Allianz Global Investors "Die Woche voraus" vom 28.07.2023
Angesichts der divergierenden Konjunktur zwischen den USA und Asien dürften sich die Notenbanken in Fernost bald vom Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) entkoppeln.
In den USA rechnen wir damit, dass die Fed den Zielzinssatz länger hochhalten wird („higher for longer“), um die hartnäckige Kerninflation in den Griff zu bekommen, die durch das ausufernde Wachstum der Geldmenge, übermäßig hohe fiskalpolitische Maßnahmen zu Coronazeiten und den strukturellen Arbeitskräftemangel angeheizt wurde.
Doch im Gegensatz zu den USA dürften die meisten asiatischen Länder mit schwächeren Wachstumsraten, einem schnelleren Rückgang der Inflation und steigenden Realzinsen in naher Zukunft konfrontiert werden. Diese Entwicklungen dürften die dortigen Notenbanken bald zu einer Entkopplung von der Fed veranlassen, sodass sie weitere Anhebungen der Leitzinsen aussetzen und einen Schwenk hin zur geldpolitischen Lockerung einleiten werden. Dafür sprechen vor allem drei Entwicklungen:
(1) Schwächeres Wirtschaftswachstum
Die sich verlangsamende globale Konjunktur belastet die Nachfrage nach Exporten aus Asien. Auch der nachlassende Post-Corona-Boom beim Konsum trübt die Binnennachfrage in der Region. Eine Reduzierung der nominalen Leitzinsen kann dazu beitragen, das inländische Kreditwachstum zu stabilisieren und die Landeswährungen zu schwächen.
(2) Schnellere Desinflation
In Asien erfolgte während der Pandemie keine allzu exzessive fiskalund geldpolitische Konjunkturstimulierung, was die Kerninflation in Grenzen hielt. Der unlängst verzeichnete Preisschub war größtenteils angebotsseitig bedingt. Darüber hinaus sind die asiatischen Arbeitsmärkte überwiegend im Gleichgewicht geblieben und leiden nicht unter den in den USA herrschenden strukturellen Engpässen.
(3) Steigende Realzinsen
Auf einen weiteren Rückgang der Inflation dürfte ein Anstieg der Realzinsen folgen. Damit letztere nicht die Konjunktur abwürgen, sollten sich die asiatische Notenbanken zu einer vorzeitigen Senkung der Nominalzinsen veranlasst sehen. Dies könnte die Bank of Japan dazu bewegen, ihre lockere Geldpolitik fortzusetzen.
Die geldpolitische Lockerung in Asien sollten sich positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirken, insbesondere auf die Binnenkonjunktur der einzelnen Länder. Wir gehen davon aus, dass die auf die Inlandsnachfrage ausgerichteten Volkswirtschaften wie China, Japan, Indien und Indonesien am meisten davon begünstigt werden. Aber auch exportorientierte Märkte wie Hongkong, Singapur, Südkorea, Taiwan, Malaysien und Vietnam werden profitieren, wobei sie voraussichtlich von einer Abschwächung der globalen Nachfrage stärker belastet werden.
Die Woche voraus
Die in der nächsten Woche anstehenden Datenveröffentlichungen werden Aufschluss darüber liefern, wie sich die Konjunktur entwickelt, vor allem im Hinblick auf die Industrie, den Arbeitsmarkt, die Inflation und das Verbrauchervertrauen.
Am Montag gibt China seine offiziellen Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende und nichtverarbeitende Gewerbe für den Monat Juli bekannt. Ferner wird der Chicago Business Barometer Index von Market News International (MNI) für die USA veröffentlicht. Hier gehen Marktteilnehmer gem. der Bloomberg Consensus-Schätzungen von einem höheren Wert von 43,5 im Juli gegenüber 41,5 im Juni aus. In Japan werden zudem das Wachstum der Einzelhandelsumsätze und der Industrieproduktion für Juni sowie der Verbrauchervertrauensindex für Juli veröffentlicht. Im Euroraum erscheinen am gleichen Tag die Schätzung des Verbraucherpreisindex (VPI) für Juli und die Zahlen zur Kern-VPI.
Am Dienstag steht der Caixin Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe in China für Juli an, der einen Einblick in die aktuelle privatwirtschaftliche Lage gewähren wird. Außerdem wird die Veränderung der monatlichen Bauausgaben in den USA für Juni erwartet. Der Markt geht von einer leichten Verschlechterung auf +0,6% aus (ggü. +0,9% im Mai). Ebenfalls am Dienstag erscheint der US-Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe des Institute of Supply Management (ISM) für Juli, für den Marktteilnehmer einen schwachen, aber dennoch besseren Wert von 46,6 (vs. 46 im Juni) erwarten.
Am Mittwoch folgt der US-amerikanische Arbeitsmarktbericht der Automatic Data Processing Inc. (ADP) für Juli. Hier wird marktseitig mit einem geringeren Plus an Neueinstellungen als die im Juni verzeichneten 497.000 gerechnet. Am Donnerstag wird die US-Regierung die vorläufigen Zahlen zum Wachstum der Lohnstückkosten für das zweite Quartal 2023 herausgeben. Der Markt hält eine Verlangsamung des Wachstums auf 2,6% im Jahresvergleich (von 4,2% im Q1 2023) für wahrscheinlich.
Abgerundet wird die Woche voraus am Freitag mit der Veröffentlichung der Beschäftigtenzahlen außerhalb der Landwirtschaft, der Arbeitslosenquote und dem durchschnittlichen Wachstum der Stundenlöhne in den USA. Unter den Marktteilnehmern wird für Juli ein Zuwachs an den nicht-landwirtschaftlichen Stellen um 180.000 erwartet, der einem moderaten Rückgang gegenüber der im Juni gemeldeten 209.000 zusätzlichen Beschäftigten entspräche. Dagegen dürfte die Arbeitslosenquote bei 3.6% verharren. Die Entwicklung der durchschnittlichen Stundenlöhne wird wegen ihrer Auswirkungen auf die Inflation mit Spannung beobachtet werden.
Ich wünsche, dass sich Ihre Investitionen nicht von guten Renditen entkoppeln.
Christiaan Tuntono
Senior Economist, Asia Pacific
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