USNotenbank Federal Reserve einzuschätzen. In Japan werden am gleichen Tag die neuesten Daten zu den Einzelhandelsumsätzen und dem Wachstum der Industrieproduktion im Januar vorgelegt.

Im Euroraum wird am Freitag die Februar-Schätzung zum Verbraucherpreisindex erscheinen, die u. E. richtungsweisend für eine Prognose hinsichtlich des geldpolitischen Kurses der Europäischen Zentralbank sein dürfte. Gleichzeitig wird in den USA der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe für Februar veröffentlicht. Der Markt prognostiziert einen unveränderten Wert von 49,1.

Ich wünsche Ihnen allen ein erfolgreiches Jahr des Drachen.

Christiaan Tuntono
Senior Economist, Asia Pacific
 

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