Etwas mehr Normalität
Die Erholung der Weltwirtschaft scheint sich wieder zu verlangsamen. In diesem Zusammenhang sei aber auf zwei wichtige Punkte hingewiesen. Erstes war ohnehin nicht davon auszugehen, dass das rasche Expansionstempo der ersten Jahreshälfte 2021 von Dauer sein würde. Eine Verlangsamung ist ganz normal, insbesondere nach den einmaligen Konjunkturimpulsen durch die Impfkampagnen, die erneute Öffnung der Wirtschaft und die fiskalpolitischen Unterstützungsmaßnahmen.
Zweitens steht die Erholung nach wie vor auf einem sicheren Fundament, auch wenn sich die konjunkturelle Dynamik verringert. Der IWF prognostiziert in seiner aktuellen Ausgabe des World Economic Outlook vom 27. Juli für 2022 ein Wachstum der Weltwirtschaft um 4,9%. Pessimisten könnten nun darauf verweisen, dass die Rate für 2021 noch bei 6,0% angesetzt war. Aber wichtiger ist wohl ein anderer Punkt: Trotz der erwarteten Verlangsamung sollte das Wachstum im Jahr 2022 noch deutlich über dem Durchschnittswert der Jahre 2010 bis 2019 (3,7%) liegen. Eine Verlangsamung des Momentums ist immer auch im Kontext zu sehen.
Was ist zur Pandemie und der hoch ansteckenden Delta-Variante zu sagen? Covid19 stellt vorerst weiterhin ein ernsthaftes Risiko dar, so dass unsere Basisprognosen mit größerer Unsicherheit behaftet sind als üblich. Angesichts der Impfungen mit hoch wirksamen Vakzinen verschiebt sich aber das Verhältnis zwischen Virusausbrüchen und Lockdowns.
Nehmen wir die USA. Dort steigt die Zahl der Covid-19-Infektionen wieder an und dürfte es noch auf Wochen hinaus tun. Daher ist mit besorgniserregenden Schlagzeilen zu diesem Thema und intensiveren Diskussionen über Interventionen in die Wirtschaft zu rechnen. Schaut man sich jedoch an, wo es genau zu solchen Ausbrüchen kommt, zeigt sich, dass dies vor allem in Staaten mit unterdurchschnittlichen Impfquoten der Fall ist. Dort ist die Pandemieskepsis besonders ausgeprägt, und die Behörden dürften eher nicht dazu neigen, Lockdown-Maßnahmen zu verhängen.
Dies ist ein wichtiger Punkt. Es bedeutet nämlich, dass steigende Covid-19-Zahlen möglicherweise nicht mehr dieselben wirtschaftlichen Auswirkungen haben wie zuvor. Zudem wird die Federal Reserve gegebenenfalls verstärkt auf Abwärtsrisiken achten (und die Zinsen noch länger niedrig halten). Und es ist damit zu rechnen, dass sich mehr Menschen impfen lassen, was den gesamtgesellschaftlichen Schutz gegen Covid-19 vor dem Winter erhöhen sollte.
Die Woche Voraus
In punkto Daten steht den Anlegern eine ganz und gar nicht normale Woche bevor. Am Montag geht es in Asien los, wo das Verbrauchervertrauen in Japan, die Inflationsraten für Tokio und die Daten zum verarbeitenden Gewerbe in China veröffentlicht werden (Prognose: leichte Verlangsamung). In Europa dürften die Einzelhandelsumsätze in Deutschland etwas langsamer ansteigen und die Zahlen aus dem verarbeitenden Gewerbe anhaltend günstig ausfallen.
Am Dienstag steht Asien weiterhin im Mittelpunkt. Die Reserve Bank of Australia fällt eine geldpolitische Entscheidung, und in Japan und China werden die Einkaufsmanagerindizes für den Dienstleistungssektor bekanntgegeben. In China wird mit einem weiteren Anstieg gerechnet, in Japan könnte sich die Kontraktion dagegen verstärken.
Am Mittwoch rücken dann die US-Verbraucher und ihr Verhalten angesichts steigender CovidInfektionszahlen ins Blickfeld. Der Konsens erwartet einen Anstieg der Kfz-Verkäufe und eine weitere Aufwärtsbewegung des ISM-Index für den Dienstleistungssektor.
Am Donnerstag stehen u.a. die Konsumausgaben der privaten Haushalte in Japan (Prognose: Verlangsamung), die Industrieproduktion in Deutschland (Prognose: Anstieg) und eine geldpolitische Entscheidung der Bank of England an (Prognose: keine größeren Änderungen beim Zinsniveau oder bei den Käufen von Vermögenswerten).
Und am Freitag werden dann noch die US-Beschäftigungszahlen veröffentlicht. Der Bloomberg-Konsens erwartet, dass die Zahl der neu geschaffenen Stellen von 850.000 im Juni auf 926.000 im Juli ansteigt und die Arbeitslosenquote von 5,9% auf 5,7% zurückgeht.
Technische Daten
Allmählich beginnt eine saisonal ungünstige Jahreszeit an den Märkten. Im August und September kommt es häufig zu Kursturbulenzen, weil der unterstützende Effekt der Berichtssaison abklingt und die Marktliquidität aufgrund der geringeren Handelsaktivitäten im Sommer abnimmt.
Die Marktbreite hat sich bereits verringert: Die jüngsten Allzeithöchststände sind lediglich auf die Kursgewinne einer Handvoll Aktien zurückzuführen. Künftig könnten sich die Aktienkurse vorerst seitwärts bewegen, wobei etwa beim gleitenden 200-Tages-Durchschnitt eine Unterstützung einsetzt.
An den Rentenmärkten haben sich die Renditen von US-Staatsanleihen („Treasuries“) leicht von den jüngsten Rückschlägen erholt. Ein Grund dafür ist, dass die Federal Reserve im Rahmen ihrer Anleihekäufe große Teile der TreasuryEmissionen erworben hat. Die Renditeaufschläge („Spreads“) haben sich leicht ausgeweitet, zeigen aber bisher keine Stressanzeichen.
Auf einen schönen Sommer!
Greg Meier
Senior Economist Direktor
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