Steigt jetzt die Inflation?
Schon zu Beginn des neuen Jahres stellten die Märkte das Mantra der ewig niedrigen Inflation infrage. Doch seit die zehnjährige US-Breakeven-Inflation – eine Kennziffer zur Beurteilung der Effizienz einer inflationsindexierten Anleihe gegenüber einer vergleichbaren, traditionellen Anleihe – im Februar den höchsten Stand seit 2014 erreicht hat, gewinnt die Inflationsfrage an Brisanz. Offensichtlich preisen die Märkte höhere Inflationserwartungen ein, gleichzeitig werden Lebensmittel und Energie teurer.
Trotzdem ist die absolute Inflation noch immer schwach, ein gewisser Preisdruck ist in diesem Jahr schon wegen der Basiseffekte mehr als wahrscheinlich. Das Problem ist jedoch nicht dieser kurzfristige Inflationsanstieg, sondern der sich anbahnende langfristige Paradigmenwechsel. Heute stellen sich vor allem zwei Fragen: Wie hoch fällt die unerwartete Inflation in diesem Jahr aus? Und: Geht der Preisanstieg wieder vorüber oder steuern wir auf eine längere Phase höherer Inflation zu?
Ein Comeback der Inflation gilt wegen des erwarteten (großen) US-Konjunkturpakets und der absehbaren Nachfrageerholung im Zuge der Impfkampagne als immer wahrscheinlicher. Einige Ökonomen, darunter Summers und Blanchard, warnen bereits, das Volumen des Konjunkturpakets (1,9 Bio. USD) werde unweigerlich die Inflation anheizen. Andere sehen jedoch Spielraum für staatliche Hilfen, zumal sich der Arbeitsmarkt noch immer nicht erholt hat und schwaches Lohnwachstum die Inflation im Zaum halten sollte.
Entscheidend ist jedoch, dass der Weg aus der Rezession dieses Mal ein ganz anderer ist als im Jahr 2008. Erstens stellt die Pandemie einen gewaltigen, jedoch vorübergehenden Schock dar, von dem sich die Wirtschaft sehr schnell erholen kann. Die Schäden sind weniger dauerhaft als die Folgen einer Finanzkrise. Zweitens dürften die hohe Liquidität im Finanzsystem, höhere private Einkommen und Ersparnisse sowie der starke Vermögenseffekt die angestaute Nachfrage ankurbeln, und ein solcher Cocktail könnte die Inflation weiter anheizen. Drittens besteht die Gefahr, dass die Zentralbanken in ihrem Mantra niedriger Zinsen und expansiverer Politik gefangen bleiben, mit denen sie die Wirtschaft wieder ankurbeln und gesellschaftliche Probleme lösen wollen.
Das große Konjunkturpaket könnte eine deutliche Erholung einleiten, die nicht nur Inflationsdruck erzeugt, sondern auch die Divergenzen zwischen den USA und anderen Industrieländern verstärkt. Dollar-Verkaufs-Positionen ließen sich dann nur schwer rechtfertigen, außerdem würden US-Anleihen in der aktuellen Zinswüste attraktiv.
China und andere asiatische Länder erholen sich, wie sich auch an der Aktienrallye zu Jahresbeginn ablesen ließ. Für Anleger ist Asien weiterhin attraktiv: Die Region zog auch im vergangenen Jahr in einem insgesamt schwachen Umfeld beständig ausländische Direktinvestitionen an, wobei China die USA zum ersten Mal überholen konnte. Auch hier gibt es Anzeichen für eine Abkühlung; schaut man sich jedoch die Veränderung des PMI (Einkaufsmanagerindex) in den vergangenen drei Monaten an, dann gehören China und Indien zusammen mit den USA zu den Spitzenreitern. Die indische Regierung setzt mit ihrem neuen Haushalt auf Wachstum und dürfte damit auch Investoren zurückholen.
Aus unserer Sicht könnten folgende strategische Maßnahmen im derzeitigen Umfeld sinnvoll sein:
Übergewichtung von Aktien
Wegen der anhaltenden Reflation sollten Anleger nach unserer Auffassung weiterhin Aktien, und hier insbesondere zyklische Märkte (Japan, asiatische Schwellenländer) gegenüber Anleihen übergewichten; außerdem könnten Investitionen in Märkte mit Nachholpotenzial (Russland) sinnvoll sein.
Anleger sollten jedoch die Auswirkungen der Inflation auf die Eingangspreise (und damit die Gewinne) im Auge behalten, die zunehmend für Gesprächsstoff sorgen. Am Aktienmarkt kommt es daher zunehmend auf sorgfältige Auswahl an. Aus unserer Sicht sind solide Unternehmen interessant, mit einer Präferenz von Value- gegenüber Growth-Aktien.
Aufbau Unternehmensanleihen
Bei Unternehmensanleihen kann es Sinn ergeben, eher risikoorientiert zu bleiben. Die Zentralbanken stützen den Markt weiterhin durch Anleihekäufe und kaufen dabei zunehmend auch nachhaltige Anleihen (Green und Social Bonds), weshalb wir den Ausbau entsprechender Positionen für vorteilhaft erachten. Frankreichs Notenbank-Gouverneur Francois Villeroy etwa hat sich vor Kurzem dafür ausgesprochen, die Bilanz der EZB zu dekarbonisieren, und auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Bereitschaft der EZB unterstrichen, den Kampf gegen den Klimawandel aktiver zu unterstützen. Im Zuge der Pandemie verändern sich die Mandate der Zentralbanken, staatliche Konjunkturmaßnahmen, nachhaltige Wirtschaftsmodelle und sozial gerechtes Wachstum werden wichtiger. Daher sehen wir hier nur den Anfang einer längerfristigen Entwicklung.
Aufbau Inflationsschutz
Durch eine Anlagestrategie, die auf einen möglichen Inflationsanstieg ausgelegt ist, sollten Anleger nach unserer Auffassung allmählich einen Inflationsschutz aufbauen. Dies würde sich auf die Sektorallokation auswirken; Sachwerte wie Rohstoffe, Energie und Infrastruktur sollten im Vordergrund stehen, Wertpapierauswahl ist entscheidend. Wir sehen hier Unternehmen mit moderater Verschuldung, realistischen Bewertungen und Preisgestaltungsmacht vorteilhaft.
Von Pascal Blanqué, Group CIO Amundi und Vincent Mortier, Deputy Group CIO Amundi
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