Gewinn(er)mentalität
Während viele Marktbeobachter derzeit den tragischen Verlauf und die eher kurzfristigen Folgen des Coronavirus im Fokus haben, sollten grundlegende Faktoren wie die Unternehmensgewinne nicht aus dem Blick geraten. 2019 war ein Jahr in dem die Gewinne in vielen entwickelten Märkten stagnierten oder bestenfalls leicht stiegen, während die meisten Aktienkurse kräftig zulegten. Daraus folgte eine erhebliche Ausweitung der Kurs-Gewinn-Verhältnisse – gemessen an den für die nächsten 12 Monate erwarteten Gewinnen liegt es für den globalen Aktienindex MSCI Welt derzeit bei etwa 17. Zum Vergleich: Der Durchschnitt der letzten 20 Jahre beträgt ca. 15,4.
Das Phänomen den Gewinnen vorlaufender Aktienkurse ist historisch nicht ungewöhnlich, allerdings tritt es vornehmlich am Anfang eines Konjunkturzyklus auf. Aktienmärkte sehen dann eine kraftvolle Konjunktur- und Gewinnerholung voraus, die Bestätigung durch tatsächlich berichtete Gewinne erfolgt oft erst einige Quartale später. Was folgt daraus in der derzeitigen Situation? Aktienmärkte scheinen ihre Rezessionsangst vom Jahresanfang 2019 abgestreift zu haben und trotz eines alternden Konjunkturzyklus‘ noch einmal eine merkliche (Wieder-)Beschleunigung von Konjunktur- und Gewinndynamik zu erwarten.
Diese Hoffnung ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, wie die Erholungsbewegung bei verschiedenen Frühindikatoren zeigt (siehe Chart der Woche). Allerdings erscheint die Kursbewegung zuletzt deutlich kraftvoller als die noch eher zaghafte Erholung bei Konjunkturindikatoren. Auch die Geschwindigkeit der (historisch absolut üblichen) Abwärtsrevisionen bei Gewinnschätzungen nimmt nur allmählich ab. Diese Gemengelage erhöht die Verwundbarkeit von Aktienmärkten, wie sich in der vergangenen Woche nach Ausbruch des „schwarzen Schwans“ Coronavirus gezeigt hat.
Die Woche Voraus
Wie üblich in der ersten Woche eines Monats stehen nächste Woche die Veröffentlichung der Einkaufsmanagerindizes für Verarbeitendes Gewerbe (Mo) und Dienstleistungen (Mi) im Vordergrund. Die Vorabschätzungen deuten für die meisten Region en eine zögerliche Fortsetzung der Erholungsbewegung der letzten Monate an. Ansonsten stehen die Vereinigten Staaten sowohl ökonomisch wie auch politisch im Vordergrund: Am Freitag erwartet uns der monatliche Arbeitsmarktbericht – hier erwartet der Konsens im Wesentlichen eine Fortsetzung der soliden Verfassung des Arbeitsmarktes.
Aus der geo-politischen Brille beginnt bereits am Montag eine entscheidende Phase des US-Präsidentschaftswahlkampfes: Die erste Vorwahl zur Kür des demokratischen Herausforderers von Präsident Donald Trump im Bundesstaat Iowa steht bevor. Derzeit wird ein enges Rennen zwischen Joe Biden und Bernie Sanders vorausgesagt – ein Erfolg des Kapitalismuskritikers Bernie Sanders könnte an den US- Kapitalmärkten für Nervosität sorgen. Da rückt die Tatsache, dass ab nächste Woche das Vereinigte Königreich nicht mehr der EU angehören wird, fast in den Hintergrund.
Active is: bei zu vielen Vorschlusslorbeeren vorsichtig werden
Kurzfristig erscheinen die Kapitalmärkte im Umfeld des Coronavirus anfällig. In einem Umfeld in dem Zentralbanken vorerst eine expansive Politik beibehalten und eine Rezession nicht unmittelbar bevorsteht, sollten Aktien mittelfristig noch moderates Potential bieten. Eine Erholungsbewegung bedarf aber einer Expansion der Unternehmensgewinne und einer zunehmenden Investitionsbereitschaft der Unternehmen.
Eine erfolgreiche Woche wünscht Ihnen
Ihr
Stefan Rondorf
Senior Investment Strategist, Global Economics & Strategy
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